"Es gibt nur noch wenige Zeitzeugen aus der Zeit, in der die Deportationen der Juden stattfanden. Wir müssen etwas für die nächste Generation schaffen, das die Geschehnisse von damals greifbar macht." Kreisheimatpflegerin Cornelia Mence (Hammelburg) ließ sich deshalb 2015 nicht lang bitten, als die Würzburger DenkOrt Aumühle geplant - zur Erinnerung an die insgesamt 2069 dort deportierten Juden aus Unterfranken. In dieser Angelegenheit ist Cornelia Mence jetzt auch im Landkreis Bad Kissingen unterwegs, um bei den Kommunen für eine Beteiligung zu werben.
Projektgruppe "Wir wollen erinnern" sie bei der Entwicklung einer Erinnerungskultur bezüglich dieses Themas dabei haben wollte. Unter anderem hat das Projekt-Team einenEin identisches Gepäckstück für die Heimatgemeinde
Der gleichnamige Güterbahnhof in Würzburg war ab 1941 der zentrale Punkt, an dem Juden aus Unterfranken nach Auschwitz-Birkenau, Theresienstadt, Krasniczyn, Izbica und Riga-Jungferndorf deportiert wurden. Man plante nun zunächst, am Aufgang zu diesem früheren Aumühl-Ladehof, Gepäckstücke aus allen 109 Orten in Unterfranken, in denen es 1933 noch eine jüdische Gemeinde gab, künstlerisch zu platzieren. Jede Kommune soll dabei nicht nur ein Gepäckstück für die Aumühle herstellen lassen, sondern ein weiteres für das eigene Dorf oder die eigene Stadt, um auch dort der Deportierten zu gedenken.
Für Cornelia Mence mag dieses Projekt, bezogen auf den Landkreis Bad Kissingen, so etwas wie die Abrundung eigener Bemühungen sein. Denn seit Jahrzehnten ist sie, zusammen mit ihrem Mann Michael, damit beschäftigt, die Geschichte der Juden im Landkreis Bad Kissingen aufzuarbeiten. Wo lebten diese Menschen? Wie hießen sie? Wohin wurden sie deportiert? Die Mences forschten in Archiven nach, sprachen mit heutigen Ortsbewohnern und jüdischen Nachfahren in Übersee. Sie gingen sogar in den einstigen Konzentrationslagern auf Spurensuche und setzten die Puzzleteile ihrer Recherchen in zwei Büchern zu einer komplexen Geschichte der jüdischen Bevölkerung im Landkreis zusammen.
Koffer, Rucksack oder Deckenrolle
109 jüdische Gemeinden gab es in Unterfranken. Davon sollen 48 nun am GedenkOrt Aumühle eingebunden werden. Von den 15 jüdischen Gemeinden, die es einst im Landkreis Bad Kissingen gab, werden wahrscheinlich neun mit einem Gepäckstück in Würzburg vertreten sein, weiß Cornelia Mence. Dabei steht es jeder Kommune frei, ob sie einen Koffer, einen Rucksack oder eine zusammengerollte Decke bei einem Künstler in Auftrag geben will. Die Maße für die Gepäckstücke sind von der Projektgruppe allerdings festgelegt.
Für den exemplarischen Rucksack mit der Deportationsnummer 656 stand übrigens das einstige Gepäckstück der Jüdin Regina Berney aus Oberthulba Pate, erzählt Cornelia Mence. Den Rucksack hatte 1942 der örtliche Sattler Karl Kleinhenz, der auch mal Bürgermeister im Ort war, für Berney gemacht. "Das haben wir 1988 herausgefunden. Da lebte er noch und wir haben ihn gebeten, einen originalgetreuen Rucksack herzustellen." Kleinhenz, der selbst gegen die Nazis war, habe sich noch an sehr Vieles aus diesen Tagen erinnert. "Er erzählte zum Beispiel, wie damals ein großer Lastwagen nach Oberthulba kam und vor der Kirche hielt. Die Ortsbewohner mussten mit ansehen, wie die Juden mitsamt ihrem Gepäck auf den Lkw geschubst wurden."
Standort eventuell verlegen
Das Gerüst für die Gepäckstücke, das der Würzburger Architekt und Künstler Matthias Braun fertigen wird, sollte eigentlich demnächst schon am Aufgang zum ehemaligen Aumühl-Ladehof stehen. Dass sich die Ausführung verzögerte, hat wohl auch damit zu tun, dass das Fundament für den DenkOrt unlängst überprüft werden musste. Wie sich dabei herausstellte, fließt darunter die Pleichach in einem äußerst maroden Tunnel. Der Aufgang könne auf keinen Fall bebaut werden, lautete das Resümee der Fachleute. Daraufhin wurden mehrere neue Standorte in Würzburg geprüft. Die besten Chancen hat, nach Angaben der Projektgruppe, jetzt wohl ein Standort am Vorplatz des Hauptbahnhofs.
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