
Am Dienstag startet die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in München in die Europameisterschaft. Wie fast immer wird Günter Kühnlein live im Stadion dabei sein. Der selbstständige Unternehmer aus Schondra reist seit rund 15 Jahren rund um die Welt für sein Hobby, seine große Leidenschaft, den Fußball.
Bis ins hohe Fußballeralter von 38 Jahren hat der heute 62-Jährige selbst für die DJK Schondra gekickt, war zudem Jugendtrainer und Schiedsrichter. Der verheiratete Familienvater begleitet "die Mannschaft", wie der Deutsche Fußballbund (DFB) seine Elf selbst bezeichnet, seit der Weltmeisterschaft 2006 zu den großen Turnieren.
Ein Gespräch über ein teures Hobby, Fußball im Zeichen der Coronapandemie und darüber, was bei den Reisen wirklich zählt.
Herr Kühnlein, wie wird man zum Edelfan der Nationalmannschaft?
Günter Kühnlein: Die Mannschaft hat mich schon immer interessiert. Schon, als ich noch zur Schule gegangen bin. Bei der WM 1970 in Mexiko durften wir nachts aufstehen und die Spiele gucken. So hat sich das dann entwickelt. Festes Mitglied im DFB bin ich seit über 15 Jahren.
Gerade bei den großen Turnieren gibt es bestimmt viel zu erleben.
Inzwischen habe ich wirklich sehr viele Länderspiele gesehen. Mein erstes großes Turnier war die WM in Deutschland 2006. Da wollte ich eigentlich zu jedem deutschen Spiel, bin aber krank geworden. 2008 bei der EM war ich bei den Spielen in der Schweiz, 2010 in Südafrika, 2012 in Polen und der Ukraine.
Das Highlight war aber sicher der WM-Titel 2014 in Brasilien?
In Brasilien habe ich alle deutschen und insgesamt elf Spiele gesehen, war beim 7:1 gegen die Brasilianer im Halbfinale und beim Endspiel in Rio. Das war schon gigantisch und auf jeden Fall das größte Highlight. 2016 ging es dann zu einigen Spielen nach Frankreich und 2018 mehrere Wochen nach Russland. Da bin ich auch geblieben, als Deutschland schon raus war.
Der Nationalmannschaft wird nachgesagt, dass sie sich immer weiter vom Fan wegbewegen würde. Wie beobachten Sie das, der schon so lange dabei ist?
Ich sehe das Problem nicht bei den Spielern selbst, sondern im Umfeld. Dieses Abschotten wird schon immer schlimmer. Ich glaube, dass die Spieler das gar nicht wollen. Der DFB-Tross ist in den letzten Jahren schon eine Katastrophe, aber das kann ich als Fan nicht trennen. Wenn ich dabei sein will, muss ich das in Kauf nehmen.
Würden Sie sich selbst als einen Fußballverrückten bezeichnen?
Ja (lacht). Es lässt einen einfach nicht mehr los.
Entsprechend dürften Sie heilfroh gewesen sein, dass bei den Spielen trotz Pandemie Zuschauer zugelassen sind. Auch, wenn es in München nur gut 15 000 statt rund 70 000 sind.
Auf jeden Fall. Wir hatten schon Karten für das Turnier letztes Jahr, bevor es verschoben wurde. Man konnte die Tickets dann behalten und hoffen, dass Zuschauer zugelassen werden, oder sie wieder abgeben. Jetzt bin ich natürlich froh, dass ich ins Stadion darf.
Spiele vor verringerter Zuschauerzahl sind das eine. In Budapest dagegen wird das Stadion mit 68000 Menschen randvoll gemacht. Hört die Vernunft da auf?
Ein Stück weit Sorgen mache ich mir da schon. Ich würde die Stadien nicht so vollstopfen. Mit bis zu 50 Prozent Auslastung kann ich mich anfreunden, weil du dann immer einen gewissen Abstand hast und sich nicht alles so ballt. Wir müssen uns langsam an die Normalität mit Corona rantasten und man muss es nicht gleich übertreiben.

Würden Sie denn in eine vollbesetzte Arena gehen? Als Unternehmer haben Sie große Verantwortung.
Ich würde mir schon vorher Gedanken darüber machen. Wie sieht es mit der Sicherheit aus und mit dem Hygieneschutz? Ich würde es mir auf jeden Fall genau überlegen.
Die Spiele sind oft nicht gerade um die Ecke. Was haben Sie für Ihr Hobby schon ausgegeben?
Das kann ich gar nicht sagen. Das macht auch keinen Sinn. Brasilien, die Ukraine und Russland waren am teuersten wegen der Inlandsflüge zu den Spielorten. Alleine in Brasilien waren es mit Tickets, Reisen, Unterkunft und Verpflegung um die 15 000 Euro.
Nicht nur ein teures, sondern auch ein zeitaufwendiges Vergnügen. Inwieweit sind Sie da froh, sich als Ihr eigener Chef selbst frei geben zu können?
Das ist natürlich ein Vorteil. Aber ich kenne viele, die nicht selbständig sind und trotzdem überall hinfahren. Wir sind halt fußballverrückt, wie gesagt. In Brasilien habe ich junge Leute getroffen, die so lange geblieben sind, wie das Geld eben gereicht hat. Dabei sein ist eben alles.
Ist die Zeit bis zum Endspiel Mitte Juli komplett geblockt?
Karten habe ich für alle deutschen Spiele, hoffentlich bis zum Finale. Ich gehe zwar schon ins Büro, aber kann mir das einteilen und auch mal einige Tage am Stück weg sein. Wenn ich nur zum Spiel fahre und gleich wieder heim, fehlt der Flair. Man muss das ganze Drumherum erleben.
Gibt es denn in Pandemiezeiten überhaupt ein Drumherum?
Es wird auf jeden Fall anders. Wir müssen zum Spiel schon alleine anreisen und nicht in Gruppen, dazu kommen natürlich Tests und die Abstandsregeln im Stadion. In der Stadt wird man sehen, was möglich ist. Wenn das Wetter passt und die Inzidenzwerte weiter sinken, kann man ja draußen etwas erleben. Man muss natürlich trotzdem aufpassen und sich an die Regeln halten. Insgesamt denke ich nicht, dass die Stimmung so ausgelassen sein wird wie sonst, wenn Menschen aus aller Herren Länder zusammenkommen. Genau das macht es ja eigentlich aus.
Und rein sportlich? Die Gruppe mit Weltmeister Frankreich, Europameister Portugal und den unberechenbaren Ungarn hat es sicherlich in sich. Was ist möglich diesmal?
Jetzt, wo der Bundestrainer Mats Hummels und Thomas Müller zurückgeholt hat, sehe ich unsere Chancen gar nicht so schlecht. Es rechnet diesmal nicht jeder mit uns. Wenn wir gegen Frankreich nicht verlieren, kommen wir auf eine gute Schiene. Und den Portugiesen haben wir ja in Brasilien schon vier Stück eingeschenkt (lacht).