Der wunderschöne Garten hinter dem Haus ist für die Bad Kissingerin Astrid Schmitt und ihre Familie - trotz Nähe zum Ostring - ein Ort der Ruhe und Erholung. Im Frühjahr blühen dort Obstbäume und Blumenrabatten. Wenn Sträucher und Rasenflächen endlich wieder grün werden, freuen sich alle auf die Zeit draußen in der Natur, sagt Astrid Schmitt. Doch die Begeisterung für das Garten-Idyll ist getrübt. Seit vergangenen Sommer haben sich etwa 30 der zahlreichen, über Jahrzehnte stolz in die Höhe gewachsenen Bäume im Hintergrund des Areals bräunlich verfärbt. Diagnose: Borkenkäfer.
Egal, ob es um staatlich oder kommunal verwaltete Areale geht oder um privat genutzte Waldflächen – überall sind Besitzer derzeit draußen unterwegs, um zu beobachten, wo sich der Borkenkäfer schon im vergangenen Jahr einnistete, wo er möglicherweise im April massenhaft Eier ablegte oder wo er vielleicht 2018 ganze Arbeit leistete und reihenweise Kiefern und Fichten krank gemacht hat.
Denn dann müssen die Bäume raus, damit dürre Exemplare nicht umknicken und Bäume, in deren Rinde sich bereits die Spuren der Rüsselkäfer nachweisen lassen, nicht zum Gefahren-Potenzial für Nachbargewächse werden.
Für ein Käferjahr mit günstigen Entwicklungsbedingungen haben Forstleute, beispielsweise bezüglich des Buchdruckers, folgendes Szenario parat: Eine befallene Altfichte entlässt letztendlich rund 20 000 Käfer, davon mindestens 50 Prozent Männchen. Diese Männchen sind in der Lage, mindestens 20 weitere Bäume in der Nachbarschaft zu bevölkern. Aus der neuen Brut können wiederum rund 400 000 neue Käfer ausschwärmen, die möglicherweise weitere 400 Fichten schwächen werden.
Lebensader wird zerstört
In Astrid SchmittsGarten sind die rund 30 Meter hohen Fichten "komplett abgestorben", sagt BBV-Kreisvorsitzender Edgar Thomas (Nüdlingen) in seiner Eigenschaft als beruflicher Baumexperte, während er in die dürren Kronen auf dem Bad Kissinger Anwesen hinaufschaut. Dort hat der Forstschädling ganze Arbeit geleistet. "Er bohrt sich in die Rinde oder das Holz und ernährt sich und seine Brut von der Bast-Schicht zwischen Baum und Rinde." Dieses Bastgewebe stellt jedoch die Lebensader des Baumes dar. Wenn dann noch ein trockener Sommer kommt, wie es der vergangene war, können die Fichten, laut Thomas, nicht mehr ausreichend Harz produzieren und sterben ab.
Normalerweise überstehe solch ein altgewachsener Baum schon mal ein bis zwei Brut-Wellen dieser Käfer, sagt Thomas. Doch wenn die Schädlinge sich aus Klimagründen stärker vermehren als sonst, und die Bäume, wie 2018, vier Brutwellen hintereinander überstehen müssen, werde es kritisch. Im Frühjahr schlüpfe nun schon die fünfte Generation. Deshalb müsse man befallene Bäume intensiv beobachten und möglichst schnell entfernen.
Mehr dürre Bäume in Privatgärten
In früheren Jahren habe man ihn, was Schädlinge und die Beseitigung von Altbäumen angeht, meist zu Hilfe gerufen, wenn es um größere Waldstücke ging, sagt der Chef der Firma Pro Baum. "Im Mai hatten wir im Betrieb normalerweise auch wieder etwas Ruhe." Doch heuer sei alles anders. Das Auftragsbuch sei immer noch voll - allerdings mit Einsätzen vor allem in privaten Gärten.
