Ist Fasching Kultur? Anders gefragt: Wieviel Kultur steckt im Fasching? Ist im Fasching genug Kultur, um von der Umsatzsteuer befreit zu werden - so wie Theater, Sinfonieorchester oder Chöre?
Die 1963 gegründete Garitzer Faschingsgesellschaft BTC (für "Biertümpelclub") meint: Ja. Die Regierung von Niederbayern, zuständig für die erforderliche "Gleichartigkeitsbescheinigung", meint: Nein. An diesem Freitag, also einen Tag vor dem traditionellen Beginn der Fastnachtssaison, standen sich die beiden Parteien vor dem Verwaltungsgericht Würzburg gegenüber.
Private Einrichtungen müssen vergleichbare Leistungen erbringen wie die öffentliche Hand
Die Faschingsgesellschaft aus dem Bad Kissinger Ortsteil Garitz hatte am 10. Februar eine Bescheinigung nach Paragraf 4 Nr. 20 Buchst. a UStG für ihre Elferratssitzungen beantragt. Demnach sind die Umsätze unter anderem von Theatern, Orchestern oder Chören in öffentlicher Trägerschaft steuerfrei. Private Einrichtungen können die Bescheinigung nach diesem Paragrafen ebenfalls erhalten, sofern sie die gleichen kulturellen Aufgaben erfüllen, "wie von vergleichbaren staatlichen und kommunalen Einrichtungen", heißt es in einem Merkblatt zum Gesetz.
Die Regierung von Niederbayern lehnte den Antrag aus Unterfranken ab. Begründung: Es handle sich bei den Aktivitäten des BTC nicht um Theateraufführungen, das Auftreten der Faschingsgarde sei nicht vergleichbar mit Ballett, die Musikensembles seien Partybands, die den musikalischen Rahmen liefern, um sich unterhalten, zu feiern und zu tanzen.
Das wollten die Garitzer nicht hinnehmen und klagten. Im umfangreichen Schriftsatz zur Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Würzburg argumentiert der Verein, dass seine Elferratssitzungen "nicht lediglich der allgemeinen Unterhaltung, dem Vergnügen und dem Tanz dienen, sondern kulturellen Zwecken". Dabei gehe es um "Brauchtumspflege der Fränkischen Fastnacht und der Fränkischen Mundart". Auch trete mit Michl Müller regelmäßig ein herausragender Künstler der fränkischen Fastnacht bei den Elferratssitzungen auf.
Im Kern geht es den Garitzern aber gar nicht darum, den kulturellen Wert ihrer Aufführungen bescheinigt zu bekommen, hatte BTC-Präsident Nicolas Sauer vor der Verhandlung gesagt. "Es geht in gewisser Weise darum, das Ehrenamt zu retten." Der 45-Jährige meinte: "Wir möchten einfach von etwas Bürokratie entlastet werden. Der Verein wird von Ehrenamtlichen geführt und betrieben, nicht von Geschäftsleuten."
Bei den Elferratssitzungen der Faschingsgesellschaft wird im Publikum mitnichten getanzt
Sauer, selbst Anwalt, argumentierte vor der 8. Kammer der Verwaltungsgerichts, es werde während der Elferratssitzungen im Publikum mitnichten getanzt. Auch stünden Verzehr und Geselligkeit gegenüber dem Bühnengeschehen eindeutig im Hintergrund. Dieses Bühnengeschehen lasse sich durchaus mit Aufführungen von Laientheatern vergleichen, die ausdrücklich auch für die Steuerbefreiung infrage kämen: "Bei den Büttenreden geht es oft um aktuelle politische Themen und darum, dem Publikum Denkanstöße zu geben."
Thomas Wolfrum, Anwalt an Sauers Seite, ergänzte, es gebe viele Arten von Theater, die Regierung von Niederbayern lege den Begriff sehr eng aus. "Die Darsteller auf der Bühne in Garitz schlüpfen auch in Rollen. Das ist nichts anderes als Theater, nur weil Karneval drübersteht."
Andreas Beer, Vertreter der beklagten Regierung von Niederbayern, wollte dem nicht folgen. Er gestand zwar zu, dass die Rechtslage für Ehrenamtliche einfacher sein könnte, sah aber dennoch keine Möglichkeit, aus den Aktivitäten des BTC Garitz eine kulturelle Tätigkeit im Sinne der Aufgaben der öffentlichen Hand abzuleiten: "Das halten wir für sehr zweifelhaft." Beer warnte, eine Steuerbefreiung könne eine Flut von weiteren, schwer zu bewertenden Anträgen auslösen: "Wo fängt's an, wo hört's auf?"
Gericht hinterfragt nicht Qualität - sondern Ablauf und Inhalt der Elferratssitzungen
Keine Rolle für die Entscheidung spiele die Qualität der Darbietungen, hatte Vorsitzender Richter Wolfgang Müller eingangs klargestellt. Müller versuchte vielmehr, sich mit detaillierten Fragen zu Ablauf und Inhalt der Elferratssitzungen an den Tatbestand, für den es keinerlei Präzedenzfälle gibt, "heranzuturnen", wie er sagte.
Marco Anderlik, Präsident des Fastnachts-Verband Franken, hatte sich auf Anfrage vor der Verhandlung sehr gespannt gezeigt. Schließlich habe jeder Faschingsverein im Verband in seiner Satzung die Pflege des fränkischen Brauchtums und der Kultur stehen.
Nach eingehender Beratung entschied die Kammer im Sinne des Klägers: Die Regierung muss ihre Ablehnung zurücknehmen und der Faschingsgesellschaft rückwirkend ab dem 1. Januar 2015 eine Bescheinigung zur Umsatzsteuerbefreiung ihrer Elferratssitzungen ausstellen. Nun muss noch das Finanzamt prüfen, ob die Tätigkeit des BTC tatsächlich den Staat bei einer seiner Aufgaben entlastet.
Die Regierung von Niederbayern prüft nun, ob sie in Berufung geht
Richter Müller beantwortete dies in der Urteilsbegründung mit einem klaren Ja: "Es liegt im allgemeinen Interesse der öffentlichen Hand, Kunst zu fördern." Und das tue sie nicht nur, indem sie gelegentlich Preise verleihe, sondern eben auch mit Subventionen und Steuererleichterungen.
Die Regierung von Niederbayern prüft, ob sie in Berufung geht.
Hinweis: In einer früheren Version dieses Beitrags war von einem "Schöffengericht" die Rede. Dieser Begriff stammt aus dem Strafprozessrecht und findet am Verwaltungsgericht keine Anwendung, auch wenn dort bei mündlichen Verhandlungen grundsätzlich in der Besetzung von drei Richtern und zwei ehrenamtlichen Richtern verhandelt wird. Wir haben die Stelle entsprechend korrigiert.