zurück
Münnerstadt
Aserbaidschan-Affäre: Unterfränkischer CSU-Politiker Eduard Lintner jetzt wegen Korruption in Millionenhöhe angeklagt
Seit vielen Jahren steht er unter Verdacht. Jetzt bringen die Ermittlungen zu seiner Lobbyarbeit für Aserbaidschan den früheren Staatssekretär aus Münnerstadt vor Gericht.
Eduard Lintner, früherer CSU-Bundestagsabgeordneter aus Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen), bei einer Kundgebung für den Aufstand und Widerstand der Bürger im Iran vor dem Brandenburger Tor im Sommer 2019. Jetzt wurde Anklage gegen ihn erhoben. 
Foto: Christoph Soeder, dpa (Archivbild) | Eduard Lintner, früherer CSU-Bundestagsabgeordneter aus Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen), bei einer Kundgebung für den Aufstand und Widerstand der Bürger im Iran vor dem Brandenburger Tor im Sommer 2019.
Manfred Schweidler
 |  aktualisiert: 18.12.2024 02:35 Uhr

Die Generalstaatsanwaltschaft München hat Anklage gegen die ehemaligen Bundestagsabgeordneten  Eduard Lintner und Axel Fischer erhoben. Nach jahrelangen Ermittlungen ist sie überzeugt: Beide sollen Millionen für illegale Lobbyarbeit für das aserbaidschanische Regime in Baku angenommen haben. Der CSU-Politiker aus Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) wird der Bestechung von Mandatsträgern verdächtigt, teilte die Generalstaatsanwaltschaft mit.

Ziel der Zahlungen sei die Beeinflussung von Entscheidungen in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) gewesen. Seit 2018 wirft der Verdacht in der sogenannten Aserbaidschan-Affäre einen Schatten auf die Karriere des fast 80-jährigen Lintner. Er soll ein Netzwerk gegründet haben, um den Ruf des autoritär geführten Landes aufzupolieren, das in die EU will. Auf Nachfragen sagt Lintner seit Jahren: "Ich bin nicht bestechlich".

Lintner über seine Kontakte und Tätigkeiten: "Das ist ein Stück Lobbyarbeit"

Als der CSU-Politiker sich 2009 nach 33 Jahren im Bundestag aus der aktiven Politik zurückzog, sprach er mit dieser Redaktion über seine Unterstützung für Aserbaidschan. Sechs- bis zehnmal pro Jahr sei er dort. "Man muss mit solchen Ländern Geduld aufbringen, auch in Westeuropa ist die Demokratie nicht über Nacht gekommen", so der langjährige Abgeordnete. Es gehe darum, "das Land auf dem Weg in die parlamentarische Demokratie zu begleiten". Lintner sagte damals: "Ich bin beratend und auch werbend tätig", und "das ist ein Stück Lobbyarbeit."

Untersuchungsbericht nährt den Verdacht gegen Lintner

Doch wie weit ging sein Engagement?  "Angeblich habe ich Gelder an Abgeordnete weitergeleitet, was alles nicht stimmt", sagte Lintner Anfang 2020 gegenüber dieser Redaktion. Damals wurde sein Haus durchsucht. In einem 200 Seiten starken Untersuchungsbericht des Europarates von 2018 geht es um Lintner als Schlüsselfigur eines Netzwerkes, das das Ansehen des Regimes in Baku verbessern sollte.

Die Vorwürfe werfen einen Schatten auf die lange politische Karriere Lintners, die als Gemeinderat in Erlabrunn im Landkreis Würzburg 1972 begann. Aus dem Sudetenland geflüchtet, hatte er in Würzburg Jura studiert und war nach seinem Umzug nach Münnerstadt rasch in die Bundespolitik aufgestiegen. Zeitweise wurde sein Name in einem Atemzug mit Politikgrößen aus Unterfranken wie Wolfgang Bötsch und Michael Glos genannt.

Lintner saß bis 2009 insgesamt 33 Jahre lang für die CSU im Bundestag. Zuletzt war er Staatssekretär im Bundesinnenministerium.

Reden und Abstimmungen: Gegen Barzahlung agiert?

