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OSTHEIM
Zurück zur Unschuld
Bionade: Vor einem halben Jahr hat sich die Gründerfamilie Kowalsky von der Kultbrause getrennt. Mit neuen Werbespots und Aktivitäten in sozialen Netzwerken sucht die Marke nun Stabilität.
Anders erfrischen: Szene aus einem der neuen Bionade-Werbespots.
Foto: Bionade | Anders erfrischen: Szene aus einem der neuen Bionade-Werbespots.
Von unserem Redaktionsmitglied Gerhard Fischer
 |  aktualisiert: 16.12.2021 10:59 Uhr

Aufgeschreckt flattern die Hühner durch den Stall, die Buben in kurzen Hosen treiben sie hinaus auf die Straße irgendeines Dorfes in Ungarn. Ein paar Kameraschnitte weiter, und eine Hand zupft eine vollreife Holunderbeerentraube. Dann fährt ein alter, grüner Bulldog durch die Rhöner Landschaft zwischen Weisbach und Ginolfs. Auf der Ladefläche hängen die Lippen von drei glücklichen Kindern an ihren Bionade-Flaschen. Auf dem Schlussbild prangt der Schriftzug „Anders erfrischt besser – Bionade“.

Authentisch, lebensfroh, witzig, naturverbunden: Das ist die Stimmung, die der Werbespot zum Ostheimer Kultgetränk verbreiten soll.

Interview mit Bionade-Chef Christian Schütz

Ein anderer Spot flimmert seit einigen Tagen im Privatfernsehen über die Bildschirme: Großstadtbewohner häkeln Decken um Autos, Ruderboote oder Pfosten herum, gärtnern gedankenversunken inmitten von Wohnblocks, und wieder erscheinen die Holunderbeerentraube und der grüne Traktor. Verrückt, leicht subversiv, unangepasst: Wer heutzutage Mainstream werden will, der darf sich nicht zum Mainstream rechnen.

Ein halbes Jahr ist fast vergangen, seit sich die Gründerfamilie Kowalsky von ihren Bionade-Anteilen getrennt hat und die einstige Kultbrause komplett an die Radeberger-Gruppe und damit an den Dr.-Oetker-Konzern gegangen ist. Das hat für Schlagzeilen gesorgt. Und für einiges an Unruhe. Nicht nur bei den 150 Mitarbeitern des Ostheimer Unternehmens und in der Branche überhaupt, sondern auch bei den Kunden.

Und die sind mitunter kritisch. Es gibt Fundamentalisten unter den Bionade-Freunden, die es nicht verschmerzen können, dass der kleine, aber politisch korrekte Revolutionär aus der Rhön unter das Dach eines Brau-Giganten geschlupft ist, auch wenn der die Bodenständigkeit und regionale Verwurzelung seiner einzelnen Getränkemarken betont.

Gentechnikgegner waren die Ersten, die in Internetforen oder in Social-Media-Netzwerken Kritik an dieser Konstellation übten, weil sich Bionade gegen Gentechnik ausspreche, der Oetker-Konzern aber nicht in allen Sparten. In der Ökoszene bildete sich eine gewisse Front gegen Bionade, deren Konzernzugehörigkeit für Hardliner wohl gegen ein moralisches Reinheitsgebot verstößt.

In die sozialen Netzwerke investiert die Werbeabteilung von Bionade deshalb durchaus. Der eigene Facebook-Auftritt ist für ein jugendaffines Unternehmen wie Bionade natürlich eine Selbstverständlichkeit. Dort begegnen die Seitenbetreuer auch der einen oder anderen Kritik und versuchen, den Ökocharakter der Rhöner Biobrause herauszustellen.

Noch tiefer in die Szene begeben sich die Marketingstrategen in Ostheim mit ihrem Auftritt in Netzwerken wie zum Beispiel Utopia, deren Nutzer sich auf verschiedene Weise um eine Politik und Wirtschaft der Nachhaltigkeit bemühen. Dort gibt es Nutzer, die Bionade offenbar sehr genau auf die Finger schauen wollen. So fragt der User „JayEischorn“ nach einem Nachhaltigkeitsbericht, der schon für 2010 angekündigt war, sowie nach dem Anspruch, schwerpunktmäßig regionale Produkte anzubauen. All diese und ähnliche Fragen beantwortet das Bionade-Team, und es wird nicht müde davon zu schreiben, dass sich auch durch die Übernahme durch Radeberger die Grundwerte des Ostheimer Unternehmens nicht ein Jota geändert hätten.

