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Würzburg
Wie Covid-19 junge Menschen aus der Bahn werfen kann: "Oft wie besoffen"
Ein aktive Marathon-Läuferin, eine Krankenschwester, ein gesunder Handwerker: Betroffene berichten, wie stark die Corona-Infektion und heftige Langzeitfolgen ihr Leben veränderte.
Bei den meisten Menschen verläuft eine Infektion mit Sars-CoV-2 glimpflich ab. Doch auch bei jungen und gesunden Menschen kann es zu lang anhaltenden Komplikationen und schweren Verläufen führen. 
Foto: Sebastian Gollnow, dpa | Bei den meisten Menschen verläuft eine Infektion mit Sars-CoV-2 glimpflich ab. Doch auch bei jungen und gesunden Menschen kann es zu lang anhaltenden Komplikationen und schweren Verläufen führen. 
Folker Quack
 |  aktualisiert: 08.02.2024 12:45 Uhr

Sie sind zwischen 35 und 63 Jahre alt, hatten keinerlei Vorerkrankungen oder Risikofaktoren. Und doch erwischte Covid-19 einige von ihnen lebensbedrohlich und sie kämpfen nach Monaten noch immer gegen die Folgen. Fünf Corona-Patienten aus der Region berichten, wie sie die Krankheit erlebt haben und wie es ihnen geht.

Carmen W. (44):

 "Mich trafen die Langzeitfolgen völlig unerwartet, weil ich erst zwei Monate nach der Infektion erfuhr, dass ich an Covid-19 erkrankt war. Ende November 2020 plagten mich heftige Ohrenschmerzen, ich hatte zwei Tage erhöhte Temperatur, keine Halsschmerzen, keine Kopfschmerzen. Nicht ungewöhnlich, da ich immer mal wieder mit solchen Symptomen zu kämpfen habe. Der PCR-Test war negativ und ich hakte Corona in meinem Kopf ab. 

Stutzig wurde ich, als ich mein Lauf- und Ausdauertraining wieder aufnehmen wollte. Ich bin ambitionierte Freizeitsportlerin und meine Leidenschaft liegt in der Königsdisziplin, dem Marathonlauf. Doch das ging nicht, die Atmung machte nicht mit. Gib dir mehr Zeit, dachte ich mir. Als ich dann nach Weihnachten wieder durch die Würzburger Weinberge laufen wollte, wurde ich bei der ersten Steigung so kurzatmig, dass ich gehen musste. Ein Antikörpertest brachte Gewissheit:  Covid-19.

Trotz einer speziellen Atemtherapie mit einem Coach erreiche ich meine Leistungsgrenze heute nach drei Kilometern Laufen. Früher schaffte ich locker 30 Kilometer, ohne an meine Grenzen zu kommen. "

Carmen W. ist in ihrem Leben schon einige Marathons gelaufen. Nach ihrer Covid-19-Erkrankung kommt sie derzeit nach drei Kilometern an ihre Leistungsgrenze. 
Foto: C.W. | Carmen W. ist in ihrem Leben schon einige Marathons gelaufen. Nach ihrer Covid-19-Erkrankung kommt sie derzeit nach drei Kilometern an ihre Leistungsgrenze. 

Christina B. (34):

"Als Krankenschwester habe ich mich in einer Würzburger Klinik trotz aller Vorsichtsmaßnahmen Anfang Januar bei einem Patienten angesteckt. Obwohl ich immer sportlich und schlank war, erwischte mich ein schwerer Verlauf mit Fieber, Gliederschmerzen und ständiger Übelkeit. Hinzu kamen Herzrythmusstörungen und massive Atemprobleme, so dass ich schließlich für einige Untersuchungen selbst ins Krankenhaus musste. Bis heute bin ich arbeitsunfähig. Vor allem die Atemnot macht mir zu schaffen. Hinzu kommen Konzentrationsschwächen, Vergesslichkeit und Niedergeschlagenheit. Mir fehlt einfach die Power. Ich bin nur noch ein halber Mensch.

Beunruhigend finde ich vor allem, dass kein Arzt mir sagen kann, ob es besser oder sogar noch schlimmer werden kann. Im Moment geht mir schon auf der Treppe zu meiner Wohnung im zweiten Stock die Puste aus. Obwohl ich als Mountainbikerin mich auch mit Inlineskates, Nordic-Walking und Schwimmen fit gehalten hatte und über eine sehr gute Kondition verfügte. Jetzt aber schießt mein Puls schon bei kleinsten Anstrengungen auf 160."