Laut Staatsanwaltschaft sagte Lintner einer inzwischen verstorbenen CDU-Abgeordneten zu, "gemäß den Vorgaben Aserbaidschans tätig zu werden". Fischer soll mit einem Abgeordneten aus Aserbaidschan schon 2011 vereinbart haben, "gegen Bargeldzahlung zukünftig nach Anweisung im Interesse Aserbaidschans" im Europarat zu agieren. Es sei dabei um "positive Redebeiträge, die frühzeitige Übermittlung von vertraulichen Dokumenten" und sein Abstimmverhalten gegangen, so die Ermittler.

In Italien ist die Justiz in der Affäre längst weiter. Der Abgeordnete Luca Volontè wurde 2020 zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Dem früheren Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europarat, in der auch Lintner saß, wurde nachgewiesen, dass er bis 2014 insgesamt 2,39 Millionen Euro aus Aserbaidschan erhalten hatte.

Beeinflussung erst seit 2014 strafbar

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft geht es in der Anklage um Zahlungen seit September 2014. Seitdem ist die Beeinflussung der Tätigkeit von Mitgliedern der parlamentarischen Versammlungen von internationalen Organisationen in Deutschland strafbar. Lintner soll nach Angaben der Ermittler über zwei Gesellschaften bis 2016 "einen mehrfachen Millionenbetrag über 19 ausländische Briefkastenfirmen" erhalten haben.

Klaus Ruhland, Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft München, sagte am Montag: "Die Ermittlungen gestalteten sich, insbesondere aufgrund des konspirativen Vorgehens der Angeschuldigten, sehr komplex und zeitaufwendig."

Lintner nennt Anklage "sachlich nicht berechtigt"

Lintner teilte am Montag in einer sechsseitigen Stellungnahme auf Anfrage mit: Die  "erhobenen strafrechtlichen Vorwürfen" seien "sachlich nicht berechtigt". Er habe an einer friedlichen Lösung zwischen Aserbaidschan und Armenien im Konflikt um die Region Berg-Karabach mitwirken wollen.

Dass "unser Handeln als Bestechung von Abgeordneten eingestuft werden könnte, kam mir und meinen Mitwirkenden nie in den Sinn, zumal Abgeordnete nach dem Grundgesetz bei ihren Abstimmungen ohnedies völlig frei und ihrem Gewissen unterworfen sind", so Lintner

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Münnerstadt
Manfred Schweidler
Axel Fischer
Bundesministerium des Innern
CDU-Abgeordnete
CSU
Deutscher Bundestag
Eduard Lintner
Ermittlerinnen und Ermittler
Europarat
Europäische Union
Karin Strenz
Michael Glos
Politiker der CSU
Staatsanwaltschaft Schweinfurt
Staatssekretäre
Wolfgang Bötsch
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen
Kommentare
Aktuellste
Älteste
Top
  • Gerhard Kreßmann
    die Bemühungen um eine friedliche Koexistenz der Menschen in Berg-Karabach waren zwar augenscheinlich gut bezahlt aber nach neuestem Stand nicht sehr erfolgreich.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Paul Merklein
    Laut ZDF erhielt Lintner über ausländische Briefkastenfirmen mehrere Millionen Euro. Wenn das stimmt, dann frage ich mich, ob das Ruhegehalt eines Bundestagsabgeordneten so gering ist, dass man davon nicht leben kann, oder kriegt da einer den Hals nicht voll.
    Mag sei, dass wenn man im heutigen Tschechien geboren ist, eine besondere Affinität mit dem Osten und da mit Aserbaidschan verspürt, doch wenn einer für unsere Gesellschaft nach seinem aktiven Ausscheiden aus dem Arbeitsleben was positiv gestalten möchte, dann gäbe es bei der Integration ausländischer Flüchtlinge auch in Unterfranken genug zu tun. Passierte dies aus reiner Nächstenliebe, so wäre das C in Lintners Partei gerechtfertigt. Die CSU sollte sich von solche Leuten schnell distanzieren, um nicht noch mehr an Glaubwürdigkeit zu verlieren.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Reinhold Hellmann
    Korruption ist eigentlich eine Straftat, in Bayern ist es Folklore. (Django Asül)
    Lintner ist allerdings wenigstens für die Kultur so wichtig, dass er laut dem neuen Programm des Kissinger Sommers noch als Kuratoriumsmitglied aufgeführt wird.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Norbert Roth
    Tja, liebe CSU, etwas weniger Ampel-Mobbing, mehr vor der eigenen Haustüre kehren und nebenbei ein paar lang versprochene Wohnungen bauen, vielleicht mit Geld aus Aserbeidschan, aus Maskendeals, etc.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Walter Seubert
    Leider verstößt Ihr Kommentar gegen die Kommentarregeln (Behauptung ohne Beleg) auf mainpost.de. Wir haben den Kommentar deshalb gesperrt.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Arnold Friedrich
    Die AMIGOS reiten immer weiter und weiter.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    ...."Zeitweise wurde sein Name in einem Atemzug mit Politikgrößen aus Unterfranken wie Wolfgang Bötsch und Michael Glos genannt."....

