Man müsste wohl Verständnis haben, wenn Kay Blankenburg dem Corona-Virus besonders kritisch gegenüberstehen würde. Nach zwölf Jahren als Oberbürgermeister von Bad Kissingen gibt er das Amt in jüngere Hände. Und muss damit rechnen, dass ihm die nach dem Virus benannte Krise ganz am Ende die Bilanz verschlechtert. Ein Gespräch darüber, was war, was ist und wie es weitergeht.
Kay Blankenburg: Vor 20 Jahren habe ich mal gesagt, ich wolle nie Landrat werden. Jede Woche auf Feuerwehrtermine zu gehen, das konnte ich mir nicht vorstellen. Ergeben hat sich genau das Gegenteil. Die Feuerwehrtermine waren mir mit die liebsten. Da habe ich viele interessante Menschen getroffen. Es gibt aber unzählige Veranstaltungen, wo jemand eingeführt und verabschiedet wird. Das ist an sich nicht verwerflich, aber wenn der gefühlt zwölfte Grußredner ansetzt, dasselbe zu sagen wie sein Vorredner, das ist schon etwas, worauf ich gern verzichtet hätte.
Blankenburg: Natürlich werde ich vermissen, die Sitzungen zu leiten. Der Unterschied zwischen Dabeisein als Stadtrat und mit Anspannung leiten ist unglaublich. Vermissen werde ich auch die schönen Konzerte und Empfänge im Kissinger Sommer. Es ist schon schön, zum Beispiel den Ministerpräsidenten willkommen zu heißen. Am meisten fehlen wird mir aber der tägliche Umgang mit den Mitarbeitern.
Blankenburg: Als ich mich entschieden habe, nicht mehr für das Amt des Oberbürgermeisters zu kandidieren, habe ich mir auch die Frage gestellt, ob ich in sechs Jahren noch ein guter OB sein kann. Denn aus dem Oberbürgermeisteramt gibt es ja keine vernünftige Möglichkeit auszuscheiden. Als Stadtrat dagegen kann man sich problemlos entpflichten lassen. Ich wollte die Kommunalpolitik auch ein bisschen ausschleichen. Und weil ich für den Kreistag ohnehin kandidieren wollte, war es beim Stadtrat kein großer Schritt.
Blankenburg: Von dieser Umfrage weiß ich nichts. Und die Geschichte glaube ich auch nicht. Es hat vor einiger Zeit eine Umfrage gegeben, da ging es um Zufriedenheit mit Stadt und Landratsamt. Aber dabei war nichts vernichtend.
Blankenburg: Es ist mir gelungen, die Abgaben nicht zu erhöhen. Schon nach dem ersten Vierteljahr habe ich der Verwaltung das F-Wort, F wie Fremdenverkehrsabgabe, verboten. Und dennoch habe ich die Verschuldung um 13 bis 14 Millionen Euro abgebaut. Wir haben so Handlungsfähigkeit wiedergewonnen, ohne uns kaputtzusparen.
Blankenburg: Klar, die haben uns sehr dabei geholfen. Ganz wichtig war auch, das ramponierte Verhältnis zum Freistaat wieder auf Vordermann zu bringen. Dabei war es schon überraschend, wie frei von Vorbehalten wegen meines Parteibuchs ich in München aufgenommen worden bin. Natürlich ist das vor allem eine Leistung von Dr. Söder: Aber in meiner Amtszeit hat der Freistaat ungefähr das Eineinhalbfache eines Bad Kissinger Jahreshaushalts, also rund 80 Millionen Euro, hier investiert. Dazu kommt noch die Sanierung der Kuranlagen davor.
