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Kreis Haßberge
52 Strafstöße in 90 Minuten, Sepp Herberger in Zeil: 9 kuriose Anekdoten zum Fußball im Landkreis Haßberge
Ein Spiel dauert 90 Minuten. Dass es dabei 52 Elfmeter gibt, ist dann aber doch selten. Was auf den Fußballplätzen der Region – und daneben – einst so passierte.
Der Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Ungarn im WM-Finale 1954 ging als 'Wunder von Bern' in die Geschichte ein. Ein Ungar war es auch der Trainer Sepp Herberger einst nach Zeil führte.
Foto: Witters (Archivfoto) | Der Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Ungarn im WM-Finale 1954 ging als "Wunder von Bern" in die Geschichte ein. Ein Ungar war es auch der Trainer Sepp Herberger einst nach Zeil führte.
Ludwig Leisentritt
 |  aktualisiert: 30.08.2024 02:38 Uhr

Nach dem Zweiten Weltkrieg lag der Fußball in Deutschland brach, aber nicht lange. Los ging es auf einfachsten Sportplätzen, Improvisationstalent war beim Beschaffen von Material für die Tore gefragt. Und während 1954 das "Wunder von Bern" in die Geschichte einging, gibt es nicht nur von der internationalen Fußballbühne einiges zu erzählen, auch aus dem Landkreis Haßberge sind zahlreiche Anekdoten überliefert. Unser Autor hat verschiedene Begebenheiten zusammengetragen:

1. Beim Bau von Fußballplätzen musste improvisiert und spioniert werden

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs konnte der Fußball nur langsam wieder Fuß fassen. Die meisten kleinen Orte verfügten nicht über einen Sportplatz. So bewunderten etwa die Steinsfelder neidisch die freilich noch primitiven Sportplätze in der Nachbarschaft. Wonfurt zum Beispiel hatte bereits Draht beziehungsweise Netz als Ballfang an den Toren.

1947 beschaffte man aus dem Gemeindewald geeignete Hölzer. Es wurden ohne eine Genehmigung kleine Eichenbäume gefällt und in einem Getreideacker versteckt. Ein Sportsfreund organisierte eine Maiwanderung, deren eigentlicher Zweck es war, bei Nacht und Nebel die Baumstämmchen in einen Hof zu transportieren. Dort machte man sich daran, die Hölzer mit einem Beil kantig zu schlagen.

Fußballplatz und Dreschplatz im Zeil der frühen 1950er-Jahre. Die Sportplätze waren damals noch ganz einfach gehalten.
Foto: Archiv Ludwig Leisentritt | Fußballplatz und Dreschplatz im Zeil der frühen 1950er-Jahre. Die Sportplätze waren damals noch ganz einfach gehalten.

Doch keiner wusste, wie lang und hoch so ein Fußballtor sein muss. In der Nachbargemeinde standen zwei Tore mit den vorschriftsmäßigen Maßen. Zunächst wollte niemand den "Spionageauftrag" in Wonfurt ausführen. Bis sich Arthur Wohlfahrt dann doch dazu entschloss. Mit äußerster Vorsicht nahm er Maß, denn gesehen – und schlimmer – verspottet werden, wollte er nicht. Mehrere Sportbegeisterte nagelten dann in der vorgeschriebenen Weise alles zusammen. Doch mit der Zeit verzog sich das frische Eichenholz und zuletzt hing der Querbalken 20 Zentimeter durch.

2. Fußballtore waren im Krieg und der Zeit danach als Brennholz begehrt

Während der Inflationsjahre mussten die Haßfurter Fußballer jedes Mal nach Spielende ihr Tor abmontieren und in das Vereinslokal "Bayerischer Hof" bringen. Sonst wäre am anderen Tag von dem Kasten nichts mehr vorhanden gewesen. Der Mangel an Brennholz verleitete in dieser Notzeit so manchen zu solch frevelhaftem Tun. Auch während des Kriegs waren die Tore an der Flutbrücke als Brennholz verheizt worden. Der 90-jährige Peter Söldner erinnerte sich 2001, dass die Kicker des 1926 gegründeten TSV Prappach ihre Spiele auf Wiesen austrugen und stets die Tore in Form von Holzstangen mitbrachten.

