Fachhochschulen wird nachgesagt, dass sie näher am Berufsalltag seien als die stärker auf Forschung ausgerichteten Universitäten. Die Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt (FHWS) mit ihren gut 9000 Studenten stellt das mit einem besonderen Angebot unter Beweis: Unternehmen können das Wissen der auch unter dem Namen Hochschule für angewandte Wissenschaften bekannten Einrichtung für ihre Zwecke intensiv anzapfen.
Was zum Vorteil für beide Seiten sein soll: Das auftraggebende Unternehmen bekommt ein Problem gelöst, die FHWS wird dafür bezahlt und kann oft Erkenntnisse samt eingesetzter Technik weiternutzen. Ein Geschäft mit stattlicher Dimension: Nach den Worten von Roland Ulsamer und Jürgen Hartmann bekommt die Hochschule pro Jahr Aufträge von Firmen im Gesamtwert von acht Millionen Euro.
Ungefähr die Hälfte davon sind reine Auftragsarbeiten, die ein Unternehmen komplett aus eigenem Etat finanziert. Die Ergebnisse bleiben dann im Unternehmen. Die andere Hälfte sei Auftragsforschung, in die Fördergelder der öffentlichen Hand einfließen, weil die Erkenntnisse der Allgemeinheit dienen sollen, erklärt Ulsamer. Der 57-Jährige ist Leiter des FHWS-Campus Angewandte Forschung und damit Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Hochschule. Sein Kollege Hartmann (53) ist Vizepräsident der Hochschule. 80 Mitarbeiter haben an der FHWS mit Auftragsforschung zu tun.
Roland Ulsamer: Da fällt mir ein aktuelles Projekt bei der Firma Jopp in Bad Neustadt ein, das mit Elektromobilität zu tun hat. Das Unternehmen hatte das Problem, dass um die Mittagszeit immer Stromspitzen auftraten, die ja immer sehr teuer sind und abgefangen werden mussten. Das Problem konnte abgefangen werden, indem Elektroautos für die Mitarbeiter angeschafft wurden, die morgens im Unternehmen geladen werden, aber in den Stromspitzen den Strom zunächst wieder abgeben, um anschließend wieder geladen zu werden. So ist das für das Unternehmen kostengünstiger.
Ulsamer: In Gesprächen mit den Wirtschaftsförderern in der Region haben wir den Eindruck gewonnen, dass unser Wissen und das, was wir tun und wie wir unterstützen können, noch gar nicht so richtig angekommen sind. Uns ist klar geworden, dass wir mit Marketing noch stärker auftreten müssen.
Ulsamer: Ganz einfach: die Unterstützung bei Problemen und Themen, die es in den Unternehmen gibt. Aufgreifen darf ich da eine Studie, die vor einiger Zeit in der Main-Post zu lesen war. Demnach ist die Digitalisierung in den Unternehmen der Region noch gar nicht richtig angekommen. Wir haben in nahezu allen unseren Fakultäten Kompetenzen, die das Thema unterstützen könnten. Das müssen wir bekannter machen.
- Lesen Sie auch unser großes Extra zur Digitalisierung in Mainfranken
Jürgen Hartmann: Wir haben auch Projekte, die für Kleinstunternehmen sinnvoll sind. Insbesondere im Bereich Betriebswirtschaftslehre oder Marketing. Da kann man auf jeden Fall auf uns zukommen. Wir können Themen in diesem Bereich in einem ersten Schritt im Rahmen einer Bachelor- oder Masterarbeit völlig kostenneutral für die Firmen bearbeiten lassen.
Ulsamer: Sehr oft ist es so, dass wir Firmen auf Veranstaltungen kennenlernen. Zum Beispiel, wenn der Landrat oder der Oberbürgermeister auf Firmenbesuchen sind. Da wird dann oft klar, wo Probleme der Unternehmen sind und wo wir Unterstützung leisten können.
