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Bad Kissingen
Blankenburg: Einschnitt für Bad Kissingen wird erst einmal sehr viel tiefer als 1996
12 Jahre in 21 Fragen und Antworten. Kürzer war das Interview mit Kay Blankenburg zum Abschied als Oberbürgermeister nach zwei Amtszeiten einfach nicht zu machen.
Abschied vom OB-Sessel: Kay Blankenburg wird nach zwei Amtszeiten als Oberbürgermeister von Bad Kissingen wieder einfacher Stadtrat. 
Foto: Siegfried Farkas | Abschied vom OB-Sessel: Kay Blankenburg wird nach zwei Amtszeiten als Oberbürgermeister von Bad Kissingen wieder einfacher Stadtrat. 
Siegfried Farkas
Siegfried Farkas
 |  aktualisiert: 07.05.2020 02:10 Uhr

Man müsste wohl Verständnis haben, wenn Kay Blankenburg dem Corona-Virus besonders kritisch gegenüberstehen würde. Nach zwölf Jahren als Oberbürgermeister von Bad Kissingen gibt er das Amt in jüngere Hände. Und muss damit rechnen, dass ihm die nach dem Virus benannte Krise ganz am Ende die Bilanz verschlechtert. Ein Gespräch darüber, was war, was ist und wie es weitergeht.

Frage: Sie geben jetzt nicht nur Ihr Amt ab, sondern auch zahlreiche Pflichten. Auf welche dieser Pflichten hätten Sie schon immer verzichten können?

Kay Blankenburg: Vor 20 Jahren habe ich mal gesagt, ich wolle nie Landrat werden. Jede Woche auf Feuerwehrtermine zu gehen, das konnte ich mir nicht vorstellen. Ergeben hat sich genau das Gegenteil. Die Feuerwehrtermine waren mir mit die liebsten. Da habe ich viele interessante Menschen getroffen. Es gibt aber unzählige Veranstaltungen, wo jemand eingeführt und verabschiedet wird. Das ist an sich nicht verwerflich, aber wenn der gefühlt zwölfte Grußredner ansetzt, dasselbe zu sagen wie sein Vorredner, das ist schon etwas, worauf ich gern verzichtet hätte.

Welche Pflichten werden Sie vermissen?

Blankenburg: Natürlich werde ich vermissen, die Sitzungen zu leiten. Der Unterschied zwischen Dabeisein als Stadtrat und mit Anspannung leiten ist unglaublich. Vermissen werde ich auch die schönen Konzerte und Empfänge im Kissinger Sommer. Es ist schon schön, zum Beispiel den Ministerpräsidenten willkommen zu heißen. Am meisten fehlen wird mir aber der tägliche Umgang mit den Mitarbeitern.

Warum haben Sie bei Ihrem Abschied aus dem Amt nicht gleich einen kompletten Schlussstrich gezogen und noch einmal für den Stadtrat kandidiert?

Blankenburg: Als ich mich entschieden habe, nicht mehr für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren, habe ich mir auch die Frage gestellt, ob ich in sechs Jahren noch ein guter OB sein kann. Denn aus dem Oberbürgermeisteramt gibt es ja keine vernünftige Möglichkeit auszuscheiden. Als Stadtrat dagegen kann man sich problemlos entpflichten lassen. Ich wollte die Kommunalpolitik auch ein bisschen ausschleichen. Und weil ich für den Kreistag ohnehin kandidieren wollte, war es beim Stadtrat kein großer Schritt.

Es geht die Kunde, die SPD habe im Vorfeld eine Umfrage über die Aussichten bei der OB-Wahl anfertigen lassen. Das Ergebnis sei gewesen, dass die Kissinger einen Wechsel wollten.

Blankenburg: Von dieser Umfrage weiß ich nichts. Und die Geschichte glaube ich auch nicht. Es hat vor einiger Zeit eine Umfrage gegeben, da ging es um Zufriedenheit mit Stadt und Landratsamt. Aber dabei war nichts vernichtend.

Also gut, dann kommen wir doch mal zum Bilanzziehen. Was steht auf der Haben-Seite des Oberbürgermeisters Kay Blankenburg?

Blankenburg: Es ist mir gelungen, die Abgaben nicht zu erhöhen. Schon nach dem ersten Vierteljahr habe ich der Verwaltung das F-Wort, F wie Fremdenverkehrsabgabe, verboten. Und dennoch habe ich die Verschuldung um 13 bis 14 Millionen Euro abgebaut. Wir haben so Handlungsfähigkeit wiedergewonnen, ohne uns kaputtzusparen.

Aber nur mit Stabilisierungshilfen vom Freistaat.

Blankenburg: Klar, die haben uns sehr dabei geholfen. Ganz wichtig war auch, das ramponierte Verhältnis zum Freistaat wieder auf Vordermann zu bringen. Dabei war es schon überraschend, wie frei von Vorbehalten wegen meines Parteibuchs ich in München aufgenommen worden bin. Natürlich ist das vor allem eine Leistung von Dr. Söder: Aber in meiner Amtszeit hat der Freistaat ungefähr das Eineinhalbfache eines Bad Kissinger Jahreshaushalts, also rund 80 Millionen Euro, hier investiert. Dazu kommt noch die Sanierung der Kuranlagen davor.

