Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft zu zeigen, hat für immer mehr Unternehmen im Land einen hohen Stellenwert. Corporate Social Responsibility nennt sich das, füllt Fachbücher und ist in viele Chefetagen vorgedrungen. In diesem Licht ist ein neues Vorhaben zu sehen, mit dem die Augsburger Sozialunternehmerin Sina Trinkwalder und der Sonnenschutzhersteller Warema aus Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart) jetzt auf sich aufmerksam machen.
Stoffreste werden zu Rucksäcken für Obdachlose
Der Ansatz: Abfall von Warema wird in Augsburg zu Rucksäcken und Taschen verarbeitet. Ein Teil davon wird kostenlos an Obdachlose in Deutschland verteilt. Finanziert wird das aus dem Verkaufserlös des restlichen Kontingents.
Trinkwalder will auf diese Weise den Obdachlosen ein Stück Würde geben. Denn in Gesprächen mit diesen Menschen am Rand der Gesellschaft habe sie erfahren, dass nicht Wohnung und Arbeit das größte Problem sind, sondern Selbstwertgefühl und Hygiene. Um Obdachlose immerhin von der Plastiktüte wegzubekommen, habe sie sich für die Sache mit den modischen Rucksäcken entschieden, teilt Trinkwalder mit. Nun sollen die Hilfeempfänger zumindest in dieser Hinsicht im Alltag anders wahrgenommen werden – würdevoller eben.
„Brichbag“ nennt sich die Aktion. Ein Wortspiel: Das englische Wort Bag heißt Tasche, Brich (sprich: Britsch) soll für Bridge, also Brücke, stehen. Eine Brücke zwischen Arm und Reich. Brich soll aber auch eine Kombination aus „be“ und „rich“ sein, also: Sei reich.
„Brichbag“-Produkte sind Unikate
Eine wesentliche Rolle in dem Projekt spielt Warema in Marktheidenfeld. Der Hersteller von Markisen und anderen Sonnenschutzartikeln stellt das Rohmaterial für die Brichbag-Rucksäcke und -Taschen. Dabei handle es sich um Verschnittreste aus Acryl, teilte das Unternehmen mit.
Dieser laut Warema wasserabweisende Markisenstoff wird nach Augsburg gebracht, wo er in Trinkwalders Fabrik manomama zu bunten Rucksäcken und Taschen zusammengenäht wird – allesamt Unikate. Herstellungskosten: durchschnittlich 42 Euro.
Sieben manomama-Mitarbeiter in Augsburg machen „Brichbag“
Sieben der 150 Mitarbeiter seien derzeit mit Brichbag beschäftigt, sagte die 39 Jahre alte Unternehmerin, die wegen ihrer öko-sozialen Ausrichtung schon mehrfach ausgezeichnet worden ist. manomama gibt Menschen einen Job, die auf dem Arbeitsmarkt schlecht vermittelt werden können.
In diesem Sinne sei auch Brichbag zu verstehen, erklärt Trinkwalder: Hinter den Preisen der frei verkauften Brichbag-Rucksäcke stecke keine auf Gewinn ausgerichtete Kalkulation. Sie wisse nicht, „ob sich das alles rechnet“.
Gewinn ist nicht wichtig
Das sei ihr aber auch nicht wichtig. Sie gründe nie Unternehmen, um Geld zu verdienen. Um Brichbag anzuschieben, habe sie 500 Rucksäcke für die Obdachlosen aus eigener Tasche bezahlt.
Trinkwalder fährt nach eigener Aussage selbst in Deutschland herum, um Bedürftigen die Brichbag-Waren zu übergeben. Dazu arbeite sie vor Ort mit Obdachloseneinrichtungen zusammen. In den nächsten zwei Jahren will Trinkwalder ungefähr 50 000 Brichbag-Rucksäcke und -Taschen herstellen lassen. Die Stücke, die an die Obdachlosen gehen, sind unter anderem mit Hygieneartikeln, Trockenfrüchten und Instant-Kaffeepulver gefüllt. Diese Produkte stellen sechs Firmen zur Verfügung, mit denen Trinkwalder für Brichbag zusammenarbeitet. Überhaupt sei in der Firmenwelt die Resonanz auf die Aktion „großartig“. Weitere Partner hätten sich schon angeboten – darunter Hersteller von Handcremes und Regenschirmen. Andererseits seien auch schon Interessenten abgesprungen als sie erfuhren, dass es um Obdachlose geht.
Für Warema ist noch ein Aspekt wichtig
Für Warema hat Brichbag neben dem sozialen Engagement einen ökologischen Vorteil: Was eigentlich auf den Müll wandern würde, wird noch verwendet. 42 Tonnen Markisenstoffreste fallen nach Firmenangaben jedes Jahr an. „Daher freuen wir uns sehr darüber, dass unsere Stoffverschnitte durch Brichbag weiterverwertet werden und wir uns so gemeinsam für Menschen und die Umwelt engagieren können“, sagte Warema-Chefin Angelique Renkhoff-Mücke. „Ökologie und soziales Engagement liegen mir sehr am Herzen.“
Mich würde interessieren welche Firmen abgesagt haben, als sie gehört haben das dies Projekt für Obdachlose ist. Da diese nur an ihre eigenen "Taschen" denken, möchte ich diese Firmen nicht mit meinem eigenen Einkauf auch noch eventuell bereichern.
Jürgen Haug-Peichl
Chefreporter Wirtschaft
Main-Post