Christina B. ist in ihrer Freizeit leidenschaftlich gerne Mountainbike gefahren und war gut trainiert. Nach ihrer Covid-19-Erkrankung geht ihr schon auf der Treppe in den zweiten Stock die Puste aus.  
Foto: C.B. | Christina B. ist in ihrer Freizeit leidenschaftlich gerne Mountainbike gefahren und war gut trainiert. Nach ihrer Covid-19-Erkrankung geht ihr schon auf der Treppe in den zweiten Stock die Puste aus.  

Michaela M. (37):

"Mich erwischte es ganz am Anfang der Pandemie, noch vor dem ersten Lockdown im März 2020. Fast drei Wochen ging es mit richtig schlecht, so krank war ich noch nie. Da ich kein Fieber hatte, wurde ich zunächst nicht getestet. Erst als ich den Geschmacks- und Geruchssinn verlor. Es war Covid-19, doch ich erholte mich wieder und organisierte sogar den Umzug meiner Familie und half beim Renovieren der neuen Wohnung in Kitzingen.

Nach dem Umzug im Herbst 2020 kam der Rückschlag. Seitdem quälen mich immer neue Beschwerden, die ich Anfangs gar nicht mit der Corona-Erkrankung in Verbindung gebracht hatte. Gelenk- und Muskelschmerzen, Schwäche, extreme Vergesslichkeit. Viele Arztbesuche und einige Fehldiagnosen später wurde klar: Es ist Long-Covid.

Ich fühle mich oft wie besoffen, teilweise fällt sogar das Sprechen schwer. Im Moment kann ich nicht mal eine Wasserflasche aufmachen, ohne dass ich komplett zerstört bin. Vor allem die Schlaflosigkeit setzt mir zu. Obwohl hundemüde, kann ich nicht einschlafen, weil mein Herz bis zu den Ohren schlägt."

Die lange Liste der Nachwehen:  Die 37-jährige Covid-19-Patienten zählte alle Beschwerden auf.  
Foto: M.M. | Die lange Liste der Nachwehen:  Die 37-jährige Covid-19-Patienten zählte alle Beschwerden auf.  

Gerhard M. (63): 

"Bei mir ging es am 7. November los. Es war ein Freitag, ich war beim Arbeiten, aber im Laufe des Tages plagten mich immer stärker Kopf- und Gliederschmerzen. Am Montag ging ich zum Arzt, der machte einen PCR-Test und zog mich erst mal aus dem Verkehr. Am Mittwoch dann das Ergebnis: Corona-positiv.

Danach bekam ich Fieber und immer stärkere Atemnot. Ich war wie benommen, kam kaum noch von einem Zimmer ins andere, als ich die Sanitäter rief. Ich hörte noch, wie sie von einer extrem niedrigen Sauerstoffsättigung sprachen. So kam ich auch sofort auf die Intensivstation, die ich nach sieben Tagen wieder verlassen konnte.  Am 10. Dezember konnte ich dann mit einem mobilen Beatmungsgerät nach Hause. Nach Weihnachten kam ich ohne den zusätzlichen Sauerstoff aus, langsam wurden kleinere Spaziergänge möglich.

Aber so richtig durchatmen, das geht immer noch nicht, kleinste Treppen oder Steigungen machen mir zu schaffen. Seit Ostern bin ich endlich auf Reha in Münnerstadt. Zeitweise fiel es mir sehr schwer, beim Sprechen die richtige Wörter zu finden, das hat sich zum Glück gelegt."  

Gerhard M. trainiert sich derzeit im Thorax-Zentrum in Münnerstadt zurück ins Leben. 
Foto: Marion Meißner-Dauelsberg | Gerhard M. trainiert sich derzeit im Thorax-Zentrum in Münnerstadt zurück ins Leben. 

Stefan Morith (50):

"Ich gehe davon aus, dass ich mich bei der Arbeit angesteckt habe. Ich bin im Kundendienst tätig, repariere Fenster und Rollos. Nicht jeder nimmt es da mit dem Abstand so genau.  Ich hatte gleich die typischen Symptome, wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Geschmacksverlust.  Am 20. Januar wurde ich positiv getestet, drei Tage später lag ich im Krankenhaus. Das letzte, an was ich mich erinnern kann, ist, dass ich keine Luft mehr bekam, ich glaubte zu ersticken. Am 2. Februar wurde ich ins künstliche Koma versetzt und beatmet - und zwar sieben Wochen lang. Als ich aufwachte, wusste ich nicht, wo ich bin und warum ich überhaupt im Krankenhaus liege.

