Überforderung, Angstzustände, Depression – fast jeder zweite Deutsche hat irgendwann im Leben eine psychische Erkrankung. Die Zahl der Betroffenen wächst, auch weil sich heute mehr Menschen trauen, offen über ihre Erkrankung zu sprechen. Die Deutsche Rentenversicherung hat mittlerweile bundesweit 200 Reha-Zentren, die auf die Behandlung und Therapie von Menschen mit psychischen Erkrankungen spezialisiert sind. In der Reha-Klinik in Bad Kissingen werden seit vielen Jahren Menschen mit psychischen Erkrankungen behandelt. Der Ärztliche Direktor, Dr. Wolfram Franke, erklärt, wie man psychische Erkrankungen erkennt, wie man eine Reha bekommt und welche Erfolgsaussichten solch ein Aufenthalt hat.
Wolfram Franke: Die Belastungen am Arbeitsplatz wie der Konkurrenzdruck oder Mobbing spielen häufig eine wichtige Rolle, wenn Menschen psychisch krank werden. Wird die Arbeit zudem als unbefriedigend und wenig erfolgreich wahrgenommen, kann das zu Depressionen oder Sucht führen. Insgesamt sind die Menschen aber nicht häufiger krank als früher. Es wird nur mehr auf mögliche psychische Ursachen geachtet. Ärzte schicken Patienten verstärkt in die Psychotherapie. Viele kommen auch freiwillig. Die Sensibilität für psychische Erkrankungen ist gestiegen.
Franke: Das Durchschnittsalter in unserer Klinik liegt bei 47 Jahren. Wir beobachten aber, dass die Patienten, die zu uns geschickt werden, immer älter werden.
Franke: Depressionen im Alter sind viel häufiger als in jüngeren Jahren. Die beruflichen und persönlichen Anforderungen steigen in diesem Alter. Manche Menschen pflegen bereits einen Angehörigen, andere kümmern sich immer noch um ihre Kinder. Die Gesamtsumme der Belastungen nimmt in diesem Alter zu. Oft fehlen positive Erlebnisse, um dies alles auszugleichen.
Franke: Meist sind es Frauen, die psychosomatisch erkranken. Bei Depressionen sind Frauen sogar doppelt so häufig betroffen wie Männer. Das hat mit der gesellschaftlichen Rolle und der Doppelbelastung zum Beispiel bei der Pflege zu tun. Noch dazu kommt der Hormonstress im Klimakterium.
Franke: Wenn eine ambulante Psychotherapie nicht ausreicht, stellt der Versicherte mit Hilfe des Hausarztes oder eines Facharztes den Antrag auf Rehabilitation bei der Deutschen Rentenversicherung. Die Erwerbsfähigkeit muss aufgrund der Erkrankung gemindert oder erheblich gefährdet sein. Die Bewilligungsquote liegt bei 80 Prozent. Schon im Antrag kann man eine entsprechend spezialisierte Wunschklinik angeben. In der Regel dauert eine psychosomatische Reha fünf Wochen.
Franke: Es dauert manchmal mehrere Wochen, bis man einen entsprechenden Platz bekommt.
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Franke: Die Wiedereingliederung ist ein festes Instrument der Rehabilitation. Dies gilt für Patienten, die arbeitsunfähig sind. Jeder Arbeitgeber ist verpflichtet, nach sechswöchiger Erkrankung seiner Mitarbeiter ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten, um die Arbeitsunfähigkeit zu überwinden und die Gesundheit langfristig zu erhalten. Ein Teil davon kann zum Beispiel ein stufenweiser Wiedereingliederungsplan sein, sofern der Arzt dies verordnet. Betroffene arbeiten dann zunächst drei bis vier Stunden am Tag, später sechs Stunden.
Franke: Wenn die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers nach sechs Wochen ausläuft, zahlt die Rentenversicherung ein Übergangsgeld. Das Übergangsgeld beträgt für Versicherte ohne Kinder 68 Prozent des letzten Nettoarbeitsentgelts. Wenn ein Kind vorhanden ist, für das der Betroffene Kindergeld bekommt, sind es 75 Prozent des letzten Nettoarbeitsentgelts. Für Selbstständige, die in der Rentenversicherung versichert sind, und Arbeitslose gelten Sonderregeln.
Franke: Die überwiegende Mehrheit der Patienten geht zurück in die Erwerbstätigkeit. Das ist unser größter Erfolg. Wir machen routinemäßig zu Beginn und am Ende der Behandlung psychologische Tests. Das Ergebnis: Die Patienten können sich wieder besser konzentrieren, sie halten besser durch und sie fühlen sich wohler.
Franke: Eigentlich kann man eine Reha erst nach vier Jahren erneut beantragen. Allerdings, wenn es medizinisch notwendig ist, wird eine Reha auch nach ein oder zwei Jahren wieder bewilligt.
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