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Hammelburg/Berlin
Grünen-Abgeordnete Rottmann: Regieren mit  Länderchefs ist gescheitert
Mit Angela Merkels Rückzieher bei der Osterruhe sieht die unterfränkische Grünen-Abgeordnete Manuela Rottmann ihre Kritik an der Corona-Politik der Regierung bestätigt.
Manuela Rottmann ist seit 2017 die einzige unterfränkische Bundestagsabgeordnete der Grünen.
Foto: Isolde Krapf | Manuela Rottmann ist seit 2017 die einzige unterfränkische Bundestagsabgeordnete der Grünen.
Michael Czygan
 |  aktualisiert: 08.02.2024 10:58 Uhr

Manuela Rottmann gehört zu den wenigen Grünen-Politikern in Berlin, die selbst schon Erfahrung in der Exekutive gesammelt haben: Von 2006 bis 2012 war die promovierte Juristin Dezernentin für Umwelt und Gesundheit in Frankfurt am Main. Auch der Infektionsschutz gehörte da zu ihren Aufgabenbereichen. Eine Erfahrung, die die Bundestagsabgeordnete aus Hammelburg (Lkr. Bad Kissingen) immer wieder in die Corona-Debatte einbringt. Die 48-Jährige fordert mehr Einfluss des Bundestags auf die Pandemie-Politik. Das Regieren mit der Ministerpräsidenten-Konferenz sei gescheitert.

Frage: Frau Rottmann, Sie sprachen gleich nach der Ministerpräsidenten-Konferenz am Dienstag von einem Chaos mit Ansage. Fühlen sie sich durch die Absage der "Osterruhe" bestätigt?

Manuela Rottmann: Ich würde sagen: Nach all den kritischen Reaktionen in der Öffentlichkeit, war es gut, dass die Kanzlerin noch einmal nachgedacht hat. Die Corona-Politik kommt nicht erst seit gestern stockend voran. Seit Januar reden wir darüber, dass das Virus mutiert, dass die Infektionszahlen steigen werden, dass wir zu langsam impfen, dass wir eine Test-Strategie brauchen oder die Einsatzmöglichkeiten der Warn-App verbessern müssen. Und dann regeln die Ministerpräsidenten zuallererst, dass Paare als ein Hausstand gelten und Mitfahrer im Auto FFP2-Masken tragen sollen.

Ihr Ärger scheint groß zu sein. Was hätten Sie anders gemacht? 

Rottmann: Ich nenne ein Beispiel: Der Milliarden-Pakt für den öffentlichen Gesundheitsdienst wurde im September beschlossen. Damals waren die Inzidenzwerte niedrig, aber man wusste, dass sie wieder steigen werden. Man hätte die Zeit nutzen und damals zusätzliches Personal einstellen und entsprechend schulen sollen. Und man hätte die technische Ausstattung so voranbringen müssen, dass sich damit gut arbeiten lässt. Sormas als bundesweite Software einzuführen ist ja richtig. Aber das jetzt zu tun, wenn die Zahlen explodieren und die Mitarbeiter genügend andere Aufgaben haben, sorgt nur für Frust.

Wie kann so etwas passieren?

Rottmann: Ich habe da eine These: Vor zehn Jahren ist es der Großen Koalition gelungen, eine große Krise zu bewältigen: die Finanzmarktkrise, durch den Einsatz von sehr viel Geld. Jetzt haben Union und SPD gedacht, die Pandemie bewältigen wir genauso, mit Geld wird sich das schon regeln lassen. Aber Geld kann nicht testen, nicht impfen, nicht pflegen. Da regiert das Prinzip Hoffnung.

Trotzdem, der aktuelle Lockdown ist notwendig, oder?

Rottmann: Ich hätte mir gewünscht, dass die Ministerpräsidenten praktische Vorschläge machen, zum Beispiel für die Öffnung von Schulen. Markus Söder erzählt seit Monaten, wie super wir in Bayern aufgestellt sind. Und dann gehen in Unterfranken jetzt Kinder in den Wechselunterricht ohne getestet zu werden. In Thüringen werden die Schüler getestet, in Berlin arbeitet man mit Selbsttests. Das müsste doch auch in Bayern zu organisieren sein.

"Das ist eine autoritäre Kultur, mit der man dieser Krise nicht Herr wird."
Manuela Rottmann über den Politikstil von Markus Söder
Der Bund schiebt die Verantwortung auf die Länder, die Länder schieben sie auf den Bund. Haben wir zu viele Zuständigkeiten?

