Jeweils sechs Monate pro Jahr in Deutschland und sechs Monate in Marokko: So sieht seit gut zwei Jahrzehnten der Lebensrhythmus von Reinhard und Aicha Schatz aus. Nun bringt Corona diesen Takt ins Stocken. Es gibt keine Flüge und auch keine Fähren über das Mittelmeer.
"Langsam werde ich nervös ", gesteht Reinhard Schatz an seinem deutschen Wohnsitz im malerischen Heiligkreuz . Noch hofft er auf er auf eine Grenzöffnung im Januar 2021. "Das entscheidet der König", sagt er mit Blick auf die Monarchie in Marokko. Schließlich sei das Land auf den Tourismus angewiesen.
14 Zimmer mit Familienanschluss
Von existenzieller Bedeutung sind offene Grenzen auch für das Lebenswerk des deutsch-marokkanischen Ehepaares. Aicha und Reinhard Schatz haben, sieben Kilometer von Marrakesch entfernt, eine Art Schloss gebaut, in dem sie in bis zu 14 Zimmern mit einem gewissen Familienanschluss und heimischer Küche ihre Gäste beherbergen.
Von diesem Standquartier aus bieten sie jeweils im Frühjahr und Frühsommer individuelle Rundtouren durch den Wüstenstaat an. Des Arabischen mächtig, führen sie durch das Land und zeigen Orte, wo nach ihren Angaben nicht jeder hinkommt.
Über die vergangenen Jahre ist die inzwischen 18 000 Quadratmeter große Oase immer weiter gewachsen. Eigenhändig hat Reinhard Schatz in diesem Jahr an einem dritten Schwimmbad mit einem Wasserfall mitgebaut. 20 Plätze bietet mittlerweile ein Wohnmobilstellplatz, den Abenteurer aus ganz Europa anfahren, um sich im Grünen von den Strapazen der Straße zu erholen.
Auch aus dem Landkreis Bad Kissingen nehmen Freunde des Hauses die 3500 Kilometer lange Anfahrt auf sich, um den Zauber des Orients zu genießen.
2020 wäre eine tolle Saison geworden, findet Schatz. Doch dann kam Corona. Das Schloss beherbergte gerade mal einen Monat lang die Gäste, als die Saison abrupt endete. Die Gäste mussten sich wegen der unklaren Perspektiven ausfliegen lassen.
Dank vom Konsul
Anders etliche Wohnmobilisten. Manche unter ihnen beschlossen, den ersten Lockdown in der fernen Heimat lieber am Urlaubsdomizil in Marokko auszusitzen. "Vor dem Hafen in Tanger gab es ja riesige Staus", beschreibt Reinhard Schatz das zwischenzeitliche Durcheinander.
Die bleibenden Wohnmobilisten bescherten der Gastronomenfamilie eine besondere Herausforderung. "Einzelne erkrankten zwischendurch an Herz und Kreislauf, brauchten Betreuung", so Schatz. Corona sei es nicht gewesen. Auf jeden Fall boten die Gastgeber auch bei Besuchen im Krankenhaus Unterstützung und halfen über Sprachbarrieren hinweg.
Auch Schatz selbst reist zwischen seinen beiden Domizilen mit dem Wohnmobil hin und her. Diesen Sommer habe ihn der deutsche Konsul persönlich im Hafen von Tanger verabschiedet, um ihm für die Gästebetreuung zu danken.
Doppeldecker-Bus wird verkauft
Sechs Tage sind Aischa und Reinhard Schatz gewöhnlich auf dem Landweg zwischen ihren Wohnorten unterwegs, inzwischen mit einem kleineren Reisemobil. Lang bewältigten sie die Distanz in einem luxuriös umgebauten Doppeldecker-Reisebus samt eigenem Schlafzimmer. Für den Doppeldecker sucht Schatz jetzt nach zehn Jahren einen Käufer mit Busführerschein. Der Reparaturaufwand an dem guten Stück sei einfach zu groß geworden.
Der Abschied von dem Fahrzeug falle ihm schwer. Schließlich hat er diese Sänfte auf vier Rädern binnen zwei Jahren für seine Zwecke umgebaut. Sie bietet im Untergeschoss normale Sitze für ein Dutzend Mitfahrer und eine Küche. Im Obergeschoss gibt es eine Art rollenden Salon mit allem Komfort für die Fahrgäste. Schatz hat sogar schon Treffen für Fans solcher Luxus-Liner organisiert. "Es war unser Traumschiff bei den Rundfahrten durch Marokko", schwärmt Schatz von den zurückliegenden Touren. Von der einen Million an Kilometern Wegstrecke hat Schatz in einem Jahrzehnt selbst 200 000 Kilometer auf den Tacho des Busses gefahren. Die Erlebnisse in dem Wüstenstaat würden glatt für eine Verfilmung taugen, sagt der unkonventionelle Reiseunternehmer. Doch damit ist jetzt Schluss. Künftig wird für die Rundtouren in Marokko vor Ort ein Bus gechartert.
Das bewegte Leben der Familie hat noch andere spannende Facetten. Etwa, dass die beiden Töchter bis zu ihren Abschlüssen ein halbes Jahr in Deutschland und ein halbes Jahr in Marokko zur Schule gegangen sind. Neben Deutsch und Französisch sprechen sie auch Arabisch .
Dass Magdalena Schatz ab dem Alter von zehn Jahren das abendliche Musikprogramm im orientalischen Salon des Schlosses unter anderem mit arabischen Weisen und Chansons mitgestaltete, schlug sich auch in ihrer Studienwahl nieder. Sie studiert neben Mathematik und Physik heute auch Musik und Operngesang, sagt ihr Vater stolz. Eine musikalische Ader hat auch Mona-Lisa Schatz, die sich zur Bauzeichnerin ausbilden lässt.
Trockenheit ist ein Riesenproblem
Ob für das Projekt in Marrakesch weitere Baupläne gebraucht werden, ist noch offen. Denn, so Reinhard Schatz: "Es gibt dort neben Corona noch ein anderes Problem". Es habe dort drei Jahre nicht mehr geregnet. Zwar verfüge seine Oase bei Marrakesch über einen 70 Meter tiefen Brunnen. Aber mangels Regen kann manchmal nur eines der Schwimmbecken befüllt werden. Das ist zwar ein vergleichsweise kleines Problem, aber die Trockenheit sei eine echte Tragödie für ganz Nordafrika. Aktuell ist Schatz mit seinem von Marokko-Bildern bunt beklebten Reisemobil in ganz Deutschland auf Werbetour unterwegs. Reisen für 2021 können bei den Schatz schon gebucht werden. Eine Reisebestätigung gibt es aber noch nicht. "Keiner weiß ja genau, was kommt", sagt Reinhard Schatz zum Fortgang der Corona-Pandemie. Wolfgang Dünnebier