Astrid Schmitt ahnt eigentlich schon seit Ende des Sommers 2018, dass die Fichten in ihrem Garten Schaden nahmen. Doch zunächst habe sie erst mal noch gehofft, dass die Bäume sich wieder erholen. Als sie dann zunächst Stadtförster Axel Maunz um Rat fragte, habe der die Umgebung untersucht und sie dann beruhigt: Sie müsse nicht von heute auf morgen alles abholzen, da der Borkenkäfer in der Nachbarschaft keine neuen Brutstätten findet. Dennoch weiß sie: Irgendwann müssen die schönen, alten Bäume raus.
Man braucht Spezialfahrzeuge
Man merkt der Bad Kissingerin an, dass sie an ihrem schmucken Garten hängt – und zwar so, wie er ist. Edgar Thomas kennt dieses Gefühl aus beruflicher Erfahrung: "Die Leute hängen oft an solchen Bäumen, weil sie beispielsweise zu einem bestimmten Jubiläum gepflanzt wurden oder einfach schon ewig alt sind. Man trennt sich dann schwerer davon." Dass ihre Fichten weg müssen, damit kann sich auch Astrid Schmitt noch nicht abfinden. Dennoch hat sie sich schon beraten lassen, wie ein solches Szenario in ihrem eng bewachsenen Garten vor sich gehen würde. Man braucht Spezialfahrzeuge, die von außen an das Grundstück herankommen, sagt sie. Deswegen sei sie auch schon mit den Nachbarn im Gespräch gewesen. "Und das Ganze ist letztendlich natürlich auch eine Kostenfrage."
Dass der Borkenkäfer sich inzwischen auch vermehrt in privaten Anwesen einnistet, hat sicher mit dem extremen Auftreten des Forstschädlings seit dem vergangenen Sommer zu tun, sagt Forstdirektor Bernhard Zürner vom Amt für Landwirtschaft (Bad Neustadt). Während früher bei den Fichten der Buchdrucker das Hauptproblem war, sei 2018 der Kupferstecher in rauen Mengen aufgetreten. Zudem beobachte man bei uns seit zwei Jahren den aus Osteuropa eingewanderten Nordischen Borkenkäfer (Ips duplicatus), der sich zügiger vermehre und sich aggressiver an den Bäumen gütlich tue. "Wenn das so weitergeht, werden wir auf lange Sicht die Fichte hier verlieren", prognostiziert Zürner.
Borkenkäfer, die Fünfte
2018 habe es vier, statt üblicherweise zwei Brut-Generationen des Borkenkäfers gegeben, sagt Zürner. Vor 14 Tagen habe sich bereits die fünfte Generation in die Bäume eingebohrt. Dass es derzeit viel regnet, sei für diese Bruten zum Glück eher abträglich. "Die Eier pilzen sich ein und können unter Umständen absterben." Die Hoffnung, dass sich das Borkenkäfer-Problem während einer langen Regenperiode irgendwie löst, hat der Forstdirektor allerdings nicht. "Wir rechnen auch 2019 mit einer hohen Gefährdungsstufe." Für Waldbesitzer bestehe deshalb die Pflicht, befallene Stämme jetzt aus dem Wald herauszunehmen, sagt Zürner .
Der Fortexperte stützt sich bei seinen Beobachtungen unter anderem auch auf das Borkenkäfer-Monitoring der Bayerischen Forstverwaltung, das jährlich am 1. April gestartet wird. Die Mess-Stelle im Landkreis Bad Kissingen heißt Geiersnest-Ost. Aktuell wurden dort, was den Buchdrucker angeht, vor drei Wochen fast 1400 Käfer gesichtet. Das entspricht der Warnstufe gelb. "Das war für die Jahreszeit zuviel", sagt Zürner. "Wir haben überlegt, ob wir unsere interaktive Karte im Internet deshalb von Gelb auf Rot umstellen sollen." Vergangene Woche wurden dann aber nur 440 Käfer registriert.