Wolfgang Dünnebier Deutliche Worte eines Vorsitzenden beim Verwaltungsgericht Würzburg , als es um die Zukunft des Alten- und Pflegeheims Bürgerspital in Hammelburg ging: Eine schöne Altstadt direkt vor der Haustür nutze dem Bewohner wenig, wenn er aus seinem Einzel- oder Doppelzimmer mit Waschbecken, ohne Nasszelle, dringend auf die Toilette draußen auf dem Flur muss und das nicht ohne fremde Hilfe schafft - oder beim Waschen im Doppelzimmer keine Intimsphäre hat.
Die Klage der durch die Stadt vertretenen Bürgerspital-Stiftung um - nichtjuristisch formuliert - Aufschub für die von der Heimaufsicht geforderten baulichen Veränderungen, wurde nach knapp zweistündiger Verhandlung und relativ kurzer Urteilsberatung abgelehnt. Ob das deshalb war, weil der Fall so klar oder ausführlich vorberaten war, blieb offen. Ausschlaggebend sei die Frage gewesen, so der Vorsitzende Richter Thomas Hansen, ob der Betrieb des Bürgerspitals in einem Bauwerk aus dem Jahr 1854, im derzeitigen baulichen Zustand, mit den Interessen und Bedürfnissen der Bewohner vereinbar sei, und dabei kam man zu einem klaren "Nein". Die baulichen Mindeststandards, die der Freistaat Bayern vorgibt, seien zum Nachteil für die Bewohner unterschritten worden.
Toiletten und Duschen nur im Flur
In der "Mängelliste" der Heimaufsicht beim Landratsamt Bad Kissingen waren fehlende Nasszellen in den 23 Einzel- und sieben Doppelzimmern aufgeführt und, dass Toiletten und Duschen nur über den Flur zu erreichen sind. Es gibt Zimmer unter der geforderten Mindestgröße, die Einzelzimmerquote war nicht erfüllt und die der Rollstuhlzimmer auch nicht, außerdem ging es um die Barrierefreiheit.
Zu den Beanstandungen kam es, als die Kompetenz für das Heimrecht vom Bund auf die Länder überging und Bayern höhere bauliche Anforderungen an stationäre Einrichtung wie das Bürgerspital stellte als die zuvor gültige "Heim-Mindestbauverordnung". Das Bürgerspital, das vorher die Anforderungen erfüllte, wurde nun "zum Nachbessern" aufgefordert und "kämpfte", zuletzt jetzt vor dem Verwaltungsgericht, um Verlängerung der Angleichungsfrist. Innerhalb der nächsten Jahre könne man die geforderten Maßnahmen finanziell gar nicht stemmen, war ein Argument, und so brisant sei die Angelegenheit auch gar nicht.
Lange Warteliste
Rechtsanwalt Burkard Hohmann (Würzburg) war der Meinung, dass die geforderten Veränderungen an den Heimbewohnern vorbeigehen. "Die verzichten lieber auf die Nasszelle und verbringen dafür ihren letzten Lebensabschnitt mittendrin in Hammelburg , wenige Minuten vom Marktplatz entfernt, dort, wo das Leben pulsiert", sagte er. Dafür nehme man bauliche Nachteile in Kauf, die außerdem durch ein hilfsbereites Personal und eine beeindruckende Atmosphäre "kompensiert" werden.
Trotz der baulichen Mängel, sei laut Heimaufsicht die Warteliste sehr lang, berichtete Bürgermeister Armin Warmuth , es gebe sogar Nachfrage von Bewohnern anderer Alters- und Pflegeheime . Die geforderten baulichen Veränderungen könne die Stiftung in absehbarer Zeit nicht stemmen und selbst wenn, wäre das Haus danach, mit weniger Plätzen und höheren Kosten, nicht mehr wirtschaftlich zu führen. Es wäre dann trotz seiner Lage unattraktiv.
Mit den Vorgaben zu den Mindestgrößen der Zimmer wollte der Gesetzgeber - so die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts in einer kurzen Urteilsbegründung - erreichen, dass den Heimbewohnern genügend Raum zur Ausgestaltung ihrer Privatsphäre zur Verfügung steht, zum Beispiel mit eigenen Möbelstücken. Auch wenn manche Zimmer die Mindestgröße nur knapp unterschreiten, nehme allein schon das Waschbecken mit Handtuchhalter so viel Platz weg, dass das deutliche Nachteile für die Bewohner mit sich bringt.
Wenn der Heimbewohner aus seinem Zimmer über den Gang zur Toilette und Dusche gehen muss, sei das für seine Selbstbestimmung nachteilig, und möglicherweise gebe es eine Hemmschwelle, stets aufs Neue um Hilfe zu bitten. Da könne es auch keine Rolle spielen, dass das Personal rund um die Uhr zur Verfügung steht, "das muss in jedem Heim so sein". Die besondere Lage des Heimes im Stadtkern von Hammelburg und das historische Ambiente können die angemahnten baulichen Nachteile - so das Gericht - nicht ausgleichen. Man dürfe hier nicht auf das subjektive Empfinden der alten Leute abstellen, die ja auch keinen Vergleich mit einem anderen Heim haben. Und man müsse auch an künftige Generationen denken, die in diesem Heim leben, den Hammelburger Marktplatz nicht unbedingt als Ersatz für die fehlende Nasszelle "verschmerzen", und die möglicherweise ganz andere Ansichten und Empfindungen haben werden.
Urteilsbegründung folgt
Deswegen wurde die beantragte Befreiung von den baulichen Mindestvorgaben abgelehnt. Die ausführliche Urteilsbegründung folgt schriftlich. Es musste daher auch gar nicht mehr darüber entschieden werden, ob die geforderten Umbaukosten für die Klägerin aus wirtschaftlichen Gründen unzumutbar sind.
Wie ist nun die Zukunft des Bürgerspitals? Auf Nachfrage dieser Redaktion am Tag nach der Verhandlung sagte Bürgermeister Armin Warmuth , dass der Betrieb auch nach Ablauf der aktuellen Betriebsgenehmigung Ende August 2021 zunächst weitergehe. Denn zur Frist, ab wann der Weiterbetrieb verboten wird, laufe ein anderes Verfahren. Noch sei unklar, ob es mit der Fachstelle für Pflege- und Behinderteneinrichtungen am Landratsamt eine einvernehmliche Lösung gebe, oder ob das auch juristisch entschieden werden müsse.
Es seien zwei Planer beauftragt, um sich Gedanken über ein tragfähiges Konzept zum Weiterbetrieb des Bürgerspitals zu machen. "Wir sind für vieles offen", so Warmuth. Nun gelte es, zur aktuellen Auseinandersetzung die schriftliche Urteilsbegründung abzuwarten. Der Stadtrat werde entscheiden, ob man in die nächste Instanz geht. dübi