    In einem Atemzug mit....! - da spürt man nochmal den Hauch der Geschichte ganz großer Weltenlenker, da schlottern die Knie, da spannt das Hemd und man ist vor Ehrfurcht immer noch ganz ergriffen....

    Und nun das: der Verdacht illegaler Lobbyarbeit, schnöder Korruption und Bereicherung - wenigstens standesgemäß in "Milllionenhöhe".

    Da wird der Name wohl künftig nur noch "in einem Atemzug" genannt mit CSU-"Politgrößen" wie Sauter, Nüßlein, Haderthauer, Merk, Streibl, Strauß, Pfahls, Hohlmaier, Tandler etc.etc....und eher nicht mit der gebotenen "Ergriffenheit".

    Wieso ist das ganze in Unterfranken keinem Strafverfolger aufgefallen?
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Stefan Fuchs
    Hr. Deeg , sie vergaßen noch Otto Wiesheu, der nach einer Trunkenheitsfahrt 1983 mit tödlichem Ausgang von 1993 bis Ende 2005 Bayerischer Staatsminister für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie war.

    Mit freundlichem Gruss
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Peter Koch
    Dass der Herr Lintner die Sache an sich gar nicht abstreitet sagt schon einiges aus. Wie er aber mit Schmiergeld aus Aserbeidschan für EU-Parlamentarier Frieden im Kaukasus stiften wollte erschließt sich mir nicht.
    Mit Schmiergeld aus Europa Politiker im Kaukasus friedlich zu stimmen wäre schon eher sinnvoll gewesen.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Martin Deeg
    Fakt am Rande:
    "2018 (!) erhielten Eduard Lintner und Karin Strenz aufgrund der Untersuchungen der EU ein lebenslanges Hausverbot für den Europarat und dessen parlamentarische Versammlung."

    Quelle: Wikipedia
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Gerhard Zwierlein
    Wir haben aber auch ein Pech mit unseren Rhön-Grabfeld-Abgeordneten: erst Halemba - nun Lintner ! Aber eigentlich umgekehrt....
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Jürgen Huller
    Das hat wohl auch Tradition:

    Wenn's irgendwo in Deutschland nach Korruption stinkt und/oder sich mal wieder einer die eigenen Taschen vollgestopft hat, ist ein Unionspolitiker garantiert nicht weit. Klassisch Vetterleswirtschaftspartei.

    Beschämend!

    Klar, noch ist es nur ein Verdacht. Allerdings einer, dem jahrelange Ermittlungen voraus gegangen sind.
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Harald Schwarzmann
    Nein! Die CSU und Korruption? Jadasgibtsjawohlnicht!
    Aber die Ampel und die in Berlin und die Grünen und die Wokeness und das Gendern...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten
  • Hans-Martin Hoffmann
    Das sind mMn die Beispiele

    wo den "normalen Leuten" Mund, Nase und Ohren offenstehenbleiben. Ja fürchten denn die "Großkopferten", morgen ihre Rechnungen nicht mehr bezahlen zu können, wenn sie nicht von überall(!) her noch Geld annehmen?!

    Ich zumindest versteh das nicht. Aber vielleicht muss ich mich auch deswegen unter die "normalen Leute" zählen...
    • Bitte melden Sie sich an Gefällt mir () Gefällt mir nicht mehr ()
    • Antworten