
Schwarz, länglich, manchmal nur zwölf Millimeter, manchmal 26 Millimeter klein. Kopf zur Körperachse senkrecht nach unten geneigt, Mundwerkzeuge, die nach unten zeigen, breiter Halsschild, Fühler mit elf Gliedern und ziemlich lang. Bestimmt ein Exemplar aus der Familie der Bockkäfer, wissenschaftlicher Name Cerambycidae, Gattung Dorcadion. Einer, der Wärme und Trockenheit liebt, am Boden lebt, nicht fliegen kann und sich von Wurzeln ernährt. Ein Erdbock also. Nur, was für einer genau?
350 Arten weltweit sind bislang bekannt
Von Marokko über Südosteuropa, Kleinasien, Sibirien bis nach China sind mehr als 350 Dorcadion-Arten beschrieben, die meisten davon ziemlich variabel. Man muss sich schon extragut auskennen, wenn man ein Exemplar der dieser Gattung bestimmen will. Selbst in den großen Naturkundlichen Museen in Europa gibt es kaum jemand, der den einen Dorcadion vom anderen exakt unterscheiden, geschweige denn seine Art beziehungsweise Unterart bestimmen kann. Schwarz glänzende, manchmal bräunliche beschuppte Flügeldecken mit verschiedenen weißen Binden, zurückgebildete Hinterflügel, robuste Beine, fünf Fußglieder. Und weiter?
Wenn ein Museum, ein Sammler mit der Identifizierung der kleinen Gliederfüßler nicht weiter kommt, hilft der Postweg: Käfer verpacken und nach Schwanfeld im Landkreis Schweinfurt schicken. Zu Heinz Peks.
Seit 50 Jahren betreibt Peks Entomologie, Käferkunde. Und er kann die Frage, was Dorcadion konradi von Dorcadion güzeldereense unterscheidet, fast besser beantworten, als die, warum er sich hauptsächlich und ausgerechnet für diese nicht besonders auffälligen, nicht gerade bunten oder schillernden Erdböcke interessiert. Die Natur jedenfalls begeisterte ihn immer. Schon als Gymnasiast in Hammelburg fing er Falter, präparierte Schmetterlinge und bestückte im Keller heimlich, gegen Mutters Willen, selbst gebaute Sammelkästen. Weil er, erzählt der 76-Jährige, von der Insektensammlung des benachbarten Biologielehrers so fasziniert gewesen war. Er wurde dann Einzelhandelskaufmann, eröffnete Supermärkte, ging mit seiner Frau viel wandern – und sammelte einfach weiter.
„Da gibt es nur drei, vier Leute auf der Welt“
„Irgendwann wurde es ernst.“ Ein Käferforscher hatte ihn zu einer Tagung nach Slowenien mitgenommen, Peks lernte Wissenschaftler aus Naturhistorischen Museen kennen und ging bald mit Entomologen in Spanien und Portugal, Griechenland und der Türkei auf Sammelexkursionen. Es dauerte nicht lange, da begann der Hobbysammler aus Unterfranken die Käferkunde selbst wissenschaftlich zu betreiben.
Unter den Insektenkundlern gibt es nicht viele, die sich so intensiv mit Docardion, dieser sehr variablen Art, beschäftigen wie Peks. Bei den Carabidae, den Laufkäfern, gebe es bunte, schöne, große Tiere. „Darum kümmern sich 100 Leute und mehr.“ Aber Spezialisten, die sich mit den schlichten, schmucklosen Erdböcken auskennen – „da gibt es nur drei, vier Leute auf der Welt“, erklärt Peks, warum Museen und Naturhistorische Sammlungen seine Expertise suchen.
Genitaluntersuchungen – eine Fieselarbeit
Wenn er wieder ein Präparat geschickt bekommt, sitzt Peks manchmal halbe Nächte an seinem Mikroskop, bis er Art oder Unterart bestimmt und das Exemplar hinreichend mit vielen anderen aus seiner Sammlung verglichen hat. Alles will im Detail beschrieben sein: Kopf, Kiefer, Fühler, Brustschild mit Seitendorn, Flügeldecken, Beine, Färbung, Behaarung, Beschuppung. Käferbestimmung ist Detektivarbeit – und eine Sache ruhiger Hände. Denn der Schwanfelder macht Genitaluntersuchungen. Eine Fieselarbeit. „Aber das ist für die Bestimmung das wichtigste Merkmal“, sagt der Koleopterologe. Manchmal braucht er Stunden, bis aus einem Käfer das winzige, kleine Geschlechtsorgan, an dem sich die Art exakt bestimmen lässt, herauspräpariert ist.
Auf vielen Expeditionen auf der Suche nach den Käfern
In vielen Ländern der Welt war Heinz Peks unterwegs. Er sammelte unbekannte Laufkäfer und Falter in Indien, im Jemen, in Äthiopien. Er durchstreifte, oft mit seiner Frau, Bergregionen in Spanien, Albanien, Griechenland und der Türkei auf der Suche nach den Erdböcken, die nur laufen, wenn die Sonne scheint, und die sich bei Regen in der Erde oder unter Steinen verstecken. Wenn Peks wegen seiner Läden keine Zeit hatte, fuhr seine Frau auch schon mal alleine nach Griechenland zum Sammeln. Und kam zurück „mit vielen guten Arten“.
Seit 2010 hat der Schwanfelder, teils mit einem Kollegen, 45 Dorcardion-Arten aus der Türkei beschrieben. Er sagt: „Viele, die wir neu entdeckt haben, gibt es heute schon nicht mehr.“ Denn Käferleben häufig endemisch, sie kommen nirgendwo anders vor. Und wo der Entomologe vor ein paar Jahren noch Biotope durchstreifte, stehen heute Hochhäuser oder ist die Natur durch Autobahnen zerstört.
Den eigenen Wissenschaftsverlag gegründet
1994 gründete Heinz Peks einen eigenen wissenschaftlichen Verlag und die Zeitschrift „Coleoptera“ – „weil ich meine Sachen selbst publizieren wollte“. Seit 2005 bringt er auch die traditionsreichen „Entomologischen Blätter für Biologie und Systematik der Käfer“ heraus und mittlerweile vier Mal im Jahr die älteste Entomologische Zeitschrift Deutschlands. Von Schwanfeld aus gehen die wissenschaftlichen Hefte dann zu Käferforschern an Museen und Instituten in Sri Lanka, Japan, Australien oder den USA.
Einer trägt seinen Namen: Cribrodorcadion peksi
Mehrere Insektenarten sind inzwischen nach dem 76-Jährigen benannt: drei Eulenfalter (Noctuiden) aus dem Jemen, Indien und aus Südafrika, ein chinesischer Laufkäfer und der Cribrodorcadion peksi aus der Türkei. Und einen türkischen Dorcadion, den Cribrodorcadion sonjae, hat Heinz Peks nach seiner Frau beschrieben.
Über die Jahre hat der Schwanfelder ein riesiges Käfer-Archiv zusammengetragen: über 600 Kästen mit 30 000 Laufkäfern, mehr als 200 Kästen mit geschätzt 20 000 Bockkäfern. Dazu kommt eine Vielzahl unpräparierter Exemplare, die seit 20 Jahren im Gefrierschrank auf Eis liegen und darauf warten, dass Peks Zeit hat sie aufzutauen und zu bestimmen. Seine Laufkäfer-Sammlung will er der Staatssammlung in München geben, seine Dorcardien gehen wohl nach Stuttgart ans Rosenstein Museum. „Das ist Kulturgut“, sagt Peks, „ich will, dass es gut aufgehoben ist.“