Rottmann: Es ist ein Fehler zu glauben, man bewältigt die Krise von oben nach unten. Wir bräuchten stattdessen ein Klima, in dem Gesundheitsämter oder Schulen sagen können: Was ihr in Berlin oder München vorschlagt, funktioniert nicht, wir hätten beispielsweise die Idee, Schüler durch pensionierte Lehrer oder Eltern testen zu lassen. Dann hätten wir eine Art Best-Practice-Börse. Bei  einem Treffen mit Vertretern der IHK und Politikern neulich habe ich nur gefragt: Gibt es einen unterfränkischen Landrat, der sich zutraut, ein Modellprojekt wie in Tübingen zu starten? Da sind mir die CSU-Abgeordneten über den Mund gefahren. Geht gar nicht, hieß es. Jetzt schlägt Söder selbst Modellprojekte für Bayern vor, aber wieder top down. Das ist eine autoritäre Kultur, mit der man dieser Krise nicht Herr wird.

Ist der Föderalismus gescheitert?

Rottmann: Nein. Ich finde aber, der Bund nutzt seine Steuerungsmöglichkeiten nicht. Man hätte viel mehr per Gesetz regeln können, dann wären die Dinge auch für die Bevölkerung nachvollziehbar. Der Bundestag könnte entscheiden, dass es eine Testpflicht am Arbeitsplatz gibt. Man hätte auch eine Testpflicht für Reiserückkehrer beschließen können statt jetzt zu schimpfen, dass die Leute nach Mallorca fliegen. Dass Schulöffnungen mit Tests vor Ort einhergehen müssen, hätte man im Infektionsschutzgesetz regeln können. Eine Öffnungsmatrix für Gastronomie, Kultur und Einzelhandel hätte der Gesetzgeber ebenfalls beschließen können, orientiert an der Inzidenz oder der Impfquote. Das wäre transparent für die Betroffenen und für die Bürger. Die GroKo will das aber nicht.

Müssten die Grünen da nicht mehr Druck machen? Sie sind an elf Landesregierungen beteiligt – und haben die Beschlüsse immer mit abgenickt.

Rottmann: Wir haben schon Druck gemacht. Die von uns mitregierten Länder Schleswig-Holstein oder Thüringen haben einen Stufenplan für Öffnungen vom Bund gefordert. Und im Bundestag habe ich zumindest ein paar Konkretisierungen im Gesetz erreichen können. Aber die GroKo will keine parlamentarisch abgesicherte Regelung. Stattdessen entscheidet die Ministerpräsidentenkonferenz. So wird die Verantwortung für unpopuläre Maßnahmen gestreut. Dass sich die Runde jetzt nochmal treffen musste, um die tags zuvor beschlossene Osterruhe wieder abzuwickeln, zeigt: Diese Form des Regierens ist gescheitert.

Was vermissen Sie selbst am meisten? Auf was freuen Sie sich, wenn der Lockdown irgendwann vorbei ist - Mallorca-Urlaub?

Rottmann: Nein, den brauche ich nicht. Konzerte würde ich gerne mal wieder besuchen. Aber am meisten vermisse ich die Gastronomie, das abendliche Bier oder den Schoppen in der Kneipe.

 
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  • H. E.
    Was für ein Bericht?
    Was ist der Sinn? Eine Abgeordnete, die sich nicht im Wahlreis sehen läßt höchstens am Stammtisch der grünen? Die Bürger fragen sich ab sie noch lebt und was sie überhaupt tut.
    Eine Wortmeldung zur Steigerwaldbahn, eine zum Steigerwald.
    Bei der Kommunalwahl Fake-News verbreitet.
    Als Beitrag zur Diskussion mag ein Verweis auf einen Bericht in der FAZ sein vom 28.10.2011 "...Nachdem Rottmann eine Zeit lang als natürliche Kandidatin der Grünen für das Oberbürgermeisteramt gehandelt worden war, hatte sich die Begeisterung über diese Perspektive zuletzt merklich gelegt. Und der Dezernentin unterliefen ungewohnte handwerkliche Fehler. Auch fiel allgemein auf, dass sie wenig unternahm, sich einem breiteren Publikum bekanntzumachen..." so wie jetzt hat auch. von daher ist es zu hinterfragen, welchen substanziellen Hintergrund die Fragen und vor allem die Qualität der Antworten haben.
    Der Begriff von Gurken und Nachklatschen ist schon angebracht.
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    Die Oppsition ist dazu da um die Regierung zu kritisieren. Frau Rottmann und auch die Grünen betreiben konstruktive Kritik. Da unterscheiden sie sich deutlich von denen die fast ausschließlich Wahlkampfpolemik machen.
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  • M. S.
    die Grünen sind wie erwähnt an elf Landesregierungen beteiligt! Im Föderalismus sind diese Landesregierungen auch an vorderster Front verantwortlich!
    Der Föderalismus sorgt geradezu dafür, dass jede demokratische große Partei irgendwo in der Verantwortung ist - egal ob SPD, CDU, Grüne, FDP, FW, Linke usw.
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  • A. H.
    Wenn sie nicht mehr zu bieten hat hoffe ich nur, dass die Dame bei grüner Beteiligung an der nächsten Bundesregierung (in welcher Koalition auch immer) nicht auch noch ein wichtiges Amt bekommt.
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    Man kann ja grundsätzlich gegen jede Partei sein.
    Aber das niemand in der Lage ist sachlich zu argumentieren und nur mit Vorurteilen um sich geworfen wird ist dann doch jedes mal wieder verwunderlich sobald es um "die Grünen" geht.
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  • H. A.
    Große Klappe haben die alle in der Opposition und die die nicht daran beteiligt sind. Hier sieht man ganz klar das die nur gewählt werden wollen sonst nichts, denn besser machen bzw. Vorschläge wie man die Pandemie in den Griff bekommt und wie das Impfen schneller gehen könnten, haben die alle nicht.
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  • S. K.
    Opposition kann so einfach sein: motzen motzen motzen, ohne selbst was auf die Beine zu stellen...
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    Da brauchts keine Opposition! Wie Sie vielleicht bemerkt haben, sind sich die Parteien in den eigenen Reihen nicht "grün"!
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  • M. L.
    "Hätte ... hätte ... Fahrradkette" und die anderen sind schuld, natürlich die CSU bzw. CDU Minister! Typisch GRÜN! Sie haben doch in BW einen GRÜNEN am Start - und der kann es besser??? Man sieht es!

