Endlich ein Stück Struktur. Ein fester Tagesablauf. Und Entlastung vom ständigen Grübeln. Über dieses Problem aus der Vergangenheit, das ihm ins Bewusstsein drängt. Für das er keine Lösung findet. Michael Bausewein (Name geändert) genießt seine drei Stunden unter der Woche in der Tagesstätte der Diakonie in Bad Kissingen. Die sind dem psychisch Kranken in Corona-Zeiten wichtiger denn je. Genauso, wie die Weihnachtshilfe der Saale-Zeitung für die Klienten des sozialpsychiatrischen Dienstes insgesamt.
Die sieben Wochen im Frühjahr waren die Hölle. Während des ersten Lockdowns musste das Diakonische Werk seine Tagesstätte im Pflegezentrum Theresienstift geschlossen halten. Keine Fahrten mit dem Auto für Michael Bausewein, montags bis freitags nach Bad Kissingen. Kein Malen, Basteln, Handwerken, keine Kontakte. Alles anders, als er es 13 Jahre lang gewohnt war. Nur sinnloses Herumsitzen daheim, auch wenn Bausewein nicht allein lebt. Aber immer die quälenden Gedanken über den Konflikt, den er nicht benennen mag.
Leben aus dem Gleichgewicht
Die Ergotherapie in der Tagesstätte, die Gespräche mit anderen Besuchern, die Geselligkeit beim gemeinsamen Mittagessen - sie durchbrachen den belastenden Fluss an schwermütigen Gedanken. Der Michael anfangs oft teilnahmslos und abwesend erscheinen ließ. Bauseweins Zustand, er besserte sich; er wirkte stabil, nahm wieder am Leben teil. Sagt Jürgen Wolfer, Leiter der Tagesstätte.
Doch dann kam Corona. Und Bauseweins Leben geriet wieder aus dem Gleichgewicht. "Ich habe mich da sehr schlecht gefühlt. Das Grübeln hat immer mehr zugenommen; ich kam zu keinem Ergebnis."
Wie erleichtert war der Mann aus dem östlichen Landkreis, als er ab Mitte Mai wieder nach Bad Kissingen fahren durfte. Dass seine Zeit in der Tagesstätte von vier auf drei Stunden täglich schrumpfte, dass nicht mehr alle zusammen, sondern jeder einzeln oder zu zweit mit Abstand in einem Raum sitzen muss: Bausewein nimmt es hin. "Das ist besser als nix." Aber die Feste und Ausflüge, die Betreuung in Neigungsgruppen, die flachfallen, vermisst er. Besonders Kegeln und Minigolf mit anderen Menschen - sportliche Aktivitäten waren für ihn das Beste.
Rechnung und Mittagessen bezahlt
Wie kann die Weihnachtshilfe Michael Bausewein helfen? Indem sie ihm den Rücken freihält. Indem sie ihm Geldsorgen abnimmt. Bausewein wohnt mit seiner Frau zur Miete. Er erhält vom Staat nur eine geringe Berufsunfähigkeitsrente, weil er lange aus dem Job raus ist. Seine Frau geht arbeiten, verdient wenig. Da freute sich das Paar, dass die Weihnachtshilfe ihm eine teure Autoreparatur bezahlte. Und einen Zuschuss zum Mittagessen in der Tagespflege leitet. "Ich hätte nicht gewusst, wie ich es hätte stemmen sollen."
Josef L. wohnt in einem Stadtteil von Hammelburg. Allein. Umso mehr freut er sich fünf Mal die Woche auf die Gemeinschaft in der Tagesstätte. Stets steht er zwischen 6 und 6.30 Uhr auf, setzt sich in den Zug nach Bad Kissingen, selten ins Auto .
Wunderbares Kaffeetrinken auf der Bank
Dass die Tagesstätte im Frühjahr schloss, traf ihn. "Es war eine schwierige Zeit", sagt er. Aber noch etwas fehlte kurzzeitig: Seit zwei Jahren erhält der gemütliche Mann regelmäßig daheim Besuch von Mitarbeitern der Diakonie . Hilfesteller zur Bewältigung des Alltags, wie sie Daniela Nickola, Koordinatorin des " Betreutes Wohnen " getauften Angebots, nennt.
Josef L. leidet unter extremen, lang andauernden Stimmungslagen. Da fallen selbst kleine Dinge wie Einkaufen oder Saubermachen schwer. Etwa zwei Wochen wartete L. im ersten Lockdown vergeblich auf Besuch einer "Hilfestellerin". Die Diakonie konnte das nicht anbieten. Doch danach fand es der Rand-Hammelburger "wunderbar", dass jemand mit ihm einkaufen und spazieren ging. Legendär das "Kaffeetrinken auf einer Parkbank". Die Weihnachtshilfe half auch L. - mit Zuschüssen zu einer Autorechnung und zum Mittagessen.
Angebote sollen verfügbar bleiben
Beide Klienten der Diakonie wünschen sich, dass Tagesstätte (29 Betreute) und Betreutes Wohnen (etwa 45) verfügbar bleiben - egal, wie hart der Lockdown diesmal ausfällt. Nickola und Jürgen Wolfer wollen das gewährleisten. Die Klientenzahl sei in Corona-Zeiten gestiegen. "Therapeutische Leistungen" seien noch erlaubt.
Die Spenden der Weihnachtshilfe fließen in Alltagsdinge: Matratzen, Lattenroste, Lebensmittelgutscheine, aber auch Rechnungen, vereinzelt eine Waschmaschine. "Mit dem Geld können die Leute, die aufgrund ihrer psychischen Beeinträchtigung ja einen langen Leidensweg hinter sich haben, sich Bedürfnisse erfüllen", so die Sozialarbeiterin . Es sei eine Investition in die Lebensqualität.