3. In 90 Minuten 52 Elfmeter lautete die Bilanz eines Spiels des FC Haßfurt

Bei einem Spiel gegen Oberndorf erhielt der FC Haßfurt einmal in den 90 Spielminuten 52 Strafstöße zugesprochen. Der Berichterstatter, der nach eigenem Bekunden schon mehr als 1000 Spiele gesehen haben wollte, hatte so etwas bislang noch nicht erlebt. Spieler wegen wiederholt verübter Fouls vom Platz zu stellen, wäre für den Unparteiischen mit der Anfertigung einer Niederschrift verbunden gewesen. Das war für den wohl etwas schreibfaulen Schiri offenbar zu umständlich. Er ließ die 22 Kicker lieber holzen und betätigte dafür eifrig die Pfeife.

4. Plötzlich war der Schiedsrichter auf der Suche nach dem stillen Örtchen

Ein Schiedsrichter aus dem Steigerwald bot in den 1960er-Jahren eine bühnenreife Vorstellung. Über diese schmunzelte man an den Stammtischen im ganzen Landkreis. Bei einem Spiel auf einem Platz in der Nähe von Bamberg unterbrach der Pfeifenmann nämlich ganz plötzlich ohne sichtbaren Grund das Spiel, um sich im Laufschritt samt Ball vom Sportplatz zu entfernen. Spieler und Zuschauer, denen der Unparteiische so plötzlich und so lange vor dem regulären Spielschluss den Rücken kehrte, verfolgten verdutzt dessen Weg.

Bei den ersten Häusern am Ortsrand begehrte der Regelausleger Einlass, doch es wurde ihm nicht aufgetan. Schließlich öffneten sich doch eine rettende Tür und dahinter ein Klo. Das Rauschen der Wasserspülung kurze Zeit später ließ den Sportsfreunden dann doch ein Licht aufgehen. Daher stieß nach etwa zehn Minuten der Ungewissheit das plötzliche Davonrennen des Schiris auf ein gewisses Verständnis. Eine Beschwerde führte dazu, dass das Spiel wiederholt werden musste. Der gute Mann hatte in seiner verständlichen Not das Spiel für etwa zehn Minuten unterbrochen, doch die fehlende Zeit nicht nachspielen lassen. Ein Fußballspiel muss halt doch mindestens 90 Minuten dauern.

5. Ein Schiedsrichter nahm auf einem Hochsitz Platz und pfiff von dort

Der Zeiler Schiedsrichter Peter Dütsch sollte einmal in Humprechtshausen ein Freundschaftsspiel pfeifen. Nun ging es ihm an diesem Tag nicht besonders gut. Doch die Spielführer hatten ein Einsehen und eine Lösung parat. Fast auf der Höhe der Mittellinie befand sich der Hochsitz eines Jägers, von wo aus man das Spielfeld des Sportplatzes gut überblicken konnte. Die zwei Mannschaften hatten nichts dagegen, dass Dütsch – ähnlich wie beim Tennis – von einem erhöhten Stuhl aus das Spiel leitete.

6. Ein Nationalspieler als Bauarbeiter und "Interims"-Trainer des HSV

Glück hatte 1951 der Hofheimer Sportverein. Die Stadt hatte die Pflasterung einer Straße an die Schweinfurter Firma Kupfer vergeben. Deren Inhaber war kein Geringerer als der weithin bekannte Nationalspieler Andreas "Anderl" Kupfer. Er bestritt zwischen 1937 und 1950 44 Länderspiele. 1938 hatte man ihn sogar in die Kontinentalauswahl für das Spiel gegen England berufen. Da er beim Straßenbau selbst mitarbeitete, sprachen ihn Fußballer des SV Hofheim an. Kupfer trainierte dann aus Gefälligkeit, so ist es überliefert, in der Zeit der Bauarbeiten die HSVler.

Sepp Herberger (links) mit Andreas Kupfer: Sowohl der Weltmeistertrainer als auch der Nationalspieler  kamen einst in die Gegend des heutigen Landkreises Haßberge.
Foto: Archiv Main-Post | Sepp Herberger (links) mit Andreas Kupfer: Sowohl der Weltmeistertrainer als auch der Nationalspieler  kamen einst in die Gegend des heutigen Landkreises Haßberge.

