
Vom Smart Home über virtuelle Shopping-Assistenten bis zur Industrie 4.0: Künstliche Intelligenz bahnt sich schon lange ihren Weg von der Science-Fiction in die Realität. Auch die Landwirtschaft bleibt davon nicht mehr unberührt. Das junge Würzburger Unternehmen Greenspin gestaltet ihre Zukunft mit. Der Schlüssel zur intelligenten Landwirtschaft: Datenanalyse.
Feldroboter zum Säen und Ernten, autonome Unkrautentferner und eine Schar Drohnen, die das automatisierte Treiben auf dem Feld überwacht: Die Visionen für eine digitalisierte Landwirtschaft der Zukunft sind vielfältig. Und lassen befürchten, dass die vergangenen Jahre der traditionellen Landwirtschaft bereits gezählt sind, denn für menschliche Fehlbarkeit scheint im Smart Farming kein Platz mehr zu sein.

Autonome Traktoren sind schon auf dem Markt, ein Start-up aus Stuttgart schickt derzeit einen intelligenten Unkrautjäter für Testfahrten aufs Feld und bei San Francisco eröffnete Anfang des Jahres die erste automatisierte Pflanzenfabrik, in der Roboter pro Jahr rund 26 000 Stück Blattgemüse heranzüchten sollen.
Auch das junge Unternehmen Greenspin gestaltet die Landwirtschaft der Zukunft mit. Doch von Robotern und anderen futuristischen Maschinerien ist in dem Büro am grünen Würzburger Hubland keine Spur. Greenspin setzt Künstliche Intelligenz zur Datenanalyse ein: Ein Algorithmus wertet Satellitenbilder, Wetter- und Bodendaten aus und erstellt daraus großflächige Agrarprognosen, aus denen sich Handlungsempfehlungen für Landwirte ableiten lassen.
Was Landwirte von der Greenspin-Arbeit haben
So kann zum Beispiel abgebildet werden, welche Nutzpflanze auf dem jeweiligen Feld wächst und welcher Ernteertrag dort in der nächsten Saison zu erwarten ist. Auf Grundlage dieser Auswertung können die Bauern dann unter anderem den Einsatz von Dünge- oder Pflanzenschutzmitteln optimal planen.
"Bis Robotik in der Landwirtschaft wirklich angekommen ist, wird es noch einige Jahre dauern", meint Greenspin-Geschäftsführer Sebastian Fritsch. Auch daran, dass Landwirte in Zukunft von Robotern ersetzt werden könnten, glaubt er nicht. „Das Aufgabenprofil dieser Menschen wird sich einfach sehr stark verändern.“ Das Ziel müsse es deshalb sein, nutzerorientierte Anwendungen zu schaffen, die Landwirten und anderen Akteuren der Branche „tatsächlich das Leben erleichtern“.
Wen Greenspin bedient
Nach seiner Gründung im Jahr 2013 arbeitete Greenspin daher zunächst an Software-Anwendungen, die Landwirten helfen sollten, die Bewirtschaftung auf dem Feld zu optimieren. Nach eineinhalb Jahren schlug das junge Unternehmen einen anderen Weg ein und definierte seinen Kundenkreis neu.

„Um an einzelne Landwirte direkt zu verkaufen, muss man größer aufgestellt sein, um einen guten Zugang zu den Betrieben herzustellen“, so Fritsch. Als Start-up fehlten dafür die Kapazitäten. Seither richtet sich Greenspin an übergeordnete Akteure der Branche. „Wir bedienen alle Firmen der landwirtschaftlichen Wertschöpfungskette, die wiederum den Landwirt als Kunden haben“, sagt der Greenspin-Chef. Dazu gehören zum Beispiel Firmen aus der Landtechnik, Saatgut- und Chemieunternehmen, aber auch landwirtschaftliche Behörden.
Was KI mit der EU-Agrarpolitik zu tun hat
Gerade dort werden unterstützende Technologien immer notwendiger: Strengere Auflagen für Agrarsubventionen in der EU-Politik verlangen auch eine flächendeckende Kontrolle dieser Auflagen. Bisher erfolgte die Kontrolle subventionierter landwirtschaftlicher Betriebe nur stichprobenartig.