Unterdessen rückt Bionade in der Metropole Stuttgart etwas ins Rampenlicht. Dort soll die Rhöner Limo in den städtischen Kantinen sowie dem Rathaus, also für rund 1500 Kunden täglich, aus den Regalen verbannt werden. Weil sie „nicht mehr 100 Prozent Bio“ sei, wie eine Stuttgarter Tageszeitung eine anonyme Rathaus-Stimme kolportiert. An die Stelle von Bionade soll eine Allgäuer Biobrause treten. Allerdings bringt der Zeitungsbericht den Lieferantenwechsel mit einer bündnisgrünen Seilschaft zwischen dem Produzenten und einem Rathausverantwortlichen in Verbindung. Vielleicht doch eher Lokalposse denn Fundamentalkritik am Rhöner Radeberger-Zuwachs.

Die wirklichen Schlachten um die Marktanteile im Biobrausen-Sektor, den sich immer mehr Firmen streitig machen, werden dann doch an der Werbefront geschlagen. Und da stellt sich Bionade mit den beiden neuen Spots markant auf. „Guerilla Knitting“ und „Urban Gardening“ spielen eine Hauptrolle in den beiden Spots. „Untergrundkämpferisches Häkeln“ und „Großstädtisches Gärtnern“ sind Trendvokabeln einer gleichermaßen systemkritischen wie witzigen und quasinostalgischen Bewegung, die es ernst meint mit einem ökologischen Anspruch, sich aber nicht allzu ernst nimmt.

Bionade-Geschäftsführer Christian Schütz erhofft sich große Resonanz von den Spots. „Das offizielle Getränk einer besseren Welt“ ist dem Werbe-Claim „Anders erfrischt besser“ gewichen. „Bionade ist anders in der Herstellung, im Geschmack und in seinem Werdegang“, so Schütz. „Ja, wir wollen neue Zielgruppen ansprechen. Wir glauben aber, dass Bionade dazu nicht aus Schubladen, Ecken oder Nischen heraus muss. Bionade ist bunter, als man denkt“, sagt Schütz.

Immerhin: 2011 konnte die Talfahrt bei den Absatzzahlen wieder gestoppt werden, Bionade liegt deutlich über den Verkaufszahlen von 2010. Ob die schrägen Werbespots aus den letzten Jahren daran mitgewirkt haben, kann nur vermutet werden. Vielleicht geben die neuen Trailer im nächsten Jahr die Antwort. In den neuen Spots ist jedenfalls viel Rhön zu sehen. Die gehört zu keinem Konzern. Mal schauen, ob die alte Liebe der Kunden zur Ostheimer Brause weiter aufgefrischt werden kann.

Kultgetränk und Konzerntochter

Bionade hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Die Biobrause wurde im Jahre 1995 vom Braumeister Dieter Leipold aus Ostheim erfunden. Die Familien Leipold und Kowalsky waren damals Eigentümer der zu dieser Zeit vor der Insolvenz stehenden Peter Brauerei in Ostheim/Rhön. Jahrelang verkaufte sich das Getränk nur schleppend. Die Wende kam, als sich die Bionade in Hamburger Kneipen zum Szene-Getränk entwickelte und so ihren Siegeszug in der großstädtischen, ökologisch orientierten Gesellschaft antrat. Im Windschatten des Bionade-Erfolgs bringen Getränkehersteller eine Reihe von Nachfolger-Produkten auf den Markt. Im Jahr 2009 stieg die zum Dr.-Oetker-Konzern gehörende Radeberger-Gruppe bei Bionade ein, seit März 2012 ist sie alleiniger Eigentümer, nachdem die Familie Kowalsky ihre restlichen 30 Prozent Anteile veräußert hat. Nach einem Umsatzeinbruch infolge einer massiven Preiserhöhung stabilisiert sich Bionade nun wieder. Das Biogetränk zeige, so Radeberger-Chef Albert Christmann, eine erfreuliche Entwicklung.

ONLINE-TIPP

Ein Interview mit Bionade-Chef Christian Schütz über die Image-Arbeit des Unternehmens unter www.mainpost.de/wirtschaft

 
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