
Der Angeklagte kommt ein paar Minuten zu spät: Um 10.06 Uhr betritt Eduard Lintner den Sitzungssaal B273 des Münchner Strafjustizzentrums. Voraussichtlich bis in den Sommer muss sich der 80-jährige frühere CSU-Bundestagsabgeordnete aus Münnerstadt (Lkr. Bad Kissingen) dort in einem Strafprozess einem schweren Vorwurf stellen: Lintner soll mit Millionen-Beträgen, die er offenbar über eigens dafür gegründete Gesellschaften aus staatsnahen Quellen in Aserbaidschan bekommen hatte, Politiker-Kollegen bestochen haben. Sie sollten im Gegenzug politische Entscheidungen im Sinne des autoritär geführten Landes am Kaspischen Meer beeinflussen.
Anklage: Lintner soll knapp vier Millionen Euro aus Aserbaidschan bekommen haben
Konkret soll Lintner laut der Anklage der Generalstaatsanwaltschaft München aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung mit einem staatlichen aserbaidschanischen Unternehmen zwischen April 2008 und Oktober 2014 "von elf ausländischen Briefkastenfirmen einen Betrag von insgesamt etwa 3,4 Millionen Euro" bekommen haben. Auf Basis eines weiteren Rahmenvertrages sollen dazu zwischen Dezember 2014 und Juli 2016 noch einmal exakt 591.320 Euro geflossen sein.
Laut Anklage sollte Lindner als Gegenleistung für diese Zahlungen "insbesondere seine Kontakte zu Mitgliedern des Deutschen Bundestages", zu der für Menschenrechtsfragen zuständigen Parlamentarischen Versammlung des Europarates (PACE) sowie zu Europa-Parlamentariern nutzen, "um diese für ein pro-aserbaidschanisches Verhalten, vor allem bei Abstimmungen zu gewinnen".
Im Detail soll Lintner die inzwischen verstorbene frühere CDU-Abgeordnete Karin Stenz bestochen haben, damit sie "in ihrer Eigenschaft als Mitglied der PACE und als Mitglied des Bundestages in den für Aserbaidschan wichtigen Themen gemäß den Vorgaben Aserbaidschans tätig wird", heißt es in der 18-seitigen Anklageschrift.
Fingierte Beraterverträge sollen das Geld an eine CDU-Politikerin weitergeleitet haben
Mithilfe eines fingierten Beratervertrages soll Stenz über die Lintner-Firmen zwischen Ende 2014 und März 2015 insgesamt 37.485 Euro erhalten haben. Das Geld stammte laut Anklage aus Aserbaidschan. Später soll Stenz über eine eigene Scheinfirma sowie über Bargeld-Übergaben weiteres Schmiergeld bekommen haben – insgesamt einen Betrag von 149.900 Euro. Sie soll für dieses Geld unter anderem in dem für die Einhaltung der Menschenrechte zuständigen Monitoring-Ausschuss des Europarats zugunsten Aserbaidschans abgestimmt haben.
Der Bestechlichkeit angeklagt ist neben Lintner der frühere baden-württembergische CDU-Bundestagsabgeordnete Axel Fischer: Er soll – offenbar ohne Beteiligung Lintners – zwischen 2011 und 2016 gut 84.000 Euro Bargeld aus Aserbaidschan angenommen haben, um sich in der PACE für Aserbaidschan einzusetzen. Zwei weitere Angeklagte sind in dem Verfahren der "Beihilfe zur Bestechlichkeit von Mandatsträgern" beschuldigt.
Ein Verteidiger Fischers wies die Vorwürfe im Namen seines Mandanten zum Prozessauftakt an diesem Donnerstag vor Gericht als haltlos zurück: Es handle sich um "pauschale Behauptungen der Anklage", für die es keinerlei Beweise gebe. Es gebe auch keinerlei Verbindungen zu möglichen Geldflüssen im Zusammenhang mit Fischers Unions-Kollegen.
Lintner hat Vorwürfe der Bestechung oder Bestechlichkeit stets zurückgewiesen
Eduard Lintner wollte sich zum Start des Prozesses weder direkt noch über seinen Anwalt zur Anklage der Staatsanwaltschaft äußern. Diese umfasst auch den Vorwurf der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit den Geldflüssen in Höhe von mehr als 75.000 Euro.
Der CSU-Politiker aus Münnerstadt hatte nach seinem Ausscheiden aus dem Bundestag 2009 aus seiner Unterstützung für Aserbaidschan keinen Hehl gemacht: Es gehe ihm darum, das Land am Kaspische Meer "auf dem Weg in die parlamentarische Demokratie zu begleiten". Dies sei auch "ein Stück Lobbyarbeit".
Die Vorwürfe der Justiz wies er wiederholt zurück: Er sei nicht bestechlich, auch der Vorwurf der Weiterleitung zwielichtiger Gelder stimme nicht, sagte er gegenüber dieser Redaktion vor zwei Jahren.
Fast 40 Verhandlungstage am Oberlandesgericht angesetzt: Viele Fakten, aufwändige Prüfung
Das Oberlandesgericht München hat bis August 39 Verhandlungstage für diesen Prozess angesetzt. Die Dauer der Ermittlungen seit 2018 sowie die Länge des Prozesses zeigten, dass hier umfangreiche Fakten geprüft werden müssten, sagt Gerichtssprecher Laurent Lafleur.
Die Beweisaufnahme werde wohl hauptsächlich durch die Prüfung von Dokumenten, E-Mails und Mobilfunk-Chats erfolgen. Das im fraglichen Zeitraum gültige Gesetz sieht dem Sprecher zufolge für die Bestechung oder Bestechlichkeit von Mandatsträgern eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe vor.
...."Für weitere Verhandlungstage beantragt Lintners Verteidiger, dass man am Morgen jeweils etwas später beginnen möge. Sein Mandant steige jeweils um kurz nach fünf Uhr morgens in den ersten Zug in der Nähe von Würzburg. Doch der komme erst um kurz nach neun Uhr morgens in München an, wenn es pünktlich klappe."....
Quelle: Spiegel, 16.01.25
Allerdings wurde diese sofort festgenommen, war monatelang in Untersuchungshaft, wurde des Amtes enthoben und musste eine Fußfessel tragen.
Was davon ist im Fall Lintner erfolgt? Im Gegenteil, man betont hier - siehe Bericht gestern - dass "sogar" eine Hausdurchsuchung stattfand.
Wie erklären Sie denn dieses völlig unterschiedliche behördliche und politische Vorgehen in durchaus vergleichbaren Fällen, sobald es um eine gewisse Partei geht, Herr Ries?
Achtung : Antwort enthält Anflüge v on Ironie und Sarkasmus.
Die Wahrheit darf geflissentlicher Weise ignoriert werden.
Nun mal faktisch… ist es nicht so, dass die Heimatpartei zu der damaligen Zeit noch in der absoluten Mehrheit residierte?
Das erklärt doch, warum die anderen nicht auftauchen…
Zumindest gegen eine ehemalige CDU Abgeordnete wird ja nicht mehr ermittelt, da sie unter mysteriösen Umständen verstorben ist.