Nach neuen Regelungen sollen in Zukunft jedoch 100 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzflächen regelmäßig überprüft werden, um sicherzustellen, dass die Betriebe die finanziellen Mittel ordnungsgemäß verwenden. Fritsch: „Das ist manuell überhaupt nicht mehr machbar. Deshalb bietet es sich an, mit den Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz Verfahren zu etablieren, die die Kontrolle für die Prüfbehörden automatisieren.“
Greenspin: Prognosen für Ernteerträge
Das Herzstück der Greenspin-Anwendung ist die algorithmusbasierte Datenanalyse. Satellitenbilder und Messungen von Wetterstationen oder Bodensensoren bilden die Grundlage für die Analyse landwirtschaftlicher Nutzflächen, aus der im nächsten Schritt Prognosen für Ernteerträge entstehen.
Der entscheidende Vorteil: Der Großteil dieser Daten ist frei verfügbar, zum Beispiel über die Europäische Weltraumorganisation ESA. „Open Data spielt eine riesige Rolle für den Einsatz und die Weiterentwicklung von Künstlicher Intelligenz. Vor allem für junge Unternehmen, die dadurch Zugang zu relevanten Daten bekommen, ohne sie teuer einkaufen zu müssen“, erklärt Fritsch und spricht dabei aus Erfahrung.
Trotzdem gebe es im Hinblick auf verfügbare Daten noch Verbesserungsbedarf. Für eine aussagekräftige Analyse benötigen Algorithmen Tausendgreene von stichhaltigen Trainingsdaten. Dazu gehören in der Landwirtschaft vor allem auch Angaben über die tatsächlichen Erträge, die oft nur schwer zugänglich sind. Zwar würden viele Ernte- und Verarbeitungsmaschinen diese Daten bereits aufzeichnen, sie aufzubereiten sei laut Fritsch jedoch oft schwierig. Schließlich müsste man auf jeden Betrieb einzeln zugehen, um an die Datensätze zu kommen.
Auch Algorithmen können irren
Auch Extremereignisse können zu Fehlprognosen der Algorithmen führen: „Ein Algorithmus kann nichts lernen, was er nicht kennt.“ Als Beispiel nennt Fritsch einen Fall aus dem vergangenen Jahr: Ein Kunde hatte Ernteertragsprognosen für die kommende Saison beauftragt. Greenspin setzte einen Algorithmus ein und trainierte ihn mit Daten aus den Jahren 2015 bis 2017 – gute Jahre für die Landwirtschaft. Mit Dürresommer 2018 rechnete weder das Unternehmen noch der Algorithmus: Dieser wusste die Ausnahmebedingungen nicht einzuordnen und machte dadurch Teile der Prognose unbrauchbar.
Auch ein Algorithmus kann also danebenliegen, wenn noch keine vergleichbaren Trainingsdaten vorhanden sind. Trotzdem ist der Greenspin-Geschäftsführer zuversichtlich, die Prognosen für 2019 seien bereits deutlich zuverlässiger: „Der Algorithmus lernt. Je vielfältiger die Eingangsdaten, desto besser wird er auch.“
Unsere Serie zeigt, was sich in Sachen Künstlicher Intelligenz in Mainfranken tut. KI gilt als ein Top-Thema der Zukunft - nicht nur in der Wirtschaft. Die Serie läuft in Zusammenarbeit mit der Universität und der Hochschule für angewandte Wissenschaften, beide Würzburg. Hintergrund ist das vom Bundeswirtschaftsministerium ausgerufene "Wissenschaftsjahr 2019". Nächste Folge: Wenn KI in die Chefetagen einzieht und bei Bewerbungen relevant wird. Wie ein Würzburger Unternehmen damit umgeht.
Start-up: Englischer Begriff für ein junges Unternehmen, das etwas Innovatives auf den Markt bringt. Eine einheitliche Definition gibt es nicht, doch nach überwiegender Meinung von Experten kann sich eine solche Firma fünf Jahre lang Start-up nennen. Danach ist sie ein herkömmliches Unternehmen. Bekanntes Ex-Start-up in Mainfranken ist die va-Q-tec AG, die Anfang der 2000-er Jahre ein noch nie dagewesenes Isoliermaterial auf den Markt brachte. (aug)