Nicht schlecht staunte ein Kunde der Commerzbank-Filiale am Marktplatz in Bad Kissingen, als er am 2. Januar seinen Bankberater aufsuchen wollte. Die automatischen Türen vor der Schalterhalle öffneten sich nicht wie gewohnt.
Nach seinen Angaben völlig überraschend, verkündete ein ausgedrucktes Blatt Papier auf dem Türglas, dass die Filiale ab sofort komplett geschlossen ist. Stattdessen wird auf den neugestalteten Selbstbedienungsbereich (SB-Bereich) im Vorraum verwiesen.
Keine persönliche Beratung mehr vor Ort in Bad Kissingen
Den Trend zur Einführung des automatisierten Bankverkehrs könne er ja halbwegs verstehen, so der 87-Jährige. "Aber nicht auf diese Art und Weise", moniert er. Vollkommen unangekündigt sei er mit der neuen Situation konfrontiert worden. Aus Empörung darüber hat er sich an diese Redaktion gewandt, möchte aber, so wie andere Unzufriedene, lieber nicht namentlich erwähnt werden.
Enttäuscht zeigte sich der betroffene Bankkunde auch von der Service-Hotline der Commerzbank, die er auf der Suche nach Beratung nach dem Scheitern an der Türe des Geldhauses nutzen wollte. Seine Anfrage habe das Sprachmenü nicht verstanden, nach zwölf Minuten habe er schließlich aufgegeben.
Der Senior fürchtet künftig Probleme: Etwa, wenn er ohne persönlichen Kontakt zu seinem bisherigen Berater Geld anlegen oder er zum Begleichen einer Rechnung kurzfristig sein Auszahlungslimit erhöhen möchte. "Es ist doch schrecklich, wenn die Kunden künftig nur noch an den Automaten herumhängen", findet er.
Verbreitet Unzufriedenheit unter Betroffenen
Eine Nachrecherche dieser Redaktion im SB-Bereich der Bank zeigt, dass der Senior mit seinem Frust längst nicht alleine ist. Es herrscht dieser Tage ein munteres Kommen und Gehen zwischen den vier Automaten zum Geldabheben, Überweisen, Einzahlen und Drucken von Kontoauszügen.
Auf die Schließung angesprochen, machen etliche, vor allem ältere Besucherinnen und Besucher, ihrem Ärger ohne Umschweife Luft. Nach wie vor versuchen Betroffene in die Schalterhalle zu gelangen, weil sie bisher nicht über deren Schließung informiert wurden. Ihre Zuversicht, dort nun bedient zu werden, wird durch die verschlossene Glastür jäh gestoppt.
Keine Einweisung an den neuen Automaten im SB-Bereich
"Der Weg war umsonst", bedauert etwa ein in seiner Reaktion halbwegs gefasster Ruheständler vor verschlossener Türe. Zumindest hätte er sich nun eine Einweisung am Überweisungsautomaten erhofft. Als wenig intuitiv wird auch von einzelnen jüngeren Kunden die Bedienung des Gerätes gesehen. Bei der Anmeldung bleibe der Bildschirm erst einmal länger dunkel, was bei der erstmaligen Nutzung doch irritierend sei.
Eine 78-Jährige beschwert sich, dass ihr bereits im Dezember nahegelegt worden sei, in einer Nachlassangelegenheit für eine Unterschrift in die Bankfiliale nach Schweinfurt zu kommen. Gerade noch so sei sie in Bad Kissingen bedient worden. Dass das Personal gegen Ende hin eher zugeknöpft gewesen sei, erzählen auch andere Bankkunden.
Nicht ganz so überrascht über die Filialschließung zeigt sich eine andere Seniorin. Ihr sei der Schritt Ende September angekündigt worden. Das habe wohl mit der Kündigung ihres Schließfaches zu tun. Stattdessen habe ihr die Bank ein solches in Schweinfurt angeboten.
Den Schritt zur Schließung an so zentraler Stelle in der Welterbestadt Bad Kissingen kann sie nach ihren Worten nicht nachvollziehen, zumal es hier doch viele Senioren gebe, die in der Kurstadt ihren Ruhestand verbringen. Da empfindet sie die Abkehr von der persönlichen Beratung vor Ort als falschen Schritt. 2010 war die einstige Filiale der Dresdner Bank am Marktplatz durch die Commerzbank übernommen worden. Da hatte sich der damalige Oberbürgermeister Kay Blankenburg sich über das Bekenntnis der Bank zum Standort Bad Kissingen gefreut.
Das Vorgehen der Bank wirft Fragen auf. Liegt zur unerwarteten Filialschließung möglicherweise eine Kommunikationspanne vor? Auf Nachfrage dieser Redaktion nimmt die Bank Stellung: "Wir bedauern die Kurzfristigkeit sehr", sagt Pressesprecherin Sandra Kobus. Geplant sei gewesen, die Filiale Bad Kissingen noch einige Monate in Betrieb zu halten. Bedauerlicherweise sei dies aufgrund der personellen Entwicklung nur bis Ende 2022 möglich gewesen.
Die Commerzbank hatte im vergangenen Jahr informiert, ihr Filialnetz in 2023 anzupassen und nur 400 Standorte weiter zu betreiben, offenbar ohne mit ihren Zukunftsplänen gezielt auf die Kunden in Bad Kissingen einzugehen. Für die Neuordnung der Filialen nennt die Pressesprecherin einen Grund: "Bereits heute finden über 80 Prozent der Kundenkontakte mit uns über die digitalen Kanäle statt", so Kobus.
Commerzbank verweist auf SB-Terminals und die Schweinfurter Filiale
Sie verweist zur Erledigung von Geldgeschäften auf die Selbstbedienungsterminals sowie Geldeinzahl- und Auszahlautomaten im Vorraum der bisherigen Bad Kissinger Filiale. Alle bisherigen weiteren Dienstleistungen bleiben laut der Presseprecherin in der Filiale Schweinfurt erhalten. Außerdem gebe es ein Beratungscenter mit Telefon-Hotline zu allen Finanzthemen, wo es unter Frankfurter Vorwahl auch Auskunft zu den digitalen Anwendungen gebe.
In Bad Kissingen ist die Commerzbank seit 1970 vor Ort. Die beiden bisherigen Mitarbeiterinnen seien zum Jahresende in eine Ruhestandsregelung beziehungsweise in die Filiale Schweinfurt gewechselt, informiert die Bank.
Bei aller vernehmbaren Unzufriedenheit unter den Kunden im Selbstbedienungsbereich der Bank wollen viele bei dem Geldinstitut bleiben. Weit verbreitet ist die Einschätzung, dass so gut wie alle Banken künftig ihre persönliche Präsenz in der Region zurückfahren werden. "Bei einem Wechsel kommt man womöglich vom Regen in die Traufe", fürchtet eine Kundin.