Abheben ist für die erfahreneren Mitglieder der Segelfluggemeinschaft Bad Kissingen gewissermaßen Routine. Bei der Vereinsgründung vor 100 Jahren war das noch komplett anders. Weil der Flugsport in den Kinderschuhen steckte, gehörte damals viel mehr Mut dazu, sich den fliegenden Kisten anzuvertrauen.
Dieses Image hat sich gewandelt. "Segelfliegen ist heute nichts Eltitäres mehr", sagt Vorsitzender Matthias Albert im Gespräch mit dieser Redaktion zum Selbstverständnis seiner 60 Mitglieder starken Gemeinschaft. Beim zwanglosen Festprogramm am Sonntag, 23. Juli soll diese Haltung deutlich werden.
Erste Alleinflüge ab 14 Jahren
Damit die Begeisterung für die Fliegerei möglichst auf die Gäste überspringt, bietet die Segelfluggemeinschaft Rundflüge an und wirbt für das Ausbildungsangebot. Zuwachs ist willkommen. Aktuell werden zwölf Anfängerinnen und Anfänger im Alter zwischen 17 und 40 Jahren zu Piloten auf den acht vereinseigenen Flugzeugen vom Motorsegler bis zum Ultraleichtflugzeug ausgebildet.
Zu ihrem Jubiläum will die SFG zudem ihre fliegenden Vorfahren hochleben lassen. Ohne die Flugpioniere wäre der Platz in der Au nicht das, was er heute ist.
Schließlich blickt der Flugsport in Bad Kissingen auf eine bewegte Geschichte zurück. Zwischenzeitlich gab es in der Stadt mit Fliegerclub, Motorseglergemeinschaft und Segelfluggemeinschaft sogar drei Fliegervereine.
Zurück bei den Wurzeln
Nach Fusionen und Trennungen sind die Segelflieger gewissermaßen wieder zurück bei ihren Wurzeln, die sogar auf das Jahr 1919 zurückgehen. Doch auch wegen Corona mussten die Feierlichkeiten bis 2023 warten, so Vorsitzender Albert.
Höhen und Tiefen des Flugplatzes in der Au fassen verschiedene Chroniken zusammen. Besonders fleißig haben die Motorflieger des einstigen Fliegerclubs die Ereignisse dokumentiert. Dessen Motorflieger sind inzwischen in Haßfurt angesiedelt.
1928 begann eine neue Ära des Segelflugs
Doch gerade die Historie der Segelfliegerei ist bemerkenswert. Zumal die Au 1928 als Endpunkt eines Weltrekordfluges von der Wasserkuppe aus für Schlagzeilen sorgte. Dabei begann mit Entdeckung der Thermik für Streckenflüge eine neue Ära des Segelfliegens. Diverse Flugveranstaltungen auch mit Motorfliegern sorgten in dieser Frühzeit des Flugsports für Menschenaufläufe in der Au.
Nach etlichen Provisorien bei der Unterbringung von Flugzeugen war der Bau eines Hangars 1934 und des Towers 1968 Meilensteine in der Vereinsgeschichte.
Im Dritten Reich war der Platz der Luftwaffe unterstellt, die Hobbyfliegerei musste ruhen. Nach dem Krieg befestigte die US-Armee die Landebahn mit Metallplatten, wich dann aber wegen der Hochwassergefahr auf ein neues Gelände bei Reiterswiesen aus.
Alter Segler überdauerte den Krieg in einer Scheune bei Elfershausen
Mit Aufhebung der Flugverbote durch die Alliierten rückte der zivile Flugsport langsam wieder ins Bewusstein. Ein Vereinssegler hatte den Niedergang des dritten Reiches in einer Scheune bei Elfershausen überlebt.
Daran knüpfte das wieder erwachende Vereinsleben in der Au an. Für Schlagzeilen sorgten über die Jahre prominente Gäste, die mit Motorflugzeugen in der Kurstadt anreisten. Darunter Schauspieler Heinz Rühmann. "Die Polizei musste die Fans zurückhalten", heißt es in der Chronik des Fliegerclubs. Für einen Menschenauflauf sorgte ein Abstecher von US-Astronaut Neil Armstrong von der Wasserkuppe nach Bad Kissingen. "Die Stadt gleicht einem Hexenkessel", notierte der Chronist.
Mit dem Schwerpunkt auf der Segelfliegerei ist es heute ruhiger um den Luftsport geworden. Der Platz ist nur noch bei Bedarf an den Wochenenden und zur Schulung mittwochs geöffnet. Für Landungen außerhalb dieser Zeiten müssen sich Gäste vorher anmelden.
Starfighter donnerten über die Kurstadt
Und so schrill, wie beispielsweise das zehnjährige Bestehen des Fliegerclubs 1962 wird das bevorstehende Fest der Segelfluggemeinschaft nicht ausfallen. Damals gab es spektakuläre Programmpunkte , wie etwa das "Ballonrammen" durch Kunstflieger sowie eine Flugshow mit Starfightern.
"So etwas wäre heute alleine schon weg der verschärften Sicherheitsvorschriften nicht möglich", sagt Albert. Immerhin erwartet der Verein am Festsonntag je nach Witterung einige von auswärts einschwebende Gäste.
Beliebtes Ziel bei auswärtigen Piloten
Auch heute gilt der Flugplatz bei auswärtigen Piloten wegen der Nähe zum Zentrum als Attraktion. "Das spürt man bei den Besucherzahlen schon", sagt der Vereinsvorsitzende mit Blick auf den Welterbe-Titel. Inzwischen verleiht die Segelfluggemeinschaft sogar Fahrräder an Piloten.
Für das Jubiläumsfest polieren die Mitglieder der SFG aktuell ihre Anlage auf. Einen Jubiläumswunsch hat Vorsitzender Albert an die Stadt. Der Verein möchte zum vereinseigenen Flugplatz nun den einst von den Fliegern errichteten Tower wieder von der Stadt übernehmen. "Die Verhandlungen dafür sind auf einem guten Weg", zeigt er sich optimistisch.