Postel ist klassisch ausgebildet, kann aber auch so gut Chanson, dass sie einen New Yorker Kurt-Weill-Preis gewann. Sie bedient sich bei allen Genres: „Die große Kunst hält ewig, die kleine nur ein wenig.“ Ihr Repertoire reicht von von Purcell bis Pop, ihre wandlungsfähige Stimme stellt sie aber auch vor eine Herausforderung. Denn gerade weil sie die technischen Anforderungen so sicher meistert, muss sie all dieses verschiedene Material auch innerlich zusammenhalten. Eben dafür sorgt schon Annette Postels große Bühnenpräsenz. Und: Hier liebt eine das, was sie tut, auch wenn sie darüber lästert.
Das Programm mit dem blassen Titel „Sing oder stirb! Operette sich, wer kann“ eignet sich prima, Opernneulinge an die Gattung heranzuführen. Schon in der ersten Hälfte kommt der Wunsch auf, sie möge doch mal ernst werden, ihre Lieder nicht immer zerhacken, sondern wenigstens eine Arie ordentlich schön zu Ende singen. Prompt entlässt sie das Publikum mit der erschütternden Piu-Arie von Verdi in die Pause. Später wird sie noch eine barocke Dido drauflegen, aber auch eine Gloria Gaynor, und dann vor voll besetzter Halle drei Zugaben singen. Wenn es noch einen Beweis für die Vereinbarkeit von ernster und lustiger Unterhaltung gebraucht hätte: Der offizielle Teil dieses Opernsbends endete mit demselben Song wie Leander Haussmanns Biertrinkerfilm „Herr Lehmann“.