Schauen wir mal in den Untergrund.

Blankenburg: Ich bin sehr froh, dass wir die Neue Altstadt angepackt haben. Die Dauer bestätigt die Wichtigkeit der Entscheidung. Wenn wir angesichts der neun Jahre Vorlauf in meiner Zeit, erst jetzt begönnen … Bereits mein Vorvorgänger ist vom Wasserwirtschaftsamt auf das Thema angesprochen worden. Froh bin ich, dass wir die Therme weiterentwickelt haben und das Thermen-Hotel in absehbarer Zeit eröffnen kann. Wir haben auch die Rahmenbedingungen geschaffen, für die Entwicklung des Cup Vitalis.  Dazu können wir jetzt das erste Mal absehen, wie ein neues Kurhaushotel im Entstehen ist. Eine Zahl ist mir dabei wichtig. Dieses geplante Hotel wird mehr Zimmer haben als das vorherige. Ich warte übrigens schon die ganze Zeit auf Ihre kritischen Nachfragen.

Ach, die füge ich einfach nachträglich ein.

Blankenburg: Na gut, wenn wir damit das Kritische auch erledigt haben, mein Lieblingsthema sind Schulen und Kindergärten. Wer heute die Sinnberg-Grundschule und die Kliegl-Mittelschule sieht, möchte bestimmt nicht mehr zu alten Zuständen zurück. Da waren große Summen nötig. Und für die Hennebergschule wird ein ähnlicher Betrag dazu kommen. Die Ausgaben für die Kinderbetreuung zeigen, dass wir auch dort nicht untätig sind.

Die wirtschaftlichen Grundbedingungen der vergangenen Jahre waren aber auch günstig.

Blankenburg: Unter wirtschaftlichen Aspekten sehr froh bin ich, dass die Einwohnerzahl Bad Kissingens gestiegen ist. Die Gewerbesteuer hat sich von 5,5 Millionen 2008 auf 10,9 Millionen 2019 erhöht, der Einkommenssteueranteil stieg von 7,7 auf 11 Millionen, die Arbeitslosenzahl sank von 701 im Jahr 2008 auf 485 im Jahr 2018, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg von 10 008 im Jahr 2008 auf 11 455 im Jahr 2018, die Zahl der Einpendler erhöhte sich entsprechend. Unterm Strich hat sich wirtschaftlich in der Zeit viel getan.

Das waren jetzt nur Zahlen, aber wie sieht‘s mit den Menschen aus?

Blankenburg: Wir haben ein Spielplatzkonzept unter Beteiligung der Betroffenen entwickelt, wir haben viel für Jugendliche getan, die Seniorenuni ist fast selbstverständlich geworden. Als ich das Amt übernommen habe, wurde das Quartier Bad Kissingen Nordost falsch als Brennpunkt angesprochen.  Jetzt ist es ein ganz lebendiges Viertel. Die Siedler haben hier große Verdienste. In der Housing Area entstanden tolle Wohnungen. Bei Straßenprojekten haben wir ganz selbstverständlich auf Barrierefreiheit geachtet. Die Entwicklung rund um den Klaushof freut mich sehr. Ich weiß, Straßenunterhalt ist in Bad Kissingen ein leidiges Thema, aber wir haben auch da einiges gemacht. Bei den Stadtteilen denke ich an Spielplätze, Bauplätze, das Vereinsheim Krone in Reiterswiesen, die Dorferneuerung Arnshausen.

Blicken wir doch mal auf Kur und Kultur

Blankenburg: Die Vertragserneuerung für die Staatsbad GmbH fällt in meine Amtszeit. Den Winterzauber haben wir auf neue Füße gestellt. Jeder der Kissinger Feuerwehren habe ich in meiner Amtszeit entweder mindestens ein neues Fahrzeug oder eine Investition in eine Feuerwehreinrichtung übergeben. Die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste hätte ich gerne noch gemacht, das muss ich zugeben. Meine Prognose ist, dass die geplante Veranstaltung im Sommer in China nicht stattfinden wird. Vielleicht wird unsere Bewerbung noch weitere Bedingungen erfüllen müssen, aber vom Gefühl her sind wir in drei Jahren dabei.

Über die Erhebung zum gemeinsamen Oberzentrum zusammen mit Bad Neustadt haben Sie gar nichts gesagt.

Blankenburg: Ich finde, der Titel klingt nach mehr als dahinter ist. Wir waren vorher in der Mitte und sind es auch in der neuen Einteilung. Die Einstufung ist für sich allein auch nicht der absolute Knaller. Vor allem für einen Aspekt ist das gemeinsame Oberzentrum aber wichtig, als Voraussetzung für das in Bad Kissingen sehr interessante Thema der Ansiedlung von Hochschuleinrichtungen. Ansätze dazu haben wir mit der Brückenprofessur am LGL und den Aktivitäten des Gründerzentrums bereits.

