Wer Medizin studieren möchte, dem bleibt oft nichts anderes übrig, als in eine der großen Städte zu ziehen, um dort eine Universität zu besuchen. In Unterfranken gibt es den Studiengang nur an der Universität Würzburg. Einen kleinen Teil ihrer praktischen Ausbildung können Medizinstudenten ab sofort aber auch im Landkreis Haßberge absolvieren. Denn die Akutgeriatrie der Haßberg-Kliniken ist ab dem kommenden Sommersemester eine anerkannte "Akademische Lehreinrichtung" der Uni Würzburg. Am Mittwoch unterzeichneten Dr. Frank Schröder, Chefarzt der Geriatrie, Klinikchef Stephan Kolck und Prof. Dr. Sarah König, Leiterin des Lehrstuhls für Medizindidaktik und Studiendekanin, den Vertrag zur Zusammenarbeit.
"Die Studenten können bei uns ihr theoretisch erlerntes Wissen in der Praxis anwenden", sagt Schröder. Angehende Mediziner haben die Möglichkeit, die Abteilung in einem Blockpraktikum oder im Rahmen ihres Praktischen Jahres kennenzulernen.
Eine Abteilung für ältere Menschen
Die Akutgeriatrie des Haßfurter Krankenhauses behandelt seit ihrer Eröffnung im Mai 2014 speziell die gesundheitlichen Probleme älterer Menschen. Ziel der Abteilung ist in erster Linie, die Selbstständigkeit der Patienten bis ins hohe Alter zu erhalten. Während jüngere Menschen nach einer Behandlung im Krankenhaus schneller wieder ins Alltagsleben zurückfinden, dauert es bei alten Patienten länger und geht oft nicht ohne Hilfe. Außerdem kommen häufig verschiedene körperliche und psychische Probleme zusammen. In Haßfurt kümmert sich deshalb ein Team aus verschiedenen Berufsgruppen um die Patienten. Ärzte verschiedener Fachrichtungen, Physio- und Ergotherapeuten sowie Psychiater arbeiten zusammen. "Dabei hat jeder Mitarbeiter eine andere Perspektive auf den Patienten. Erst gemeinsam entsteht das Gesamtbild", sagt Schröder.
Die intensive Zusammenarbeit in einem vielfältigen Team unterscheide die Geriatrie weitestgehend von anderen Einrichtungen, sagt der Chefarzt. Deshalb hält er ein Praktikum in seiner Abteilung für eine besonders wertvolle Erfahrung für Medizinstudenten: "Es geht nicht nur darum, Fachwissen zu vermitteln, sondern auch die richtige Kommunikation mit Patienten, Angehörigen und Mitarbeitern."
Diesen Eindruck teilt Prof. Dr. Sarah König. Vor etwa einem Jahr hat sie gemeinsam mit Prof. Dr. Matthias Frosch, dem Dekan der medizinischen Fakultät, die Akutgeriatrie in Haßfurt besucht. "Damals haben wir ziemlich schnell festgestellt, dass wir so etwas in Würzburg nicht haben", sagt König. Deshalb sei schnell die Entscheidung gefallen, die Abteilung als "Akadamische Lehreinrichtung" anzuerkennen. Eine Besonderheit, meint die Studiendekanin. Denn bisher habe die Universität ausschließlich mit Lehrkliniken und Lehrpraxen zusammengearbeitet. Mit der Geriatrie in Haßfurt gebe es jetzt zum ersten Mal auch "etwas dazwischen".
Warum die Wahl ausgerechnet auf Haßfurt gefallen ist? Das habe zum einen praktische Gründe, sagt König. Haßfurt sei mit dem Zug gut von Würzburg aus erreichbar und für ein Ausbildungskonzept und die Unterbringung der Studenten sei bereits gesorgt. Zum anderen habe sie die gelebte, integrierte Patientenversorgung in der Abteilung überzeugt, sagt sie.
"Neuer Blick" auf den Patienten
In ihrem Vortrag stellte sie die besondere Rolle der Geriatrie heraus. "Alte Menschen sind nicht nur gealterte Menschen", so König. Ein 80-jähriger Patient werde zwar wegen eines gebrochenes Beins eingeliefert, leide aber zusätzlich möglicherweise noch an Herz- und Nierenschwäche, Gelenkschmerzen und nachlassender geistiger Fitness. Bei der Behandlung müsse deshalb die Kombination aller Krankheiten berücksichtigt werden. "Das ist im Studium leider noch nicht so prominent", sagt sie. In der Haßfurter Geriatrie hingegen gäbe es bereits einen "neuen Blick" auf den Patienten.
Die Ernennung der Akutgeriatrie zur "Akademischen Lehreinrichtung" füge sich daher nahtlos in eine Reihe von Maßnahmen ein, die das Medizinstudium umstrukturieren sollen. Vor zwei Jahren hat die Uni etwa einen Lehrstuhl für Allgemeinmedizin eingerichtet. Die ambulante Medizin und die medizinische Versorgung auf dem Land solle so stärker in den Mittelpunkt rücken, sagt König.
Junge Ärzte für den Landkreis
Schröder sieht in der neuen Zusammenarbeit eine Win-Win-Situation. Er verspricht sich von der neuen Zusammenarbeit einen Wissenstransfer. "Außerdem hoffen wir, mittelfristig vielleicht auch den einen oder anderen jungen Arzt für die Geriatrie oder für den Landkreis gewinnen zu können", sagt er. Denn auch an den Haßberg-Kliniken sei der Ärztemangel spürbar.
Auch Landrat Wilhelm Schneider hält die Kooperation für einen Schritt in die richtige Richtung: "Wir setzen damit ein Zeichen, dass akademische Ausbildung in Teilen auch auf dem Land stattfinden kann." Einen Grundstein dafür habe schon das Projekt "Main Sommer" gelegt. Seit 2017 können angehende Mediziner in den vorlesungsfreien Sommermonaten im Landkreis die Famulatur, ein im Studium vorgegebenes Praktikum, ableisten. Schneider hofft, dem akademischen Nachwuchs die Arbeit in den Haßbergen durch solche Angebote schmackhaft machen zu können.
In der Akutgeriatrie können schon ab April erste Studenten ein Praktikum beginnen. Dort werden sie Schröder zufolge selbst Patienten befragen, untersuchen und gemeinsam mit den Assistenzärzten eigene Behandlungsideen entwickeln. Um theoretisches Wissen zu vermitteln, wird Schröder außerdem auch als Dozent an der Uni Vorlesungen halten.