Nur langsam kam die Erinnerung zurück. Im März wurde ich nach Münnerstadt verlegt. Ich lebe eigentlich mit meiner Familie in Bayreuth. Jetzt muss ich erst wieder lernen, zu laufen. Ich habe keine Kondition, keine Muskeln mehr. Obwohl ich eine körperliche schwere Arbeit hatte, viel Fahrrad gefahren und gewalkt bin. Am meisten freue ich mich auf zuhause, aber das dauert noch mindestens fünf Wochen, nach der Behandlung hier steht noch eine normale Reha an."

Stefan Morith musste sieben Wochen lang künstlich beatmet werden. Jetzt muss er erst einmal wieder laufen lernen.
Foto: Marion Meißner-Dauelsberg | Stefan Morith musste sieben Wochen lang künstlich beatmet werden. Jetzt muss er erst einmal wieder laufen lernen.

Reha nach Corona

Renten-Versicherte, deren Erwerbstätigkeit wegen der Folgen einer Covid-19-Erkrankung eingeschränkt oder gefährdet sind, können im Anschluss einer Krankenhausbehandlung eine Anschlussrehabilitation der Deutschen Rentenversicherung beantragen. "Auch wenn keine Krankenhausbehandlung nötig war, oder die Beschwerden erst später auftreten, kann eine medizinische Rehabilitation beantragt werden", sagt Dr. Harald Berger von der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern.
Quelle: fqu/drv
 
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  • R. Z.
    Eine relativ aktuelle Studie des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf gibt für 84 Prozent von Obduzierten, die mit oder an Covid-19 gestorben sind, Covid-19 als unmittelbare Todesursache an: https://www.mdr.de/brisant/corona-todesursache-100.html

    Übrigens sind "mehr als drei Viertel" mehr als 75 Prozent.

    Mit freundlichen Grüßen

    Ralf Zimmermann, Main-Post Digitales Management
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  • A. W.
    Da kann ich nur zustimmen.
    Aber hinter dem Leugnen steckt wohl viel Angst.
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  • F. Q.
    Hallo Herr Hentinger, über die Sterblichkeit durch Corona und die Statistiken haben wir immer wieder berichtet. Hier nur ein Beispiel: https://www.mainpost.de/regional/wuerzburg/corona-todesfaelle-wie-fast-jeder-infizierte-gezaehlt-wird-art-10530270

    Eine 34-, eine 37-Jährige und eine 44-Jährige darf man doch wohl jung nennen - oder?

    In der Tat treten Langzeitfolgen auch bei anderen Virus-Infektionen auf. Darüber berichte ich heute ja auch:
    https://www.mainpost.de/regional/bad-kissingen/long-covid-thoraxzentrum-in-muennerstadt-kuemmert-sich-um-langzeitpatienten-art-10597310

    Und über Patienten mit schweren Erkrankungen schreiben wir immer wieder und sehr regelmäßig. Dennoch halte ich es für wichtig, jetzt wo es aktuell ist, über Corona und mögliche Auswirkungen aufzuklären. Dazu sprechen wir mit Experten, um eben gerade keine unnötige Panik zu schüren, Ängste zu wecken, sondern aufzuklären. Beste Grüße Folker Quack
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  • D. M.
    Mutig und richtig, dass Einzelschicksale berichtet werden, um endlich dem Leugnen dieser Krankheit zu begegnen
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  • Veraltete Benutzerkennung
    Danke das Sie die Wirksamkeit der Maßnahmen so übersichtlich herausgearbeitet haben! (Und natürlich auch die Wirksamkeit der Impfung!)
    Letztes Jahr hatten wir das leider noch nicht geschafft und eine deutlich Übersterblichkeit.

    https://interaktiv.morgenpost.de/corona-uebersterblichkeit-sterberate-deutschland/

    Gemeinsam können wir die Krise überwinden!
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  • F. Q.
    Wie besprochen nicht freigeschaltet.
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  • E. K.
    Mir setzten die Maßnahmen „dagegen“ psychisch sehr zu 😔
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    Dieser Kommentar trägt nicht zur Diskussion bei und wurde daher gesperrt.
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  • E. H.
    dafür dass einige "Zeitgenossen" immer behaupten, dass covid doch nur ne harmlose Grippe oder Erkältung ist, dafür sind das heftige Nachwirkungen.

    Und wir wissen alle noch nicht, wie lange und stark die Nachwirkungen wirklich sind. Das gerade ist eine Besonderheit von covid. Deswegen muss man doch nicht den Vergleich mit anderen Krankheiten bemühen, ausser man will corona verniedlichen
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