
Odai K. hat nach der Flucht aus Syrien eine Zeit lang im Kreis Kissingen gelebt. Dann zog die Familie nach Bremen. Der Prozess um seinen Tod dort wühlt Norddeutschland auf.
Das Hamburger Magazin Stern widmete dem Fall vor zwei Wochen einen mehrseitigen Artikel. „In der Parallelwelt von Bremen“ heißt der Text. Seine These: „In Teilen der Gesellschaft gelten inzwischen eigene Gesetze.“
These von der Paralleljustiz
Zur Begründung dieser These führt das Magazin unter anderem die Lebensumstände in einem „heruntergekommenen“ Viertel an, in dem Odais Familie lebte. Und auch die der mutmaßlichen Täter. Belege für das Wort von der Parallelwelt sucht das Blatt darüber hinaus im gewalttätigen Geschehen der Silvesternacht 2016/2017, an dessen Folgen der Jugendliche wenige Tage später starb sowie in Begleiterscheinungen des Prozesses.
Odai K. hatte mit seiner Familie eine Zeit lang zunächst in Bad Bocklet und dann in Hammelburg gelebt. Vor allem in Bad Bocklet waren die Kinder der Familie schnell bekannt. Odais kleinere Schwester sprach in kurzer Zeit Deutsch. Sie leistete kleine Übersetzerdienste und entwickelte engen Kontakt zum inzwischen verstorbenen Altbürgermeister Wolfgang Back und dessen Lebensgefährtin Brigitte Junge.
Für die Familie eingesetzt
Die beiden Bockleter setzten sich deshalb persönlich intensiv für die Familie ein. Unter anderem trugen sie dazu bei, dass der Vater und die Tochter, die Mutter und ein jüngerer Sohn sowie eben Odai auf verschiedenen Wegen schließlich im Biedermeierbad als Familie wieder zusammenkommen konnten.
Der Kontakt riss nach dem Umzug nach Bremen nicht ab. Und nach dem gewaltsamen Tod des Jungen war es erneut Wolfgang Back, der sich von Bad Bocklet aus bei norddeutschen Ermittlungsbehörden für schnelles Handeln einsetzte, um die Tat aufzuklären und die Täter nicht entkommen zu lassen.
18 weitere Verhandlungstermine
Der Prozess läuft bereits seit einem Jahr. Ein Ende ist nach Einschätzung des Stern noch nicht abzusehen. Das Landgericht Bremen hat kürzlich eine Liste mit 18 weiteren Verhandlungsterminen veröffentlicht, die bis zum 31. Oktober reicht. Ob dann schon Schluss sein kann, ist der Mitteilung des Gerichts nicht zu entnehmen.
36 Jahre, 25 Jahre und 17 Jahre sind die Angeklagten, die den 15-jährigen Odai kurz nach dem Neujahrsfeuerwerk 16/17 in ein Partylokal verfolgt und ihn dort mit in der Anklage ausführlich beschriebener Brutalität so schwer verletzt haben sollen, dass er am 7. Januar 2017 im Krankenhaus starb. Für den Prozess sind nach Angaben von Beobachtern umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Bereits zum Prozessauftakt und noch einmal später kam es am Rande von Verhandlungen zu Handgreiflichkeiten. Der Stern berichtet zudem von Versuchen, Zeugen zu beeinflussen.
„Friedensrichter“
Ein Mann, der als „Friedensrichter“ über die Grenzen von Bremen hinaus bekannt sei, habe darüber hinaus, schreibt der Stern unter Berufung auf einen Zeugen, versucht, mit dem Angebot von 150 000 Euro als Wiedergutmachung an der deutschen Justiz vorbei „Frieden“ zwischen den Familien zu stiften. Doch Odais Eltern hätten abgelehnt. Die Suche nach der Wahrheit über den grausamen Tod von Odai K. und nach einer gerechten Strafe für die Tat geht weiter.