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MÜNNERSTADT
Wilfried Müller will REMOG verkaufen
Rundgang in einer der elf Fertigungshallen: REMOG-Hauptgeschäftsführer Wilfried Müller (links) zusammen mit Mitarbeiter Marian Kelch, der seit 2003 bei der Münnerstädter Firma beschäftigt ist.
Foto: Fotos (2): Isolde Krapf | Rundgang in einer der elf Fertigungshallen: REMOG-Hauptgeschäftsführer Wilfried Müller (links) zusammen mit Mitarbeiter Marian Kelch, der seit 2003 bei der Münnerstädter Firma beschäftigt ist.
Isolde Krapf
 |  aktualisiert: 07.04.2020 12:04 Uhr

Vor fünf Wochen ging die REMOG-Belegschaft zusammen mit der Gewerkschaft IG Metall auf die Straße und demonstrierte gegen den von der Firmenleitung angekündigten Stellenabbau. Bei der Kundgebung war von verfehlter Personalpolitik und vom Vertrauensverlust gegenüber der Geschäftsführung die Rede (wir berichteten).

„Ich kenne jeden persönlich. Ich wäre froh, wenn ich die Belegschaft halten könnte“, sagt dazu der Geschäftsführende Gesellschafter Wilfried Müller im Gespräch mit der Redaktion. Doch schon bald werden angekündigte Aufträge von Kunden ausbleiben, argumentiert der Firmenchef. Er müsse handeln und wolle die Firma REMOG jetzt verkaufen – allerdings stelle er an einen Investor Bedingungen.

Modernisierung in den 1990ern

Als Wilfried Müller damals seinen Job in einem Schweizer Unternehmen kündigte und Ende 1990 bei der Münnerstädter Firma Rudolf Erich Müller (REMOG) als Mehrheitsgesellschafter einstieg – die Namensgleichheit mit dem Firmengründer ist übrigens Zufall und nicht verwandtschaftsbedingt – hatte die Firma 309 Mitarbeiter, wies 8,3 Millionen Mark Bankschulden auf und verzeichnete eine Eigenkapitalquote von 13 Prozent. Der Maschinenpark sei veraltet gewesen, sagt Müller. Man habe die Fertigung 1994 modernisieren müssen und eine neue Halle gebaut. 1997 arbeiteten 334 Mitarbeiter im Betrieb. Seines Wissens nach sei dies der Höchststand gewesen. Damit will er dem entgegentreten, was öffentlich stets propagiert werde: dass REMOG schon einmal 400 Mitarbeiter gehabt habe.

Dass die Beschäftigtenzahl über die Jahrzehnte immer mehr abnahm, dafür macht der Hauptgeschäftsführer mehrere Gründe verantwortlich. 1998 zum Beispiel, als die Auftragslage recht gut war, habe der Betriebsrat per Gerichtsbeschluss erwirkt, dass die Mitarbeiter keine freiwilligen, bezahlten Überstunden machen dürfen. Um die Aufträge zu halten, habe er die Schweinfurter Firma REMOG Serienteile gegründet (60 Mitarbeiter). Etliche Beschäftigte gingen aus Münnerstadt nach Schweinfurt, sagt Müller. Andere seien befristet, also ohne Kündigung, in Münnerstadt ausgeschieden.

Auswirkungen der Finanzkrise

180 Beschäftigte zählte der Betrieb 2009. Doch dann bekam die Firma die Auswirkungen der Finanzkrise zu spüren. Kurzarbeit war angesagt. Mehrere Mitarbeiter gingen zu Siemens – und kamen teilweise auch wieder zurück. Dass die Belegschaft bis 2011 auf 129 Mitarbeiter geschrumpft war, habe auch damit zu tun, dass Beschäftigte sich hatten abfinden lassen oder vorzeitig in Ruhestand gegangen waren, sagt Müller. Auf diese Feststellung legt der Firmenchef wert: „Betriebsbedingte Kündigungen gab es damals nur sieben und seit 2011 gab es gar keine mehr.“ Inzwischen hat die Münnerstädter Firma jedoch nur noch 81 Mitarbeiter. Müller begründet dies damit, dass sich inzwischen etliche neue Stellen gesucht hätten oder in Ruhestand gegangen seien.

„Wir haben Vereinbarungen mit Belegschaft und Betriebsrat gemacht und sie erfüllt“, sagt der Firmenchef. Auch die für 2018 vereinbarte Beschäftigungssicherung habe die Geschäftsführung bis heute eingehalten. „Wenn wir demnächst Arbeitsplätze abbauen müssen, dann in geringem Umfang. Mit 25 Stellen muss man rechnen.“ Er habe seinen Beschäftigten über die Jahre immer wieder erklärt, wie die Kostensituation ist und wie man einen Produktionsfortschritt erreichen könne, so der Firmenchef. „Wir brauchen mehr Maschinen-Bedienung, um kostengünstiger zu werden.“

Große Kapazität von CNC-Maschinen

Dazu müsse man ein Konzept erstellen und erfassen, wie die Maschinen arbeiten. Früher seien die CNC-Maschinen stärker in Anspruch genommen worden. Der Betriebsrat habe jedoch die Betriebsdatenerfassung seit langem blockiert. Inzwischen dürften Beschäftigte, nach Intervention des Betriebsrats, nicht mehr zwei Maschinen, die automatisch laufen, gleichzeitig bedienen, sagt Müller. In anderen Firmen sei dies jedoch gang und gäbe.

