Rund 750 Kilometer liegen zwischen Ebern und dem polnischen Żory. Jahr für Jahr machen sich Schülerinnen und Schüler des Friedrich-Rückert-Gymnasiums Ebern auf den Weg ins Nachbarland – und das seit mittlerweile 25 Jahren. Seitdem gibt es den regen Schüleraustausch zwischen dem Eberner Gymnasium und dem polnischen Karol-Miarka-Lyzeum. Über 450 Jungen und Mädchen haben mittlerweile am Austauschprogramm teilgenommen. Am vergangenen Donnerstag wurde das Jubiläum gefeiert.
Żory ist eine Stadt in Schlesien, nahe der tschechischen Grenze. Die Bevölkerungszahl liegt bei über 60.000. Die Stadt hatte ein starkes Bevölkerungswachstum – seit Mitte der fünfziger Jahre hat sich die Einwohnerzahl verzehnfacht.
Die Schülerinnen und Schüler des Friedrich-Rückert-Gymnasiums, die in den vergangenen Jahren am Austausch teilgenommen hatten, berichteten von sehr beengte Wohnverhältnisse in den Plattenbauten der Stadt, in der der Steinkohlebergbau einst dominant war. Heute prägen schwierige wirtschaftliche Verhältnisse die Region, die wirtschaftliche Leistung durch den Steinkohlebergbau ist eingebrochen.
Dagobert Hellmer suchte nach Partnerschulen
Austauschleiterin und Studiendirektorin Heike Eichenhüller berichtet über den Beginn des Austauschs: "Es gab damals bereits eine Patenschule in Guatemala und Austauschprogramme mit Forfar in Schottland und Pierrelatte in Frankreich." Auf Initiative von Dagobert Hellmer, dem ursprünglichen Initiator, habe die Schule dann beim bayerischen Jugendring angefragt, ob es auch Partnerschulen in Polen gäbe. Und die gab es. "Und siehe da, diese Anfrage hatte auch eine gewisse Barbara Barglik in Żory gestellt." Also die Lehrkraft, die noch heute aktiv den Austausch von polnischer Seite aus leitet.
Der 81-jährige Hellmer freut sich heute über die Früchte seiner Arbeit - das "Interesse an Menschen aus anderen Kulturkreisen, menschliche Begegnungen und Freundschaften." Wie nachhaltig die Erlebnisse des Schüleraustauschs sein können, kam bei Videobeiträgen zutage, in denen "Ehemalige" zu Wort kamen.
Die Bereitschaft, sich auf Unbekanntes einzulassen, die Scheu vor fremden Personen ablegen, aber auch die Aufgabe, sich im Ausland ohne einschlägige Sprachkenntnisse zurechtzufinden, sei für sie prägend für den weiteren Lebenslauf gewesen.
Die Erinnerungen an die Zeit in Polen bleiben
Studienrätin Gisela Dautel berichtete, dass ihre mittlerweile 35 Jahre alte Tochter Janna noch immer von ihren Austauscherlebnissen schwärme und noch heute davon zehre. In Erinnerung seien ihrer Tochter die nette Gastfamilie und deren Leben in der engen Plattenbauwohnung geblieben – aber auch die modernen, schönen Städte wie Breslau.
Drei aktuelle Nutznießerinnen des Eberner Gymnasiums sind die 16-jährige Leya Wolf und die beiden 15-jährigen Helena Baiersdorfer und Samira Seit. Sie reisen im April kommenden Jahres nach Żory. Die Abende mit den circa 20 polnischen Austauschschülerinnen und -schülern, erzählen die Mädchen, stünden voll im Fokus des Austauschs.
Die Jugendlichen waren in der vergangenen Woche schon wiederholt gemeinsam beim Bowling, hätten viel Spaß miteinander und seien schon gespannt, was beim Austausch auf sie zukäme. Der Austausch mit den polnischen Jugendlichen dauert jeweils eine Woche – in Ebern und in Żory.
Persönliche Erfahrungen mit politischer Dimension
Der Austausch mit Polen sei etwas ganz Besonderes, berichtete der Schulleiter Martin Pöhner. Die Reise ins Nachbarland hätte nicht nur persönliche, sondern auch wichtige politische Dimension: Von vielen Höhen und Tiefen sei die deutsch-polnische Geschichte geprägt. Vom friedlichen Zusammenleben der Bürger in Ostmitteleuropa – als auch durch die gemeinsame Verteidigung abendländischer Werte unter Beachtung des kulturellen Erbes. So als der polnische König Jan III. 1683 ganz Mitteleuropa vor der Eroberung durch das Osmanische Reich bewahrt hatte.
Auch die Verbrechen der Deutschen, die hinter der Frontlinie in Polen nach dem Überfall 1939 begangen wurden, müssten klar benannt werden. Heute prägen Pöhner zufolge die drei zentralen Werte Frieden, Freiheit und Demokratie den Austausch.
In einem Europa, das manchmal auseinander zu fallen drohe, sei es außerordentlich wichtig, seine Nachbarn kennen und schätzen zu lernen, griff Eichhüller den Gedankenfaden auf. Wichtig sei auch, deren Andersartigkeit zu akzeptieren und die Gemeinsamkeiten zu erkennen.
Mögliche Auswirkung der Parlamentswahl
In den letzten Jahren regierte in Polen die national-konservative PiS-Partei. Diese ist zwar bei den Parlamentswahlen in Polen Mitte Oktober erneut zur stärksten Kraft gewählt worden, verfehlte aber die absolute Mehrheit. Das könnte dazu führen, dass die polnische Politik künftig europafreundlicher wird.
Die politische Ausrichtung Polens habe in der Vergangenheit aber keinen Einfluss auf den Schüleraustausch zwischen Ebern und Żory gehabt. "Von dem nationalistischen und europakritischen Gedankengut, das sich die polnische Regierung in den vergangenen Jahren zu eigen gemacht hatte, haben wir nichts gespürt", so Eichhüller.
Auch die kommunale Politik, bestätigte Eberns Bürgermeister Jürgen Hennemann (SPD), habe derartige Signale nie erreicht. Der Schulleiter hoffe, dass alle, die an einem solchen Programm teilgenommen haben, bei einschlägigen Diskussionen ihre Position behaupten und vielleicht auch persönlich in der Politik europafreundliche und demokratische Akzente setzen.
Freude über die Freiheit, problemlos nach Deutschland reisen zu können und sich hier gut aufgehoben zu fühlen, zeigte auch der 14-jährige Austauschschüler Franciszek Staniek. Er sei gerne hierhergekommen. Vor allem die Ausflüge nach München und Nürnberg wären sehr beeindruckend gewesen.
Deutsch-polnischer Freundschaftschor trat auf
Mit großem Einsatz hätten die Schülerinnen und Schüler während der Busfahrten ein Lied einstudiert."Count on me", auf Deutsch: "Zähle auf mich", das sie dann als musikalische Einlage mit deutsch-polnischem Freundschaftschor aufführten.
Austauschleiterin Eichenhüller ist, wie auch ihre polnische Kollegin Barbara Barglik, voller Zuversicht: "Unser Schüleraustausch mit Polen ist ein lebendiges Beispiel dafür, wie Menschen durch Bildung und Freundschaft die Welt verändern können."