Manch derbe Plakate und schrille Schreierei von einigen der vielen Demonstranten gegen einen möglichen NationalparkRhön am Freitagnachmittag (wir berichteten) hatten für die gemeinsame Gemeinderatssitzung der Kommunalen Allianz Kissinger Bogen einiges an Unsachlichkeit erwarten lassen. Doch es kam in der vollen Rhönfesthalle anders.
Über vier Stunden arbeitete Umweltministerin Ulrike Scharf von Anfang an in konstruktiver Atmosphäre etliche offene, aber manche anderswo längst geklärte Fragen der Mandatsträger ab.
Kurz nach 23 Uhr schlossen die Bürgermeister aus Bad Bocklet, Burkardroth, Oberthulba und Nüdlingen die Sitzung. Da hatten sich die Besucherränge bereits fast komplett geleert. Selbst die engagierten Gegner, die zum Empfang der Ministerin Stunden zuvor teils wütend "Wir sind die Rhön" skandierten, hatten längst den Heimweg angetreten.
Bürgermeister Gotthard Schlereth warb vorab um Sachlichkeit und eine differenzierte Betrachtung. Der Lärm der Gegendemonstration solle die Ministerin nicht darüber hinweg täuschen, dass ein Nationalpark Rhön auch viele Befürworter habe.
Im weiteren Vorgehen wollen sich die beteiligten Gemeinden voraussichtlich am Landkreis Rhön-Grabfeld orientieren. Dort ist die Bildung von fünf interkommunalen Arbeitskreisen geplant. Für diesen Weg warb Birgit Erb vom Bayerischen Gemeindetag. Die Runden sollen sich unter Beteiligung der Verbände erstens Tourismus, Freizeit und Infrastruktur, zweitens Forst und Landwirtschaft, drittens Jagdnutzung, viertens Lebensraum, Biodiversität und Umweltbildung sowie füntens Arbeitsplätzen, Handwerk und Gastronomie widmen. Über ihre Aufstellung müssen die Gemeinderäte in ihren nächsten Sitzungen entscheiden.
Kritik hatte es im Rahmen der vorausgehenden Aussprache an der Informationspolitik und dem straffen Zeitplan der Ministerin gegeben. "Ich hätte mal jeden Haushalt zu dem Vorhaben angeschrieben", sagte Bürgermeister Andreas Sandwall (Bad Bocklet). Dass man Informationen hätte enger takten können, räumte Landrat Thomas Bold ein.
Entscheidung im Juli?
Die Ministerin betonte ihr Bestreben, Grundlagen für den Nationalpark mit den vier möglichen bayerischen Regionen gemeinsam zu erarbeiten. Im Juli möchte sie von der Dialog- in die Konzeptphase übergehen. Bis dahin sollten die Regionen Rhön, Spessart, Steigerwald, Donauauen und Frankenwald, entscheiden, ob sie für detaillierte Untersuchungen weiter im Verfahren dabei sein wollen.
Für diese Vorentscheidung sieht sie nach der auch in Stangenroth geäußerten Kritik einen zeitlichen Spielraum. So könne sie Ministerpräsident Horst Seehofer nahelegen, das Thema nicht Mitte Juli, sondern Ende Juli auf die Tagesordnung des Kabinetts zu bringen.
Dieses Entgegenkommen ging einzelnen Gemeinderatsmitgliedern nicht weit genug. Schließlich warte man noch auf die Fertigstellung eines sozioökonomischen Gutachtens zum Nutzen des Nationnalparks, Es werde in wenigen Tagen erwartet, versicherte Scharf. Sie wirbt schon jetzt mit Schaffung von rund 100 Arbeitsplätzen, die der Nationalpark bieten soll, einem Haushalt von zehn Millionen Euro im Jahr und zum Vergleich einer jährlichen Wetschöpfung von 68 Millionen Euro in den beiden anderen Nationalparks. Genauere Zahlen verspreche in Kürze das Gutachten der Universität Würzburg. Um es durchzuarbeiten und die Ergebnisse mit den Bürgern zu diskutieren, sei die Zeit wohl zu knapp, lautete ein Einwand.
