Von wegen Kater am Morgen danach. Als beim Bayerischen Rundfunk (BR) am Montag nach der Ausstrahlung des ersten Franken-„Tatorts“ die Zahlen zur Einschaltquote auf den Schreibtischen landen, gibt's überall nur strahlende Gesichter.
Die Party, die zur Premiere im Nürnberger CineCitta gefeiert wurde, kann weitergehen. „Wir sind alle einfach platt – vor Staunen“, fasst BR-Sprecherin Gesine Pucci die Reaktionen zusammen. 12,11 Millionen Menschen in Deutschland haben den ersten Auftritt der Hauptkommissare Paula Ringelhahn (gespielt von Dagmar Manzel) und Felix Voss (Fabian Hinrichs) sowie ihrer fränkischen Ermittler-Kollegen gesehen.
In der Tabelle der erfolgreichsten „Tatorte“ in den vergangenen 20 Jahren bedeutet dies Platz sechs. Viermal unter den Top Fünf liegen Filme des Münster-Teams Thiel/Boerne (Axel Prahl/Jan Josef Liefers), ganz vorne die Folge vom September 2014 mit 13,13 Millionen Zuschauern. Platz vier belegt der erste Auftritt von Nick Tschiller (Til Schweiger) im März 2013. Und nun knapp dahinter „Der Himmel ist ein Platz auf Erden“.
Für die Verantwortlichen in München kommt hinzu: Keine „Tatort“-Produktion des BR hatte jemals mehr Zuschauer. Das Duo Leitmayr/Batic (Udo Wachtveitl/Miroslav Nemec) erzielte solche Quoten bei seinen seit 1991 ausgestrahlten 69 meist sehr sehenswerten Auftritten jedenfalls nicht. Schon möglich, dass die Debatte darüber, warum der BR weiter jedes Jahr drei „Tatorte“ in München, aber nur einen in Franken produzieren möchte, schneller an Aktualität gewinnt als es BR-Fernsehdirektorin Bettina Reitz recht ist. „Die Frage stellt sich aktuell nicht“, hatte sie am Sonntag vor der Presse in Nürnberg gesagt.
So könnte das Publikumsinteresse zum Fluch werden. BR-Intendant Ulrich Wilhelm lässt am Montag jedenfalls schon mal pflichtschuldig verlauten, für einen öffentlich-rechtlichen Sender dürfe letztendlich nicht die Quote im Mittelpunkt stehen. Das entscheidende Kriterium seien die Qualität der Produktionen und der „Gesprächswert für die Gesellschaft“.
Letzterer lässt sich nicht leugnen. Unter den Franken in den sozialen Netzwerken tobt am Montag eine heftige Debatte, ob der „Tatort“ nun gut oder schlecht war (siehe „Standpunkt“), wobei sich beide Positionen in etwa die Waage halten. Bei der professionellen Medienkritik überwiegt das Lob. „Im Kern ist dieser ,Tatort' ein wunderbarer“, schreibt Hans Hoff im Mediendienst „dwdl.de“. Aber es gibt auch andere Stimmen. Rudolf Görtler urteilt im „Fränkischen Tag“ ebenso eindeutig: „Dieser erste Franken-,Tatort' (...) war nicht gut.“
Während im Nürnberger Premieren-Kino die Schauspieler und „Tatort“-Macher gemeinsam mit vielen Komparsen und Helfern aus der Region sowie Gästen aus der Politik das Werk bei Schäufele-Sandwich und Gerupfter-Törtchen feierten, trafen sich in den Weiten des Frankenlands in vielen Kneipen Menschen zum Public Viewing. Im „Muck“ in der Würzburger Sanderstraße hat das gemeinsame „Tatort“-Gucken schon Tradition. Vor sieben Jahren hatte Wirtin Barbara Latzel die Idee, den Kult-Krimi immer am Sonntagabend zu zeigen. So viele Gäste wie zur Franken-Premiere – es waren über hundert – hatte sie allerdings noch nicht erlebt.
Als um 20.15 Uhr das legendäre „Tatort“-Intro ertönte, wurde es schlagartig ruhiger in der Kneipe. Die Blicke gingen vom Burger zur Leinwand. Anfangs sorgte der von Matthias Egersdörfer verkörperte Chef der Spurensicherung mit seiner herzhaft-trockenen Art für Lacher. Auch die Dialoge der beiden Hauptkommissare schienen den Humor der Zuschauer zu treffen. Je weiter die Spannung zunahm, desto stiller wurde es schließlich.
Nachdem die Schlussmelodie verklungen war, gingen die Meinungen auch dort weit auseinander. „Einige Stellen waren lustig, aber größtenteils fand ich die Story unrealistisch und kitschig“, sagte Eva Vogelsberg. Jonas Müller kommt mit seinen Freunden jeden Sonntag zum „Tatort“-Gucken ins „Muck“: „Mir hat gefallen, wie die verschiedenen Kulturen aufeinander geprallt sind – hier die Chefs aus dem Norden und dem Osten, dort die Kommissare aus Franken.“
Ein Szenario, das ausbaufähig scheint, wenn im Sommer die Dreharbeiten für den zweiten Franken-„Tatort“ anstehen. Dass dann auch in Würzburg gedreht wird, hat der BR frühzeitig bekannt gemacht. Sicher ist auch, dass nicht Max Färberböck, sondern ein anderer Regisseur das Miteinander der Hauptfiguren weiterentwickeln wird. Infos darüber hinaus werden aber gehütet wie ein Staatsgeheimnis. „Tut mir leid, aber wir wollen erst alles in trockenen Tüchern haben“, sagt Redakteurin Stephanie Heckner. Der Erwartungsdruck dürfte nun noch gewachsen sein. 12,11 Millionen Zuschauer sind ein Wort. Mitarbeit: Franziska Jünger
„Die Franken haben geredet wie Franken“
Standpunkt: Der Franken-„Tatort“ macht Lust auf mehr
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