Internationale Standards für Nachhaltigkeit - in der Modebranche fehlen sie bislang. Laut einer Studie von McKinsey haben sich indes seit 2016 die Treffer zum Instagram-Hashtag #sustainablefashion verfünffacht. Und mehr als die Hälfte der Einkaufschefs in der Modebranche weltweit hält laut der Erhebung Nachhaltigkeit für eine der wichtigsten Geschäftsstrategien. Ökologische Aspekte fallen ebenso darunter wie soziale oder ethische. Ressourcenverbrauch, Einsatz von Chemie, unzulängliche Arbeitsbedingungen - spätestens seit dem großen Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza 2013 in Bangladesch weiß der Verbraucher, dass Billigproduktion und der schnelle Modezyklus zulasten von Arbeiterinnen, Umwelt und Klima gehen. Doch gibt es tatsächlich ein Umdenken in der Branche?
Längst hat sich der Kleiderkauf vom Bedarf entkoppelt. Laut Greenpeace kauft jeder Deutsche 60 Kleidungsstücke pro Jahr. Viele davon sind Billigkleider, die nach zwei- bis dreimal Tragen wieder in der Tonne landen. Jedes zehnte Kleidungsstück wird demnach nie oder nur einmal getragen. Aus Mode wird Wegwerfware, genau hier liege das Problem: Mode sei nicht für den kurzen Gebrauch gemacht, ihre Herstellung verbrauche viele Ressourcen, sagt Mara Michel.
Die Würzburgerin Designerin ist Geschäftsführerin des Designer Berufsverbands und sitzt in dessen Fachausschuss für Nachhaltigkeit in Berlin. "Es ist auch belegt, dass Massenware tonnenweise verbrannt wird. Das ist alles andere als nachhaltig", sagt Michel. "Ein wichtiger Schritt der Modeunternehmen wäre, weniger Kollektionen zu produzieren."
Zu wenig Förderung für junge Mode-Start-ups?
90 Prozent der in Deutschland verkauften Textilien stammen laut Umweltbundesamt aus dem Ausland. Die Mode-Industrie sei nach der Öl-Industrie die zweitschmutzigtse Industrie der Welt. Indische Baumwolle, gefärbt in Bangladesch, genäht in der Türkei – keine Seltenheit. Ökologisch produzierte, fair gehandelte und in Deutschland hergestellte Kleidung ist noch immer ein Nischenprodukt. In Großstädten wie Berlin, München oder Hamburg gebe es immer mehr kleine Modeunternehmen, die auch in Deutschland produzieren, sagt Mara Michel: "Aber junge Start-ups bekommen in Deutschland kaum eine Förderung." In anderen europäischen Ländern sei das anders. In Deutschland sei es sehr schwierig Produktionswege zu finden, sagt Michel, die junge Model-Labels gerne unterstützen würde, um die Szene besser zu vernetzen.
Die Schweinfurterin Mia Marjanovic, die in Berlin lebt, bloggt seit sechs Jahren über Nachhaltigkeit. Ihr Instagram-Account heylilahey hat 25 000 Abonnenten, über 3500 Menschen folgen ihr auf Facebook. "Im Jahr 2013 habe ich einen Shopping Ban gemacht, das heißt, ich habe sechs Monate überhaupt nichts gekauft, keine Mode und keine Kosmetik. Danach habe ich automatisch bewusstere Kaufentscheidungen getroffen und mich immer mehr für Nachhaltigkeit interessiert", sagt die Bloggerin. Sie empfiehlt allen: "Einfach mal mehrere Monate lang nichts kaufen und danach dem Motto von Vivian Westwood folgen: Buy less. Choose well. Make it last."
- Lesen Sie auch: Mehr Mode sollte fair sein
Nach einer repräsentativen Umfrage von YouGov im Jahr 2019 unter mehr als 2000 Bürgern sagen immerhin 51 Prozent, dass sie heute viel mehr auf Materialien achten als noch vor fünf Jahren. Jeder Fünfte (22 Prozent) denkt allerdings, dass "grüne" Mode nicht genauso ansprechend aussieht, wie konventionelle Mode. Der Anteil fairer Labels liegt laut Greenpeace im unteren einstelligen Bereich. Noch immer. Und was machen die großen Unternehmen aus der Region?
s.Oliver setzt auf nachhaltige Standards
Man lege derzeit einen starken Fokus auf nachhaltige Standards in den Bereichen Rohstoffe und Fasern, heißt es beimr Bekleidungshersteller s.Oliver mit Sitz in Rottendorf (Lkr. Würzburg). "Insbesondere nachhaltige Baumwolle und recyceltes Polyester stehen auf der Projektagenda. Zusätzlich wollen wir umweltschonende Herstellungsverfahren durch die Verminderung von Wasser-, Energie-, und Chemikalieneinsatz insbesondere im Denim-Bereich fördern", sagt Unternehmenssprecherin Verena Väth. Entsprechende Produkte sollen Anfang 2020 auf den Markt kommen. "Wir tun dies, weil wir als Familienunternehmen eine besondere soziale und ökologische Verantwortung haben."
Adidas verwendet nachhaltig produzierte Baumwolle
Adidas hat sich beim Thema Klimaschutz das Ziel gesetzt, die eigenen CO2-Emissionen jährlich um drei Prozent zu reduzieren. "Im Jahr 2018 haben wir unser Ziel deutlich übertroffen und unsere Emissionen gegenüber 2015 um 24 Prozent reduziert", sagt Stefan Pursche, Mediensprecher bei Adidas mit Sitz im mittelfränkischen Herzogenaurach bei Nürnberg. Ab 2024 wolle man dort möglichst nur noch recycelter Polyester verarbeiten. "Bereits heute beträgt der Anteil von recyceltem Polyester an der adidas-Bekleidung mehr als 40 Prozent", so Pursche. Darüber hinaus beziehe das Unternehmen zu 100 Prozent nachhaltig produzierte Baumwolle der „Better Cotton“-Initiative.
- Lesen Sie auch: So kann jeder Haushalt Energie sparen
Dennoch sind weder s.Oliver noch adidas bislang beim "Grünen Knopf" dabei. Bei dem neuen staatlichen Siegel für sozial und ökologisch nachhaltig hergestellte Textilien, das es seit September 2019 gibt und dem bislang 27 Unternehmen angehören, wird das gesamte Unternehmen auf Nachhaltigkeit überprüft. Einzelne Vorzeigeprodukte reichen nicht aus. Warum ist ein Modekonzern wie s.Oliver bislang nicht dabei ist? Die Unternehmenssprecherin verweist darauf, dass man dem Grünen Knopf grundsätzlich positiv und offen gegenüber stehe. "Aktuell prüfen wir die Teilnahme am Zertifizierungsverfahren", sagt Verena Väth.