Nach den Planungen des Umweltministeriums soll es erst in der knapp halbjährlichen Konzeptphase ab Juli um detaillierte Regelungen gehen. Ende des Jahres soll dann die Entscheidung fallen, und nach einem halben Jahr beschlossen werden, welche Region Bayerns tatsächlich dritter Nationalpark wird.
Viele der Nachfragen in der Rhönfesthalle galten befürchteten Einschränkungen bei der Nutzung der Natur. Es werde kein Wegegebot geben, es werden keine Wege wegfallen, für Einschränkungen beim Einschlag von Nutz- und Brennholz würden Ausgleichsflächen geboten und es werde keine Enteignungen gebe, so die Umweltministerin.
Gebietskulisse noch nicht festgeklopft
Die Gebietskulisse ist noch nicht bis ins Detail festgeklopft, versicherte Ursula Schuster vom Umweltministerium. Ziel sei es, nur Staatswald einzubeziehen, Privatwald allenfalls auf freiwilliger Basis. Aktuell prüfe man, ob die letzten 1000 der benötigten 10 000 Hektar im Nachbarland Hessen bereit gestellt werden könnten. Offen blieb aber bei der Aussprache, wie der Lückenschluss ins Nachbarland gelingen könnte.
Warum man bei der bei der Werbung für einen dritten Nationalpark Bilder großflächig abgestorbener Bäume im bayerischen Wald unterschlage, lautete eine Frage. Diesem Eindruck trat Karl-Friedrich Bartmann vom Umweltministerium entgegen. Die Naturverjüngung dort habe eine ungeahnte Dynamik erreicht. Weil die angepeilte Nationalparksfläche in der Rhön nur zu 22 Prozent mit Fichten bewachsen sei, werde es durch ein geeignetes Management auch dank Pflegezonen keine vergleichbaren Probleme mit dem Borkenkäfer geben.
Ein Einwand offenbarte die Krux der bisherigen Nationalparkdebatte: Für die Jägerschaft erscheine der Park als Blackbox, die erst später das ganze Ausmaß der Beschränkungen entfalte. Es sollten gleich alle Karten auf den Tisch, so die Forderung. Umweltministerin Scharf hielt ihre Erwartungen dagegen. Regeln sollten ja gerade erst mit allen Beteiligten erarbeitet werden. Dafür gebe es eine Nationalpark-Kommission, die das Vorgehen jeweils abstimme.
Kritik an Wildschäden
Bürgermeister Gotthard Schlereth kritisierte, dass es schon bisher nicht gelungen sei, den Staatsforst für ein verträgliches Wildtiermanagment zu gewinnen. "Das werden wir nicht mehr lange hinnehmen", sagte er zu den Wildschäden an seiner Gemeindegrenze zum Neuwirtshäuser Forst.
Landrat Thomas Bold erklärte, er werde nicht über den Nationalpark Rhön entscheiden. Dies sei Sache der betroffenen Gemeinderäte oder eines Bürgerentscheides. Egal, welchen dieser Wege man wähle: An das Ergebnis ist man dann gebunden, gab der Landrat zu bedenken.
Versöhnlicher Abschluss
Die Stimmung gegen Ende zu später Stunde war trotz spürbarer Meinungsverschiedenheiten versöhnlich, ja kurzzeitig heiter im heißen Saal. Bürgermeister Waldemar Bug schenkte der Umweltministerin Rhöndiesel. Die Getränke seien manchmal rau in der Rhön, wie manchmal die Menschen, spannte Bug noch einmal den Bogen zurück zur lauten Gegendemonstration am Nachmittag mit 300 Traktoren..
Umweltministerin Scharf blieb bei ihrem Entgegenkommen zur Frist in der Frage, ob die Rhön in der Konzeptphase für die Bewerbung um den Nationalpark dabei sein möchte. Ob es sich bei dem Zugeständnis um Tage, Wochen oder Monate handeln werde, ließ sie auf Nachfrage des Reporters allerdings offen.