Würde die Kapazität der Münnerstädter Maschinen besser genutzt, könnte REMOG, nach Müllers Ansicht, mehr, beziehungsweise größere Aufträge annehmen als bisher. Derzeit müsse man Kunden in Münnerstadt gelegentlich abweisen und woandershin schicken.

REMOG zählt namhafte Konzerne wie Liebherr Aerospace, Bosch Rexroth, Linde, Daimler und Siemens zu seinen Abnehmern. Nach Angaben des Firmenchefs würden sich die Luftfahrtunternehmen jedoch immer öfter Richtung Polen orientieren. Dort zahle der Arbeitgeber 35 Prozent des in Deutschland gezahlten Lohns.

Ansiedlung im Euro-Park

In Polen gibt es seit 1995 die Sonderwirtschaftszone (SWZ) Euro-Park bei Mielec, in der sich zahlreiche Unternehmen unterschiedlicher Branchen ansiedelten. Die Luftfahrtbranche hat mittlerweile dort die größte Bedeutung, weiß Müller. Weil die großen Konzerne immer öfter dort produzieren lassen, sei REMOG in Münnerstadt längst unter Druck geraten.

Der Firmenchef gibt ein Beispiel:  Der Hersteller von Airbus  habe bislang einen Lieferanten pro Zuliefererteil an der Hand gehabt. Jetzt wolle er für ein Produkt mit zwei Lieferanten Verträge abschließen. Dieses „Dual-Sourcing“ führe bei REMOG Münnerstadt dazu, dass sich die Stückzahlen eines Auftrags halbieren. Die andere Hälfte der Produktion werde vom Kunden im Ausland billiger eingekauft.

Bis 2019 sei die Produktion in Münnerstadt gesichert. Für 2020 sei die Prognose düster, sagt Müller. Denn die Auftragseingänge des Hauptkunden in der Luftfahrttechnik, die 65 Prozent des Firmenumsatzes ausmachten, werden sich bis 2019 auf 25 Prozent reduzieren, sagt der Firmenchef. Bei REMOG werden unter anderem Teile für den Airbus 330 und den Airbus 320 gefertigt.

Vor kurzem habe er mit dem Airbus-Hersteller einen Tag lang verhandelt, so Müller. „Die Entscheidung wurde bis Ende Oktobervertagt.“ Müller möchte, wie er sagt, dass die Münnerstädter Firma fortbesteht. Aus Altersgründen – er ist jetzt 74 – wolle er 2019 verkaufen. In Frage kommt für ihn nur ein „strategischer Investor“ – jemand, der das Fertigungsprogramm übernimmt und vielleicht expandiert. „Das könnte auch für die Mitarbeiter von Vorteil sein“, sagt Müller, weil der neue Financier möglicherweise wieder mehr Leute in der Firma einstellt.

Firma REMOG

REMOG Münnerstadt wurde 1952 von Rudolf Erich Müller gegründet. Die Firma ist ein Lohnfertigungsbetrieb (die Teile werden nach Kundenzeichnung bearbeitet). Produziert wurden Drehteile und Industrie-Hydraulik. Nach dem Tod des Firmengründers suchte dessen Frau Eva Müller einen Geschäftsführer. Ende 1990 wurde Ingenieur Wilfried Müller in der Firma Mehrheitsgesellschafter. Inzwischen sind alle Anteile an ihn übergegangen. Laut Wilfried Müller verlagerte man die Produktion vor zehn Jahren zu 65 Prozent auf Hydraulik für die Luftfahrt. Zudem werden Komponenten für Industriemaschinen und medizinische Lasergeräte gefertigt. REMOG produziert auch für Gardner Denver, die deutsche Ausgründung des amerikanischen Konzerns bei Siemens (Brendlorenzen).

REMOG Schweinfurt wurde 1998 gegründet (60 Mitarbeiter), um Serienteile zu fertigen. Die Firma wurde 2009 aufgelöst.

REMOG Polska im polnischen Euro-Park Mielec (heute 160 Mitarbeiter) wurde 2004 gegründet und fertigt laut Wilfried Müller ausschließlich Hydraulik-Komponenten für Industrie und Fahrzeug-Technik.

REMOG Münnerstadt und REMOG Polska sind in der REMOG Verwaltungs-GmbH zusammengeschlossen.

Yasa Motors, von Wilfried Müllers Sohn Markus (41) im Jahr 2011 gegründet, gehört nicht zur Firma REMOG. Markus Müller war bis 2012 Geschäftsführer in Münnerstadt und baute in Polen REMOG Polska mit auf. Bei Yasa Motors werden ausschließlich Teile für die Luftfahrttechnik hergestellt.

 
 
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