7. Eine ganze Fußballmannschaft nur aus Steinsfelder "Heilmännern"

Wohl kaum eine Fußballmannschaft ist so mit einer einzigen Familie verbunden gewesen wie die der "Sportfreunde 34 Steinsfeld". Schon in den Gründungsjahren spielten sieben Heilmann-Brüder in der ersten Mannschaft. 1968 war die Elf sogar auf sämtlichen Posten durch einen Heilmann besetzt. Da kickten noch zwei der Heilmann-Brüder – einer zählte immerhin schon 52 Lenze – sowie neun Sprösslinge der zwei Brüder. Alle "Heilmänner" hatten sich dem Fußballsport verschrieben. Mit Recht stellte die Heimatzeitung damals die Frage, ob es so etwas noch einmal in der Bundesrepublik gibt.

8. Die Fohlenelf war zu Gast in Haßfurt und plötzlich ging es ums Geld

Eine besondere Erfahrung mit Fußballstars musste 1971 der mit Schulden beladene FC Haßfurt machen. Der hatte den deutschen Fußballmeister Borussia Mönchengladbach für ein Freundschaftsspiel gewinnen können und sich dabei einen finanziellen Reibach erhofft. Der Meister kam mit seiner Starbesetzung, darunter die Haßfurter Fußballlegende Ludwig "Luggi" Müller. Mit von der Partie unter anderem auch: Berti Vogts, Horst Köppel, Rainer Bonhof, Jupp Heynckes und Mannschaftskapitän Günter Netzer.

So manches Fußballspiel an der Flutbrücke zog zahlreiche Schaulustige an. 
Foto: Jakob Schneyer (Archivfoto) | So manches Fußballspiel an der Flutbrücke zog zahlreiche Schaulustige an. 

Die Haßfurter hatten mit Borussia-Trainer Hennes Weisweiler einen Freundschaftspreis in Höhe von 7500 Mark vereinbart. Die vom FCH vorbereitete schriftliche Vereinbarung zerriss Weisweiler vier Wochen vorher mit der Feststellung, dass sein Wort gelte. Doch angesichts einer stattlichen Zuschauerkulisse forderten die angereisten Gladbacher plötzlich 15.000 Mark und Weisweiler wollte sich an keine andere Vereinbarung mehr erinnern. Um die auf den Rängen wartenden 12.000 Zuschauer nicht zu enttäuschen, willigten die Haßfurter zähneknirschend ein.

Mit viel Fantasie konnte man sich auch seinen ganz eigenen Stehplatz schaffen.
Foto: Jakob Schneyer (Archivfoto) | Mit viel Fantasie konnte man sich auch seinen ganz eigenen Stehplatz schaffen.

9. Ein Ungar kam nach Zeil und wurde dort von Sepp Herberger besucht

Der Volksaufstand in Ungarn zwang 1956 den ehemaligen Nationaltrainer Rudi Kisz zur Flucht nach Deutschland. 1968 behandelte der Schmachtenberger Gemeinderat die offizielle Einbürgerung des charmanten Ungarn, der 1901 in Budapest geboren wurde. Kisz spielte früher aktiv beim FTC Budapest. Er stand 28 Mal in der ungarischen Nationalmannschaft. Der Schmachtenberger Neubürger traf sich des Öfteren mit dem deutschen Erfolgstrainer Sepp Herberger, der ihn anlässlich seines 60. Geburtstags sogar in Zeil besuchte.

Rudi Kisz kannte viele Größen des Fußballsports. Hier begrüßte er nach ungarischer Art die Frau von Sepp Herberger.
Foto: Archiv Ludwig Leisentritt | Rudi Kisz kannte viele Größen des Fußballsports. Hier begrüßte er nach ungarischer Art die Frau von Sepp Herberger.

Ein freudiges Wiedersehen gab es 1959 beim Europapokalspiel MSC Budapest gegen Real Madrid in Stuttgart mit seinem ehemaligen Schützling Ferenc Puskás, den er früher in Ungarn trainiert hatte. Kisz traf sich bei Spielen in Nürnberg unter anderem auch mit Trainer Béla Guttmann von Benfica Lissabon. Bei solchen Anlässen ließ Kisz so manches Mal Zeiler FCler von seiner internationalen Popularität profitieren, indem er ihnen prominente Sportler vorstellte. In Budapest war Kisz vor seiner Flucht Besitzer eines großen Filmtheaters und einer Gaststätte. In seiner neuen Heimat trainierte er zahlreiche Mannschaften, darunter die aus Eltmann, Zeil und Sand.

Hinweis: Trotz sorgfältiger Recherche konnten die Rechteinhaber einzelner Archivbilder nicht ermittelt werden. Rechteinhaber werden gebeten, sich bei der Redaktion zu melden.

 
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