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WÜRZBURG
Angst begleitete sie durch den Abend
Nach Schießerei in München       -  Trauernde stehen am 23.07.2016 vor dem Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München (Bayern), einen Tag nach einer Schießerei mit Toten und Verletzten, vor Blumen und Kerzen zum Gedenken an die Opfer. Die tödlichen Schüsse hat ein 18-jähriger Deutsch-Iraner abgegeben. Zehn Menschen starben, darunter der Täter.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand (dpa) | Trauernde stehen am 23.07.2016 vor dem Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) in München (Bayern), einen Tag nach einer Schießerei mit Toten und Verletzten, vor Blumen und Kerzen zum Gedenken an die Opfer.
Denise Schiwon
Denise Schiwon
 |  aktualisiert: 16.12.2021 11:20 Uhr

Es ist Freitagabend. Viele Münchner sind unterwegs, genießen ihren Feierabend in der Landeshauptstadt. So auch vier ehemalige Würzburger Studenten. Sie sind auf dem Weg zu einem Freund, einem Bierfest oder einem Konzert. Sie befinden sich an unterschiedlichen Orten in der Stadt. Und doch finden sie sich alle plötzlich in der gleichen beängstigenden Situation wieder.

Kurz vor 18 Uhr fallen Schüsse im Olympia-Einkaufszentrum (OEZ) im Stadtteil Moosach. Marie Kelbel ist zu dem Zeitpunkt mit ihrer Familie auf dem Tollwood-Konzertgelände, das etwa drei Kilometer vom OEZ entfernt ist. Zunächst hätten die Besucher nichts von dem Vorfall mitbekommen. Um kurz nach 18 Uhr bekam die 23-Jährige eine WhatsApp-Nachricht von einer Freundin. „Ich war allerdings wohl eine der ersten, die vor Ort Bescheid wussten“, vermutet sie, „da sich vorerst an der Situation nichts verändert hatte.“ Erst gegen 19 Uhr habe sich das Gelände dann deutlich geleert und die Besucher „wirkten immer nervöser“.

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Stimmung in der Innenstadt war sehr angespannt - aber kontrolliert

Auch bei Johannes Horvath steigt die Anspannung, weil seine Freundin Marie nicht weit vom Tatort entfernt ist. Als er vom Amoklauf erfährt, ist er mit dem Bus Richtung Innenstadt unterwegs. Wenig später werden der U-Bahn-, Tram- und Bus-Verkehr gesperrt. „Die Stimmung in der Innenstadt war zu dem Zeitpunkt sehr angespannt aber kontrolliert“, sagt der ehemalige Würzburger Student. Mit der S-Bahn fährt der 23-Jährige bis zum Marienplatz und läuft zu einem Freund. Bis zum nächsten Morgen werden sie seine Wohnung nicht mehr verlassen. Er verbringt den ganzen Abend am Handy, schreibt Freunden, fragt, ob sie in Sicherheit sind und hält Kontakt mit seiner Freundin.

Immer wieder bricht die Internetverbindung ab. Anrufe kommen kaum noch durch. „Ich hatte wahrscheinlich noch nie so Angst in meinem Leben. Sowohl um Freunde und vor allem meinen Freund, die noch in München unterwegs waren, als auch um mich und meine Familie auf dem Tollwood“, erzählt Marie Kelbel. Bis sie und ihre Begleiter das Tollwood-Gelände verlassen, verstreicht einige Zeit. Es sei noch unklar gewesen, wo sich die zu diesem Zeitpunkt drei mutmaßlichen Täter aufhielten. Deshalb sei es empfohlen worden, auf dem Gelände zu bleiben, sagt sie. „Das Schlimmste war eigentlich nicht zu wissen, was man machen soll, da es auf dem Tollwood keinerlei Möglichkeit gibt ein festes Gebäude aufzusuchen.“

Überall schauten Leute auf ihre Handys, schrieben, telefonierten

Als Gerüchte laut werden, dass auch auf dem Tollwood Schüsse gefallen seien, verlassen Marie Kelbel und ihre Familie das Veranstaltungszelt und setzen sich in die Nähe des Seitenausgangs. Gegen 21 Uhr laufen sie zum Auto, das beim Olympiapark steht. Etwa eine Stunde später kommen sie daheim an. Um kurz nach halb elf wird das Tollwood-Festival abgebrochen.

Per Eilmeldung erfahren zwei weitere ehemalige Würzburger Studenten von der Schießerei. Die 23-Jährige und der 25-jährige gebürtige Würzburger hatten vor, ein Bierfest am Odeonsplatz zu besuchen. Nachdem sie ankommen, hören sie von dem angeblichen Anschlag am Stacchus, der sich später als Fehlalarm heruausstellt. „Man sah überall Leute in ihre Handys schauen, schreibend und telefonierend“, berichtet die junge Frau, die ihren Namen nicht nennen möchte. Sie beschließen schnell zu gehen, als bekannt wird, „dass angeblich mehrere Täter flüchtig seien und auf einmal ein Polizeihelikopter über der Innenstadt“ seine Kreise zieht. Die anderen Menschen hätten sich in alle Richtungen verstreut und die Innenstadt verlassen.

Unsicher, hilflos, traurig, geschockt

Da mittlerweile auch der Zugverkehr eingestellt wurde, können sie nicht zurück nach Hause nach Augsburg fahren. Also entschließen sie sich kurzerhand zum Büro der 23-Jährigen am Rande der Innenstadt zu laufen. Als sie dann die Tür hinter sich schließen, hätten sie etwas Erleichterung empfunden, so die 23-Jährige. „Wenn man sich der Nähe eines so grausamen Verbrechens bewusst wird, fühlt man sich unsicher, hilflos, traurig und man ist geschockt.“

 
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