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Leitartikel: Mehr Mode sollte fair sein
Von Claudia Kneifel claudia.kneifel@mainpost.de
 |  aktualisiert: 11.12.2019 14:59 Uhr

Ein T-Shirt für drei Euro, eine Hose für acht Euro. Während viele Dinge des täglichen Lebens Jahr für Jahr teurer werden, wird Kleidung immer billiger. So billig, dass viele ihre Kleider nur ein paarmal tragen, dann muss etwas Neues her, weil die Mode sich geändert hat oder die Teile schon wieder kaputt sind. Modeketten produzieren heute Kollektionen in immer kürzerer Zeit und bringen ständig neue Stücke in die Läden.

Spätestens seit dem großen Unglück in der Textilfabrik Rana Plaza in Bangladesch weiß der Verbraucher, dass die Billigproduktion und der schnelle Modezyklus zulasten von Arbeiterinnen, Umwelt und Klima gehen. Bessere Arbeitsbedingungen, faire Löhne, Verzicht auf Kinderarbeit und ökologische Mindeststandards – das will Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) mit einem freiwilligen Bündnis für nachhaltige Textilien erreichen. Den Zeitpunkt hat er gut gewählt. Es sind die Bilder aus Bangladesch, die vielen Verbrauchern immer noch im Kopf sind. Bei der Bevölkerung findet das Textilbündnis große Zustimmung. Die meisten Verbraucher sind gerne bereit, ein paar Euro mehr zu bezahlen, wenn sie die Gewissheit haben, dass Jeans und T-Shirts unter fairen Bedingungen produziert wurden.

Die Textilindustrie findet es nicht gut und sperrt sich. Mehr als die Hälfte der Firmen und Verbände, die Müller für das Bündnis gewinnen wollte, ist diesem nicht beigetreten, darunter auch der Gesamtverband Textil + Mode (t+m). Die Ziele seien nicht erreichbar, die Pläne des Ministers zu ambitioniert, lautet die Begründung. Umso wichtiger ist es, dass mittelständische Modeunternehmen Flagge zeigen und das Bündnis unterstützen. Etwa 19 Euro im Monat verdient eine Textilarbeiterin in Bangladesch. Die Arbeitsbedingungen sind denkbar schlecht: In Akkordarbeit und rund 16 Stunden am Tag müssen die Näherinnen Kleidungsstücke wie am Fließband produzieren, von beißenden Chemiegerüchen umgeben. Einen Betriebsarzt oder regelmäßige Gesundheitskontrollen gibt es so gut wie nie.

Die Menschen dort leiden für den Modegenuss in Europa. Dabei gibt es immer mehr Firmen, die faire Mode produzieren und verkaufen: Bleed Clothing, Zimtstern, Greenality, Armedangels oder Avocadostore, um nur einige zu nennen. Ein T-Shirt für drei Euro wird man bei diesen Unternehmen sicher nicht finden, dafür ökologisch korrekt hergestellte Ware. Damit Wegwerfen und Neukaufen nicht zum Prinzip wird, hilft Second-Hand-Ware. Warum nicht Kleiderkreisel im Internet unterstützen, selbst nähen, häkeln und stricken oder einen Kleidermarkt besuchen?

Solange die großen Modeketten die geforderten Standards nicht umsetzen, haben die Verbraucher kaum eine Wahl. Junge Mädchen kaufen dort, weil die Kleidung cool und angesagt und gleichzeitig für das Taschengeld erschwinglich ist. Würden die großen Textilunternehmen das Bündnis unterstützen, könnte die Kleidung pro Stück ruhig etwas teurer werden. Sie würde sicher trotzdem gekauft.

Doch mit einem freiwilligen Bündnis kann Müller die Konzerne nicht zur verbindlichen Mitwirkung drängen. Die Politik muss einen Schritt weiter gehen und die ökonomischen Rahmenbedingungen verändern. Ein Gesetz auf europäischer Ebene muss her. Dann wird ein Kleidungsstück hoffentlich wieder mehr kosten als eine Tasse Kaffee.

 
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