"Ein kleines Dorf feiert ganz groß", diesen Slogan hatten die Wustvieler über ihre 1000-Jahr-Feier geschrieben und sie hielten Wort. Aus allen Himmelsrichtungen strömten am Festsonntag die Besucher in den Steigerwaldort, um ebenfalls mitzufeiern und eine Zeitreise zu machen. Für viele Familien wurde das Fest zu einem großen Wiedersehen und einem Austausch von Erinnerungen.
"Schau, so widder Verwandtschaft", "ach ja, des kenn ich nuch von früher", "da bei der Frieda hab ich immer eigekefft und die Kegelbahn kenn ich auch noch", solche und ähnliche Sätze hörte man an allen Enden des Festgeländes, das sich fast auf die gesamte Ortsdurchfahrt erstreckte. Tief gekramt hatten die Wustvieler in ihrer Geschichte und dabei unser anderem die Eigenart der Hausnamen herausgearbeitet. Fast jedes Haus an der Hauptstraße war beschildert mit dem Namen der Bewohner und ihrem "Hausnamen". So ist heut noch das Sägewerk Jäger "die Mühl".
Zwei Gastwirtschaften hatte Wustviel früher, beide mit Kegelbahn, beide mit Schnaps-Brennrecht, eine mit Brauerei. Die "Obera Wirt’n", das war die Familie Bößner, die "Untera Wirt’n" die Familie Rudolph, auch "Wirtsfranzen" genannt. Auf de Schildern erfuhren die Gäste, dass die Schule früher auch Sonntagsschule war, dass es ein Armenhaus und einen Kindergarten gab. Das erste Telefon im Ort gab es im ehemaligen Zehnhof der Familie Jäger, Hausname "Butzer Marri" besagte Maria war Pflegemutter für Waisenkinder, betrieb die Poststelle und ihr Mann war Dorfpolizist und Mesner in einer Person.
Mit und vom Holz lebten die Wustvieler über viele Jahrhunderte, bis viele dann in der Großindustrie in Schweinfurt ihren Haupterwerb fanden. Bernhard Weinbeer zeigte die Kunst des Entrindens von Holzstämmen mit einem Schälmesser. "So haben hier quasi alle Familien nach dem Krieg ihr Geld verdient", erzählt er aus eigener Erfahrung. 3 Mark gab es pro Ster entrindetes Nadelholz, das in die Papierindustrie ging.
Holzverarbeitung mit der Wertschöpfung vor Ort
Heute bleibt mehr Wertschöfpung der Holzverarbeitung im Ort, etwa durch die Firma Lang, die in ihrem Hof ihre Produkte zeigte, vorwiegend gedrechselte Teile wie Stuhlbeine für die Möbelindustrie, aber auch Kreuze oder Gebetswürfel, wie sie zu Kommunion oder Konfirmation verschenkt werden. Lang hat als Spezialist für besondere Formen einen überregionalen Namen.
"Hier gab es immer Menschen, die voraus und für andere mitgedacht haben", hatte Pfarrer Kurt Wolf im Festgottesdienst am Morgen gesagt. Und so überraschte es kaum, dass hier sogar ein Erfinder seinen Beruf ausübte. Die Familie Opfermann, das waren über Generationen Schneider, zuletzt bis in die 80er Jahre noch ein Bekleidungsgeschäft, und über Schneidermeister Opfermann schrieb am 5. Februar 1931 die Zeitung: "Schneidermeister Opfermann hat für seinen Beruf einen Meßapparat erfunden und zwar das verstellbare Armloch.
Schneidermeister Opfermann macht alle Körpermaße messbar
Mittels dieses Apparats werden alle Körpermaße genau festgestellt. Die Erfindung ist für den Schneideruf von großer Bedeutung und so erhielt der Erfinder darauf eine Schutzfrist von 3 Jahren zuerkannt". Leider gibt es kein Bild von dieser interessanten Maschine. Vieles andere, das früher den Alltag im Steigerwald bestimmte, haben die Wustvieler allerdings aufbewahrt oder Gäste eingeladen, die alte Handwerksberufe vorstellten.
Begonnen hatte der Tag mit einem Freiluftgottesdienst, an den sich drei Festreden anschlossen. Bürgermeister Matthias Bäuerlein gratulierte den Wustvielern zu ihrem Jubiläum, noch mehr aber zu dem großartigen Fest, das sie auf die Beine stellten. Als Geusfelder fährt er ja täglich zum Rathaus durch Wustviel "und ich bin niemals lieber durch Wustviel gefahren als in den letzten Wochen. Überall wurde gewerkelt und gemeinsam angepackt, das hat große Freude gemacht", erklärte das Gemeindeoberhaupt. In der Gründungsurkunde von 1023 ist Wustviel mit "wustgefeldes" bezeichnet, was so viel wie "wüstes Gefilde" bedeutet.
Die Menschen hier hätten sich also nicht niedergelassen, weil es so fruchtbaren Boden gab, sondern eher weil es hier schön zu leben war. Sie richteten sich mit viel Fleiß und Erfindungsgeist ein und so stand in Wustviel ab 1453 die erste Kirche und ab 1787, noch vor Einführung der Schulpflicht auch die erste Schule der Umgebung. "Ein bisschen ironisch bedankte sich Bäuerlein bei den Wustvielern, dass sie 280 Jahre nach der eigenen Ersterwähnung etwas westlich "einen ebenfalls schönen Vorort gründeten und ihm den Namen Geusfeld gaben."
Die vielen Vorteile, die das Leben auf dem Land bietet, betonten auch Landrat Wilhelm Schneider und MdL Steffen Vogel. Ob bei der Dorferneuerung, beim Bau des Festplatzes oder des Feuerwehrhauses, die Bewohner Wustviels hätten auch in der Neuzeit immer zusammengehalten und gemeinsam angepackt. Dieser Gemeinsinn und Ideenreichtum seien auch die richtigen Zutaten für weitere 1000 Jahre Dorfgemeinschaft.