
Emotionale Monate liegen hinter Eva Fella. Für neun Monate arbeitete die 30-jährige, examinierte Hebamme im Sudan (Nordafrika). Nach dem Einsatz für die Hilfsorganisation Cap Anamur nahm sie sich eine mehrwöchige Auszeit, um ihre Eindrücke zu verarbeiten. Inzwischen arbeitet Fella wieder an der Missioklinik des Klinikums Würzburg Mitte.
"Ich bin dankbar, dass ich diese Chance bekommen habe", sagt Fella im Gespräch mit der Redaktion. Jetzt sehe sie das Geschenk des Lebens aus neuen Blickwinkeln. Dies allein sei alle Entbehrungen wert gewesen. Die Menschen im Ort Lwere in den Nuba-Bergen mit den charakteristischen Lehmhütten seien ihr so sehr ans Herz gewachsen, dass sie einen erneuten Einsatz nicht ausschließt.
Bedenken aus dem Bekanntenkreis
Dabei hatte schon der Aufbruch ins Ungewisse allerhand Nervenkitzel beschert. Wenige Wochen zuvor war der Bürgerkrieg im Sudan ausgebrochen. "Da gab es dann Bedenken", erzählt Fella von manchen Reaktionen auf ihre Reisepläne aus dem Bekanntenkreis. Die Familie habe stets hinter der Entscheidung für den Einsatz gestanden. Schon seit ihrer Kindheit verspüre sie eine Leidenschaft für Afrika, so die Hebamme.

Als Fügung betrachtet sie es rückblickend, dass sie im Herbst 2o22 zufällig einen Beitrag der ZDF-Serie "37 Grad" über das Krankenhaus von Cap Anamur im Sudan sah. Daraufhin fasste sie den Entschluss, sich mit ihrer siebenjährigen Berufserfahrung im dortigen Team einzubringen.
Einreise über verschlungene Pfade
Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Weil im Sudan mittlerweile der Bürgerkrieg ausgebrochen war, waren die Grenzen geschlossen. Deshalb führte die Anreise durch den Südsudan. Die letzten Kilometer über verschlungene Pfade führten mit einem kleinen Propellerflugzeug über die Weiten des Landes und acht Stunden mit einem Geländewagen durch unwegsames Gelände.
Am Ziel fand die Hebamme ein Krankenhaus mit rund 100 Betten und spartanischer Ausstattung vor. "Getragen wird das Ganze von den nationalen Beschäftigten", lobt sie den Einsatz der Einheimischen.
Bei den Visiten auf der Station dabei

Zur Seite stand Eva Fella nach ihren Schilderungen dem engagierten Krankenhausteam bei der Betreuung von Schwangeren, Früh- und Neugeborenen sowie Säuglingen im Alter von bis zu drei Monaten. Dabei begleitete sie die tägliche Visite auf Station und arbeitete in der Schwangerenvorsorge und im Kreißsaal und hielt Schulungen.
Beeindruckt hat sie, wie sich Mütter einfach mit Urvertrauen dem Thema Geburt stellen. So komme neben einem Ultraschall auch das Hebammenhörrohr zum Einsatz, das in modernen Krankenhäusern längst Geschichte ist.

Immer wieder gab es in diesem bescheidenen Rahmen Geburten glücklicher Mütter. Aber: "Wir haben auch viele Säuglinge sterben sehen", beschreibt Fella sichtlich bewegt die Ohnmacht, wenn mangels Ausstattung wieder einmal nicht geholfen werden konnte.
Unerschütterliche Mutterliebe
Umso mehr begeisterte das Schicksal mancher Frühchen, die ohne Brutkasten, mit Decken, Nahrung und unerschütterlicher Mutterliebe ums Überleben rangen. Wie etwa die kleine Nania, die mit einem Kilogramm Körpergewicht das Licht der Welt erblickte und daraufhin die Mutter dem Säugling drei Monate nicht von der Seite wich. Ergreifend sei es auch gewesen, wenn Mütter, die um ihr Leben gekämpft hatten, nach Hause entlassen werden konnten.

Zum Glück liege die Nuba-Region aktuell nicht im Fokus des Bürgerkrieges, erzählt Fella. Allerdings seien immer wieder Verwundete eingeliefert worden, wobei sich zwei Patienten zum Teil ein Bett teilten.
Seltener Abstand vom Krankenhausalltag
Zusammenrücken hieß es bei ihrem Einsatz auch für die vier internationalen Helfer, die sich in ihrem kleinen Wohnbereich auf dem Gelände arrangieren mussten. So gestaltete sich der Einsatz gewissermaßen zu einer Präsenz rund um die Uhr. Seltenen Abstand vom Krankenhausalltag fand Eva Fella bei Spaziergängen durch das Dorf.
Gerne besuchte Fella eine Putzfrau aus dem Krankenhaus am Dorfrand, wo man sich mangels Sprachkenntnissen bisweilen schweigend gegenüber saß. Inzwischen verstehe sie sogar etwas sudanesisch-arabisch, mit dem sie auch im Krankenhaus kommunizieren könne.
Legendäre Gastfreundschaft
"Das war total entschleunigend", beschreibt Eva Fella diese Besuche im Dorf. Gastfreundschaft werde nach einem bestimmten Ritual zelebriert, wobei es nacheinander Wasser, Saft und dann Tee oder Kaffee gebe. Die Zubereitung erfordere ihre Zeit. Während sich die Einheimischen mit einem Bohnen- oder Getreidegericht ernähren, zu dem nur manchmal etwas Ziegenfleisch gibt, bekamen die internationalen Helfer mit den halbjährlichen Materiallieferungen immerhin einen kleinen Grundstock an Konserven.

Nach der Rückkehr ins Saaletal schwingt der Einsatz bei der Hebamme nach. Ihr Fazit ist klar. "Bei uns wird zu oft nur das Negative gesehen", bedauert sie die zunehmende Haltung, den Lebensstandard in Europa zu verkennen. In Lwere seien die Menschen mit viel weniger glücklich.

Und: "Bildung ist das Wichtigste", stellt sie heraus. Während man in Deutschland dazu neige, den Mittelschulabschluss schlecht zu reden, mangele es im Sudan, wo ein Mann häufig mehrere Frauen habe, schon an Grundzügen für eine geregelte Lebensplanung.
Andere zu solchen Einsätzen ermutigen
Noch sortiert Fella ihre Eindrücke. Im Herbst möchte einen Vortrag halten, um Bewusstsein für die Situation im Sudan zu wecken. "Ich sehe mich nur als kleines Puzzlestück im Ganzen", sagt sie zu den Hilfseinsätzen in Afrika, die zwischen einem halben und zwei Jahren angelegt sind. Mit ihren Erlebnissen gehe sie an die Öffentlichkeit, um andere zu ermutigen, zwischendurch ebenfalls zu solch neuen Ufern aufzubrechen. Wortwörtlich nahm Eva Fell das im Juni 2024. Da rettete sie mit der Wasserwacht Hammelburg im süddeutschen Hochwassergebiet Menschen aus umspülten Häusern.