Blankenburg: Ich bin sehr froh, dass wir die Neue Altstadt angepackt haben. Die Dauer bestätigt die Wichtigkeit der Entscheidung. Wenn wir angesichts der neun Jahre Vorlauf in meiner Zeit, erst jetzt begönnen … Bereits mein Vorvorgänger ist vom Wasserwirtschaftsamt auf das Thema angesprochen worden. Froh bin ich, dass wir die Therme weiterentwickelt haben und das Thermen-Hotel in absehbarer Zeit eröffnen kann. Wir haben auch die Rahmenbedingungen geschaffen, für die Entwicklung des Cup Vitalis. Dazu können wir jetzt das erste Mal absehen, wie ein neues Kurhaushotel im Entstehen ist. Eine Zahl ist mir dabei wichtig. Dieses geplante Hotel wird mehr Zimmer haben als das vorherige. Ich warte übrigens schon die ganze Zeit auf Ihre kritischen Nachfragen.
Blankenburg: Na gut, wenn wir damit das Kritische auch erledigt haben, mein Lieblingsthema sind Schulen und Kindergärten. Wer heute die Sinnberg-Grundschule und die Kliegl-Mittelschule sieht, möchte bestimmt nicht mehr zu alten Zuständen zurück. Da waren große Summen nötig. Und für die Hennebergschule wird ein ähnlicher Betrag dazu kommen. Die Ausgaben für die Kinderbetreuung zeigen, dass wir auch dort nicht untätig sind.
Blankenburg: Unter wirtschaftlichen Aspekten sehr froh bin ich, dass die Einwohnerzahl Bad Kissingens gestiegen ist. Die Gewerbesteuer hat sich von 5,5 Millionen 2008 auf 10,9 Millionen 2019 erhöht, der Einkommenssteueranteil stieg von 7,7 auf 11 Millionen, die Arbeitslosenzahl sank von 701 im Jahr 2008 auf 485 im Jahr 2018, die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg von 10 008 im Jahr 2008 auf 11 455 im Jahr 2018, die Zahl der Einpendler erhöhte sich entsprechend. Unterm Strich hat sich wirtschaftlich in der Zeit viel getan.
Blankenburg: Wir haben ein Spielplatzkonzept unter Beteiligung der Betroffenen entwickelt, wir haben viel für Jugendliche getan, die Seniorenuni ist fast selbstverständlich geworden. Als ich das Amt übernommen habe, wurde das Quartier Bad Kissingen Nordost falsch als Brennpunkt angesprochen. Jetzt ist es ein ganz lebendiges Viertel. Die Siedler haben hier große Verdienste. In der Housing Area entstanden tolle Wohnungen. Bei Straßenprojekten haben wir ganz selbstverständlich auf Barrierefreiheit geachtet. Die Entwicklung rund um den Klaushof freut mich sehr. Ich weiß, Straßenunterhalt ist in Bad Kissingen ein leidiges Thema, aber wir haben auch da einiges gemacht. Bei den Stadtteilen denke ich an Spielplätze, Bauplätze, das Vereinsheim Krone in Reiterswiesen, die Dorferneuerung Arnshausen.
Blankenburg: Die Vertragserneuerung für die Staatsbad GmbH fällt in meine Amtszeit. Den Winterzauber haben wir auf neue Füße gestellt. Jeder der Kissinger Feuerwehren habe ich in meiner Amtszeit entweder mindestens ein neues Fahrzeug oder eine Investition in eine Feuerwehreinrichtung übergeben. Die Aufnahme in die Weltkulturerbeliste hätte ich gerne noch gemacht, das muss ich zugeben. Meine Prognose ist, dass die geplante Veranstaltung im Sommer in China nicht stattfinden wird. Vielleicht wird unsere Bewerbung noch weitere Bedingungen erfüllen müssen, aber vom Gefühl her sind wir in drei Jahren dabei.
Blankenburg: Ich finde, der Titel klingt nach mehr als dahinter ist. Wir waren vorher in der Mitte und sind es auch in der neuen Einteilung. Die Einstufung ist für sich allein auch nicht der absolute Knaller. Vor allem für einen Aspekt ist das gemeinsame Oberzentrum aber wichtig, als Voraussetzung für das in Bad Kissingen sehr interessante Thema der Ansiedlung von Hochschuleinrichtungen. Ansätze dazu haben wir mit der Brückenprofessur am LGL und den Aktivitäten des Gründerzentrums bereits.
