
Als die Regierung von Unterfranken im Oktober 1976 für Bad Kissingen ein Kurbähnle genehmigte, war es die erste Kleinbahn ihrer Art in Deutschland und die dritte weltweit. Mit dem nostalgischen Fortbewegungsmittel wollte man damals vor allem bei den noch zahlreichen Kurgästen punkten. Dass die Kleinbahn nun schon 40 Jahre durch die Stadt rollt, hat auch damit zu tun, dass Gesellschafter und Betreiber stets für ihre Sache brannten. Zu ihnen gehört auch Geschäftsführer Hans-Jürgen Kämmerer, der seit 20 Jahren im Bähnle auch hinterm Steuer sitzt. Jetzt geht er in Rente. Die Kleinbahn wird dann von der GeckoBahn Wolters (Köln) weitergeführt.
Die Gründerväter des Bähnle
Der Bad Kissinger Walter Berninger hatte damals in Freudenstadt eine Kleinbahn fahren sehen und war nicht mehr von seiner Idee abzubringen, das Gefährt 1975 probehalber nach Bad Kissingen zu holen. Den TÜV überstand das Bähnle in der Kurstadt dann aber nicht, weil es sich in den Kurven beängstigend zur Seite neigte und die Räder beim Anfahren am Berg durchdrehten.
Brandneue Lok aus Italien
Berninger hatte inzwischen Berthold Dürrstein und Wolfgang Georgi für seine Sache begeistert. Die Drei fuhren schließlich nach Italien und nahmen bei der Firma Dotto eine neue flotte Kleinbahn in Augenschein. Sie gründeten 1976 die Bad Kissinger Kleinbahn GmbH und kauften von den Südländern eine Lok mit drei Anhängern.
Das Kurbähnle wurde ein Renner. Hotels und Pensionen buchten die Kleinbahn für ihre Gäste. Vor allem an den Wochenenden soll der Andrang stets groß gewesen sein. Zeitgenossen sprechen davon, dass da schon mal 100 Leute anstanden und geduldig warteten, bis das Zügle leer zurückkam und sie in den blau-weißen Anhängern Platz nehmen durften. 1987 wurde die Lok mit dem Motor eines VW Käfer gegen eine andere mit einem japanischen Dieselmotor ausgetauscht.
Der australische Wüstenfuchs
Die Lok wurde 2001 wieder erneuert und hat seitdem mit dem Motor eines Toyota Landcruiser so zu sagen den „australischen Wüstenfuchs“ unter der Vorderhaube, weiß Hans-Jürgen Kämmerer zu berichten. Ein Jahr zuvor hatte er nämlich die GmbH-Geschäftsführung übernommen, nachdem er drei Jahre lang schon in der Nostalgie-Lok hinter dem Steuer gesessen war. 1996 war er einer von 26 Bewerbern um den Job als „Lokführer“ gewesen - und war prompt engagiert worden.
Die Gesellschafter wussten, dass sie mit ihm eine gute Wahl trafen. Denn Kämmerer war in seinem ersten Leben mehr als zwei Jahrzehnte lang für ein Würzburger Reiseunternehmen als Busfahrer auf großen Europa-Tourneen unterwegs gewesen. Er hatte also gute Beziehungen zu anderen Busunternehmen und nutzte diese ab 2001 auch, um zahlreiche Tagestouristen für die Kleinbahn zu rekrutieren. „Wir machten mit ihnen dann immer im Kurbähnle eine Stadtrundfahrt und später hatten alle Zeit, sich in der Stadt noch umzusehen“, sagt der 66-Jährige. Denn die fetten Jahre des Kurbetriebs waren damals längst vorbei. Man musste sich etwas anderes einfallen lassen, um Gäste anzuziehen.
Die 40 voll machen
Seit 17 Jahren führt Kämmerer die GmbH erfolgreich. Vor eineinhalb Jahren hätte er in Rente gehen sollen. „Aber ich wollte die 40 noch voll machen“, sagt er mit Bezug auf den aktuellen runden Geburtstag der Kleinbahn. Die Weichen für den anstehenden Wechsel sind jedoch bereits gestellt. Die Kleinbahn GmbH hatte der inzwischen alleinige Gesellschafter Berthold Dürrstein vor fünf Jahren schon an seine Nichte Kristina Metz übertragen. Der GmbH-Vertrag erlischt zum 30. September 2017. Kämmerer ist dann jedoch für ein Jahr noch Geschäftsführer der GmbH in Liquidation.
Bereits im Dezember 2016 wurde der Kaufvertrag mit der Kölner GeckoBahn von Oliver Wolters unterzeichnet. Das Unternehmen unterhält selbst zwölf Kleinbahnen und wird ab 1. April 2018 auch den Fahrbetrieb des Kurbähnle in Bad Kissingen übernehmen.
Doch zuvor wird erst mal gefeiert, sagt Kämmerer. Am 28. Oktober treffen sich frühere Kassiererinnen und die Fahrer des Kurbähnle, zusammen mit den Stadtführern der Kurverwaltung, zur Feier des 40. Geburtstags im Ebenhäuser Sportheim.