Marschmusik und Hornsignale aus der Tonkonserve hallen morgens und abends kurzzeitig über das Kasernengelände auf dem Lagerberg. Bundesweit ist das in dieser Form einmalig. Der Bericht dieser Zeitung dazu hat eine breite Resonanz hervorgerufen.
Unter den Reaktionen war auch der Hinweis, dass die Verbindung von der Militärmusik zum Standort besondere Aspekte aufweist. 1973 übernahm Hanns-Helmut Schnebel als Bibliothekar der Standortbücherei einen besonderen Forschungsauftrag. Er begann, die Entwicklung der bayerischen Militärmusik zu ergründen. Den Befehl dazu hatte ihm Brigadegeneral Gerhard Ohm erteilt. "Der hat mich bei der Stadtkapelle spielen sehen, und dachte wohl, dass ich dafür der richtige Mann sei", erinnert sich Schnebel heute. Hintergedanke sei wohl gewesen, der bayerischen gegenüber der preußischen Militärmusik an der Wiege der Infanterie einen angemessenen Stellenwert zu verschaffen. Seit 2003 ist Schnebel im Ruhestand. Das mit der Marschmusik treibt ihn an seinem neuen Wohnort in Langenfeld immer noch um.
"Die Quellenlage ist dünn"
Heraus kommen soll dabei ein Lexikon der bayerischen Militärmusik. Richtig fertig wird man rückblickend mit dem Thema wohl nie, räumt der pensionierte Bibliothekar ein. "Die Quellenlage ist ziemlich dünn", sagt Schnebel. Vor allem aus dem 17. Jahrhundert gibt es wenig. Er reiste bundesweit in renommierte Archive, um der Sache auf den Grund zu gehen, und ist manchmal immer noch unterwegs. Auch in Gemeindekanzleien ist er auf Spurensuche.
Rund 250 Seiten
Eigentlich wäre das Werk mit Hammelburger Ursprung auf Datenträger ziemlich druckreif. Rund 250 Seiten mit akribisch erfassten Daten könnte es bei entsprechendem Interesse bereits umfassen. Neben der Geschichte der Militärmusik in Bayern seit dem 17. Jahrhundert hat der Autor etliche Themen zusammengetragen und unter anderem die Zuneigung von König Ludwig II. zur Marschmusik beleuchtet. Außerdem hat er in mühevoller Kleinarbeit 130 Parademärsche aufgelistet, die den bayerischen Regimentern jeweils offiziell zugewiesen waren. Ob Alte Kameraden, Feuerwehr-Galopp , Helenenmarsch, Kriegers Liebchen, Versailler Festmarsch, Frisch ins Feld oder Freie Fahrt hinaus aufs Meer: Die eigenen Truppen erscheinen unbesiegbar.
Vor Ort ist für den Standort Hammelburg seit seiner Gründung 1895 über das Musizieren fast nichts dokumentiert. Aber es gibt einzelne Spuren. Erich Hutzelmann hat in seinem umfassenden Bilderarchiv zur Geschichte von Hammelburg einzelne Postkarten, die stolze Musiker auf dem Truppenübungsplatz zeigen.
Pro 1200 Soldaten 33 Musiker
Schnebel weiß, wie es damals wohl gewesen sein muss. "Jedes Regiment hatte damals sein eigenes Musikkorps dabei", sagt er. Pro 1200 übende Soldaten waren das mindestens 33 Musiker. Die Märsche dienten der Repräsentation, als Visitenkarte jedes der Regimenter, insbesondere aber um bei Paraden das Marsch-Tempo und den Rhythmus aufrechtzuerhalten. Jedes Regiment hatte fünf Märsche zugewiesen bekommen, mit denen sich die Soldaten besonders identifizierten. Dazu hatte jede Kompanie mit etwa 100 Mann neun Spielleute zum Pfeifen und Trommeln. Ihre Signale dienten dazu, den Befehl des Offiziers weithin hörbar zu machen.
Auf jeden Fall herrschte damals in der Truppe ein rauer Ton. "Wer falsch pfiff, ist auch mal bestraft worden", weiß Schnebel. Nach der Niederlage im ersten Weltkrieg endete das intensive Musizieren auf dem Lagerberg. Seitdem schauen Musikkorps der Truppe nur noch sporadisch zu besonderen Anlässen vorbei.
Unterdessen bescherte Hanns-Helmut Schnebel der Stadt mit seiner Leidenschaft für Militärmusik besondere Augenblicke. So traf sich hier 2002 die Deutsche Gesellschaft für Militärmusik, um mit dem damaligen Heeresmusikkorps 12 wieder entdeckte und neu bearbeitete Märsche zu spielen.