Blankenburg: Natürlich wäre ich mit der Neuen Altstadt gerne weiter. Der Schutz der Heilquellen und das Thema Standfestigkeit der anliegenden Gebäude braucht umfassende Vorbereitungen. Sie müssen eben sehen, sobald wir anfangen, haben wir nur einen Versuch. Ich wäre auch froh, wenn wir das geplante Mehr an Platz für die Kinderbetreuung schon hätten. Und wenn ich im Nachhinein ansehe, wo wieviel Geld ausgegeben worden ist, habe ich manchmal den Eindruck, dass etwas zu viel Geld in die Kernstadt geflossen ist und etwas zu wenig in die Stadtteile.
Blankenburg: Wenn ich gewusst hätte, was ich heute weiß, hätten wir uns bei der Eishalle anders verhalten. Aber Sie dürfen nicht vergessen, der Investor war auch der Favorit der Kissinger Wölfe.
Blankenburg: Nein, solche Schätzungen habe ich nicht. Im Moment brauchen wir noch keinen Nachtragshaushalt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass wir noch einen brauchen werden, ist groß.
Blankenburg: Wir werden bei der Gewerbesteuer entscheidende Einbrüche erleiden. Ich hoffe zwar, dass wir im Handel und der Gastronomie schnell wieder zur Normalität zurückkommen. Im Tourismus ist das aber ganz anders. Bei der Kurtaxe fallen der Staatsbad GmbH wichtige Einnahmen weg, da werden wir mit dem Freistaat als Gesellschafter verhandeln müssen. Da muss irgendwie klar sein, dass wir als Stadt am Ende von dem zu erwartenden zusätzlichen Defizit nicht die gemäß Gesellschaftsanteil üblichen 53 Prozent tragen können. Und bei den Stadtwerken fehlen nicht nur Verbräuche, dort wirkt sich die Schließung der Therme aus.
Blankenburg: Ja, Freistaat und Bund werden die Kommunen unterstützen müssen. Nicht nur mit Geldmitteln, es ist auch eine großzügigere Praxis bei der Genehmigung von Haushalten nötig. Auch der Prozess der Infrastrukturerneuerung darf nicht gestoppt werden. Eine ganz konkrete Hilfe wäre die Senkung der Umsatzsteuer in der Gastronomie.
Blankenburg: Ich glaube der Einschnitt wird erst einmal sehr viel tiefer als 1996. Wir werden bei den Übernachtungen sicher deutlich unter die Million fallen. Ich hoffe aber, dass er weniger lange anhält und wir spätestens im übernächsten Jahr wieder unseren gewohnten Level erreichen. Mit dem Thermenhotel und dem Ausbau des Cup Vitalis werden ja auch neue Kapazitäten geschaffen.
Blankenburg: Ich habe meine Schwerpunkte gesetzt, Dr. Vogel wird seine setzen. Wichtig wird eine vernünftige Exit-Strategie sein, um wieder herauszukommen aus dem Corona-Loch. Ich hoffe, dass der ganze Stadtrat als Gesamtheit einen vernünftigen Nachtragshaushalt aufstellt und das nicht als erstes Steinchen nutzt, um jemand gleich mal stolpern zu lassen.
Blankenburg: Ich bin da sehr gespannt. Es wird eine Gemeinschaftsaufgabe, da durchzukommen. Trotz der parteilichen Zerfaserung hoffe ich, dass der Stadtrat sich weiter als Funktionseinheit begreift.
Blankenburg: Die Gefahr besteht, dass jemand den Weg geht, sich über Fundamentalopposition zu definieren. Ich war aber schon immer der Auffassung, für den Stadtrat ist es falsch, Parlament zu spielen. Alle sind gut beraten, nicht Parteiinteressen in den Vordergrund zu stellen. Am Ende, glaube ich, schätzen das auch die Wähler.