    GRÜN - nein. danke!

    Denn sie sind ganz vorn dabei wenn es darum geht...
    Kannst Du Sie nicht überzeugen, verwirre Sie! Und im Zweifel soll es verboten werden. grinsen
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    Vorsicht, in Tübingen ist Herr Palmer auch offiziell noch bei den Grünen und dort funktioniert es scheinbar besser. Und in BaWü liegt Tübingen auch noch...

    Also immer schön aufpassen, Ihr Populismus könnte an Fakten scheitern zwinkern
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  • A. H.
    ... und der Grüne in BW ist einer, der es eigentlich im allgemeinen ganz gut kann - aber gegen Corona halt auch nicht(s).
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  • B. L.
    Grüne nein Danke, geht gar nicht.
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  • P. K.
    Mal wieder ein inhaltlich und argumentativ äußerst wertvoller Beitrag.
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  • R. S.
    .....aber durchaus mit Wahrheitsgehalt
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  • U. L.
    Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen. Die Grünen haben – ganz schon im Modus Regierungspartei – sehr viele Maßnahmen der Regierung in Bundestag und Bundesrat durchgewunken. Konstruktive Opposition zur Corona-Politik kam nur von der FDP und – auch das entspricht den Tatsachen – teilweise von der LINKE.
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  • I. E.
    Was war denn bitteschön an dem permanenten Gemotze, Gemeckere, Schlecht-Reden der FDP konstruktiv?
    Wenn es nach Lindner ginge, würde der am liebsten das Kurzarbeitergeld abschaffen und die Leute in die Arbeitslosigkeit schicken!
    und wenn's nach der Linken ginge, wäre Deutschland nächstes Jahr nicht "bloß" maximal verschuldet - sondern wäre PLEITE!
    Beides keine Alternativen, die ich ernsthaft in Erwägung ziehen würde!
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  • U. L.
    Ich gebe Ihnen einen Rat: Bevor Sie lospoltern, schauen Sie sich mal in Ruhe die Sitzungsprotokolle des Deutschen Bundestags an (www.Bundestag.de) und bewerten Sie, was "ist" und nicht das, was sie zu wissen glauben. Dort werden sie nämlich zahlreiche konstruktiv ausformulierte Beschlussvorlagen der FDP für alternative Lösungsformen finden, so zum Beispiel das Protokoll über die Sitzung vom 17.12.2020. Aus diesem Grunde stand schon am 20. November 2020 in der Süddeutschen Zeitung (!): Liberale Coronapolitik – Die FDP leistet einen wichtigen Dienst an der Demokratie.

    Es ist eben schwierig, wenn die Frau Bundeskanzler im Fernsehen 20 Minuten Zeit dafür bekommt, darzustellen, dass sie und die Ministerpräsidenten wieder nichts gekonnt haben und die Vertreter der Opposition zur Darstellung ihrer Perspektive 30 Sekunden bekommen.

    Die Sitzungsprotokolle des Bundestages geben hingegen ein vollständiges Bild ab.
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  • H. E.
    ich sag nur: "Lieber nicht regieren als schlecht regieren" FFPD - Feige FDP!
    und Lindner ist ein Selbstdarsteller. wenngleioch das mit den Grünen hier nix zu tung hat!
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  • I. E.
    Die Sitzungsprotokolle sind das eine - das was Lindner und Kubicki regelmäßig in sämtlichen Talkshows vom Stapel lassen, das andere - nämlich genau das, was ich in meinem Post genannt habe!
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  • M. R.
    Es ist ja nicht so, dass die Grünen in der Opposition wären!

    https://www.bundesrat.de/SharedDocs/bilder/DE/galerien/stimmenverteilung-br/stimmenverteilung-br/20200304-zusammensetzung-br.jpg?__blob=panorama&v=5
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