Insgesamt war das jetzt fast eine endlose Liste an Positivem. Gibt es in Ihrer Bilanz-Buchhaltung nicht auch ein Soll?

Blankenburg: Natürlich wäre ich mit der Neuen Altstadt gerne weiter. Der Schutz der Heilquellen und das Thema Standfestigkeit der anliegenden Gebäude braucht umfassende Vorbereitungen. Sie müssen eben sehen, sobald wir anfangen, haben wir nur einen Versuch. Ich wäre auch froh, wenn wir das geplante Mehr an Platz für die Kinderbetreuung schon hätten. Und wenn ich im Nachhinein ansehe, wo wieviel Geld ausgegeben worden ist, habe ich manchmal den Eindruck, dass etwas zu viel Geld in die Kernstadt geflossen ist und etwas zu wenig in die Stadtteile.

Bei den Verkäufen von städtischem Vermögen hätten Sie schon ein glücklicheres Händchen gebrauchen können.

Blankenburg: Wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, hätten wir uns bei der Eishalle anders verhalten. Aber Sie dürfen nicht vergessen, der Investor war auch der Favorit der Kissinger Wölfe.

Einen Teil der erreichten Haushaltskonsolidierung wird jetzt wohl die Corona-Krise wieder kaputtmachen. Gibt es schon Schätzungen, wie viel Geld der Stadt am Ende des Jahres fehlen wird?

Blankenburg: Nein, solche Schätzungen habe ich nicht. Im Moment brauchen wir noch keinen Nachtragshaushalt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch einen brauchen werden, ist groß.

Welche Folgen erwarten Sie für Übernachtungen, Kurtaxeinnahmen und Gewerbesteuer?

Blankenburg: Wir werden bei der Gewerbesteuer entscheidende Einbrüche erleiden. Ich hoffe zwar, dass wir im Handel und der Gastronomie schnell wieder zur Normalität zurückkommen. Im Tourismus ist das aber ganz anders. Bei der Kurtaxe fallen der Staatsbad GmbH wichtige Einnahmen weg, da werden wir mit dem Freistaat als Gesellschafter verhandeln müssen. Da muss irgendwie klar sein, dass wir als Stadt am Ende von dem zu erwartenden zusätzlichen Defizit nicht die gemäß Gesellschaftsanteil üblichen 53 Prozent tragen können. Und bei den Stadtwerken fehlen nicht nur Verbräuche, dort wirkt sich die Schließung der Therme aus.

Die Stadt wird Hilfe brauchen, das ist klar.

Blankenburg: Ja, Freistaat und Bund werden die Kommunen unterstützen müssen. Nicht nur mit Geldmitteln, es ist auch eine großzügigere Praxis bei der Genehmigung von Haushalten nötig. Auch der Prozess der Infrastrukturerneuerung darf nicht gestoppt werden. Eine ganz konkrete Hilfe wäre die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie.

Steht Bad Kissingen vor dem tiefsten Einschnitt seit der Gesundheitsreform der Regierung Kohl von 1996?

Blankenburg: Ich glaube der Einschnitt wird erst einmal sehr viel tiefer als 1996. Wir werden bei den Übernachtungen sicher deutlich unter die Million fallen. Ich hoffe aber, dass er weniger lange anhält und wir spätestens im übernächsten Jahr wieder unseren gewohnten Level erreichen. Mit dem Thermenhotel und dem Ausbau des Cup Vitalis werden ja auch neue Kapazitäten geschaffen.

Da bekommen Sie ja als Stadtrat demnächst viele neue Aufgaben, mit denen Sie vorher nicht rechnen konnten. Was sehen Sie denn in den nächsten Monaten als vordringlich an?

Blankenburg: Ich habe meine Schwerpunkte gesetzt, Dr. Vogel wird seine setzen. Wichtig wird eine vernünftige Exit-Strategie sein, um wieder herauszukommen aus dem Corona-Loch. Ich hoffe, dass der ganze Stadtrat als Gesamtheit einen vernünftigen Nachtragshaushalt aufstellt und das nicht als erstes Steinchen nutzt, um jemand gleich mal stolpern zu lassen.

Wie, glauben Sie, wird der Stadtrat in den nächsten Jahren zusammenarbeiten? Leichter ist es ja nicht geworden, Mehrheiten zusammenzubringen.

Blankenburg: Ich bin da sehr gespannt. Es wird eine Gemeinschaftsaufgabe, da durchzukommen. Trotz der parteilichen Zerfaserung hoffe ich, dass der Stadtrat sich weiter als Funktionseinheit begreift.

Und was passiert, wenn die CSU zum Schluss kommt, scharfe Opposition sei aussichtsreicher als die kritische Zustimmung der vergangenen Jahre?

Blankenburg: Die Gefahr besteht, dass jemand den Weg geht, sich über Fundamentalopposition zu definieren. Ich war aber schon immer der Auffassung, für den Stadtrat ist es falsch, Parlament zu spielen. Alle sind gut beraten, nicht Parteiinteressen in den Vordergrund zu stellen. Am Ende, glaube ich, schätzen das auch die Wähler.

 
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