Hartmann: Vieles ist auch Mund-zu-Mund-Propaganda. Hier ist das Technologietransferzentrum Elektromobilität in Bad Neustadt zu nennen. Dieses Institut unserer Hochschule hat sich in den acht Jahren seit seiner Gründung einen derartigen Ruf erarbeitet, dass viele Firmen auf dieses TTZ zugehen, um Themen im Bereich Elektromobilität bearbeiten zu lassen.
Ulsamer: Hier gibt es grundsätzlich zwei Möglichkeiten. Zunächst ist zu prüfen, ob es für die Arbeit eine Förderung aus dem öffentlichen Bereich gibt – also Bundesmittel, Landesmittel. Diese Töpfe versuchen wir auszuschöpfen, um die Kosten für die Unternehmen gering zu halten.
Ulsamer: Das machen wir.
Hartmann: Auch die Antragsstellung machen wir. Das Unternehmen muss nur die Daten liefern.
Ulsamer: Falls wir feststellen, dass es keine Fördertöpfe gibt, müssen wir das Kalkulieren anfangen. Wir müssen alle Kosten, die mit dem Projekt in Zusammenhang stehen, ansetzen. Dann gibt es unterm Strich eine Summe X. Das ist dann das Angebot an das Unternehmen.
Ulsamer: Das kann sein, dass sich die Summe im untersten vierstelligen Bereich bewegt. Kann aber auch in den niedrigen sechsstelligen Bereich gehen. Das kommt natürlich immer darauf an, wie umfangreich das Ganze ist. Der größte Anteil, den wir in Rechnung stellen müssen, sind die Personalkosten. Wenn ich jemanden wegen eines Projekts zum Beispiel für drei Jahre einstellen muss, dann überschreite ich da ja schon den unteren sechsstelligen Bereich.
Ulsamer: Wir versuchen immer, schnell zu sein. Dazu muss man wissen: Jedes Mal, wenn hier irgendetwas für Unternehmen entwickelt wird, geht es am Ende um die Nutzung von Rechten. Das zu klären, ist in vielen Fällen der erste Schritt. Egal, ob öffentlich gefördert oder nicht: Wir versuchen natürlich, die Ergebnisse, die wir haben, im Rahmen der Lehre weiterverwenden zu dürfen. Da müssen wir uns mit den Unternehmen erst einmal einigen, bevor wir zur Tat schreiten. Es müssen also erst mal die ganzen Grundlagen geregelt sein, die Kalkulation muss genehmigt werden, ein Vertrag muss vorliegen. Das geht nicht von heute auf morgen. Aber in der Regel schaffen wir so was in vier Wochen.
Ulsamer: Da kann ich ein Beispiel einer öffentlich geförderten Arbeit nennen. Dabei geht es um ein Unternehmen in der Fleischindustrie, das sich Gedanken macht über den Einsatz von Künstlicher Intelligenz und Robotik. Dann hieß es: Hochschule, untersuche mal, wie beides für uns als Unternehmen zusammengehen könnte.
Hartmann: Häufig geht es bei solcher Auftragsforschung darum, den Produktionsprozess kurzfristig zu optimieren, die Effizienz oder die Qualität zu steigern. Bei Digitalisierung im Allgemeinen haben die Firmen in der Region meiner Meinung nach einen Nachholbedarf. Insbesondere, wenn es darum geht, einen bestehenden Maschinenpark an das Internet of Things anzubinden. Da können wir mit unserer Kompetenz unterstützen. Es laufen bereits Drittmittelprojekte, bei denen es darum geht, Prozessdaten zu erfassen und sinnvoll zu nutzen sowie Maschinen, die aktuell noch nicht internetfähig sind, ans Internet anzubinden.
Der Betrieb an der FHWS ist wegen der Coronakrise bis voraussichtlich 20. April stark eingeschränkt. Roland Ulsamer ist dennoch für Fragen rund um die Auftragsforschung für Unternehmen erreichbar: caf@fhws.de