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Würzburg
Digitalisierung: Mainfranken hat noch Luft nach oben
Landauf, landab wiederholen Experten gebetsmühlenartig, wie wichtig für Unternehmen die Digitalisierung sei. In Mainfranken tut sich hier offenbar auffallend wenig.
In hochmodernen Betrieben wie hier in der neuen Ausbildungswerkstatt von Schaeffler in Schweinfurt ist Industrie 4.0 längst Alltag. Generell herrscht in Mainfranken aber offenbar noch deutliche Zurückhaltung bei der Digitalisierung.
Foto: Anand Anders | In hochmodernen Betrieben wie hier in der neuen Ausbildungswerkstatt von Schaeffler in Schweinfurt ist Industrie 4.0 längst Alltag.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 16.12.2021 12:00 Uhr

Industrie 4.0, Big Data, Künstliche Intelligenz: Das sind gängige Schlagworte für die Digitalisierung in Unternehmen. Sollte alles selbstverständlich sein, sagen Experten. Ist es aber nicht, sagt eine neue Untersuchung der Universität Würzburg. Kernaussage: In Mainfrankens Wirtschaft ist die Digitalisierung alles andere als selbstverständlich.

Es mag ein schwacher Trost sein, aber die Region reiht sich da in einen bundesweiten Trend ein. So war vor wenigen in der "Welt am Sonntag" zu lesen, dass der deutsche Mittelstand im internationalen Vergleich hinterher hinkt. Die Zeitung beruft sich auf eine Studie der WHU Otto Beisheim School of Management in der Nähe von Koblenz.

Diese private Hochschule will herausgefunden haben, dass "lediglich eine Minderheit der Familienunternehmen" im Land digital ausgerichtet sei, heißt es in dem Bericht. Selbst einfache IT-Werkzeuge wie Cloud Computing seien selten im Einsatz.

Dazu passt eine aktuelle Analyse der Uni Würzburg in Zusammenarbeit mit der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt. Marcus Fischer, Florian Imgrund und Axel Winkelmann vom Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsinformatik haben seit Juli vergangenen Jahres 48 meist mittelständische Unternehmen aus Handel, Dienstleistung und Industrie in Form von Interviews durchleuchtet. Ergebnis: Viele Firmen in Mainfranken haben bei der Digitalisierung deutlich Luft nach oben.

Haben untersucht, wie der mainfränkische Mittelstand in puncto Digitalisierung aufgestellt ist: Marcus Fischer (von rechts), Axel Winkelmann und Florian Imgrund.
Foto: Julian Kolb | Haben untersucht, wie der mainfränkische Mittelstand in puncto Digitalisierung aufgestellt ist: Marcus Fischer (von rechts), Axel Winkelmann und Florian Imgrund.

"Nur ganz wenige Unternehmen verstehen die Digitalisierung als strategische Komponente", urteilt Marcus Fischer. So stelle sich mancher Firmenchef handelsübliche Computer in den Betrieb und meine dann, das sei Digitalisierung. Irrtum. Fischer hat in seiner Analyse herausgefunden, dass 20 Prozent der befragten Unternehmen wenig Ahnung haben, was Digitalisierung wirklich bedeutet.

Was die Untersuchung bringen soll

Das zu ändern, sei der tiefere Sinn der Untersuchung, erklärt Frank Albert von der IHK in Würzburg. Eine Umfrage dieser Art habe es in der Region bislang nicht gegeben. Die Ergebnisse "geben uns ein erstes Gefühl" dafür, wie die vielen ratlosen Betriebe der Region von der Kammer bei der Digitalisierung unterstützt werden können.

Dabei müssen sie offenbar regelrecht zu den Futtertrögen getragen werden. Denn Albert zufolge sind Mainfrankens Unternehmen im bundesweiten Vergleich nicht besonders eifrig, wenn es darum geht, Fördermittel für die Digitalisierung ihres Betriebs zu beantragen. Es bleibe viel Geld ungenutzt, so Albert.

Wo es einen Überblick über Fördermittel gibt

Dabei biete doch die Bundesregierung mit ihrer frei abrufbaren Förderdatenbank einen guten Überblick, wo Unternehmer zum Beispiel für Investitionen in die Digitalisierung Fördermittel erhalten können. Die IHK hat auf ihren Internetseiten ein ähnliches Angebot.

Es sei ihm nicht klar, warum Mainfrankens Firmen so zurückhaltend sind, wenn es um solche Fördergelder geht, sagte Albert gegenüber dieser Redaktion. Marcus Fischer von der Uni Würzburg hat zumindest einen Ansatz: Die Verantwortlichen in den Betrieben seien derzeit so intensiv mit dem Alltagsgeschäft ausgelastet, dass sie für derlei fundamentale Fragen oft keine Zeit hätten.

Das bestätigt ein Blick in die Ergebnisse der Umfrage von Fischer und Kollegen, die dieser Redaktion  vorliegen. Demnach gibt die Hälfte der Unternehmen an, dass fehlende Ressourcen das größte Hindernis seien, konsequent in die Digitalisierung einzusteigen. Andererseits ist die Meinung weit verbreitet, dass Digitalisierung die Abläufe im Betrieb verbessern und den Vertrieb voranbringen können. Mit anderen Worten: Die Einsicht ist da, doch der erste Schritt bleibt häufig aus.

Wichtige Begriffe rund um Digitalisierung
Industrie 4.0, Big Data, Künstliche Intelligenz: All diese Schlagworte passen unter den Überbegriff Digitalisierung. Er bedeutet schlicht und einfach: Daten klug sammeln und klug auswerten, am besten überall im Betrieb und am besten durch Vernetzung aller Abteilungen.
Einfaches Beispiel: Schon jetzt stehen in vielen Betrieben Computer. Doch oft arbeitet Computer A für die Maschine A, Computer B für die Maschine B. Digitalisierung bedeutet, dass diese Computer miteinander Daten austauschen. Sensoren an den Maschinen sammeln solche Daten und tragen unter anderem dazu bei, die Produktion zu optimieren und Mängel an den Maschinen frühzeitig zu erkennen - was in Fachkreisen als vorausschauende Instandhaltung oder Predictive Maintenance bezeichnet wird.
Im Lager eines Unternehmens kann Digitalisierung bedeuten, dass von Robotern entnommene Waren per Chip sofort einen Bestellvorgang beim Lieferanten auslösen. Auch die Wartung von Maschinen aus der Ferne - also per Datenübertragung an den Computer oder das Smartphone des zuständigen Mitarbeiters - fällt unter Digitalisierung.
Industrie 4.0 ist mittlerweile ein aus der Mode gekommener Begriffe für die Produktion der Zukunft. Künstliche Intelligenz (KI) mit aus Daten "lernenden" Maschinen und Computern ist die Verfeinerung und gilt in der Wirtschaft als Schlüsseltechnologie. Big Data, Bots, Machine Learning oder Deep Learning beziehen sich auf Teilaspekte der KI.
 
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