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Würzburg
Vorsicht mit dem "Webinar": Warum es teuer werden kann
Online arbeiten, lernen, diskutieren – während der Corona-Krise sind Webinare populär geworden. Doch Vorsicht: Das Wort ist geschützt. Würzburger Experten klären auf.
Webinare sind während der Corona-Pandemie zum beliebten Mittel geworden, aus der Ferne tauschen sich dabei mehrere Teilnehmer gleichzeitig aus. Wie hier im März, als der Bayerische Fußballverband viele hundert Ehrenamtliche digital darüber informierte, wie es in der Krise weitergeht.
Foto: Norbert Hohler (Screenshot) | Webinare sind während der Corona-Pandemie zum beliebten Mittel geworden, aus der Ferne tauschen sich dabei mehrere Teilnehmer gleichzeitig aus.
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 08.02.2024 11:06 Uhr

Die Corona-Krise hat verändert, wie wir uns treffen und miteinander reden. So sind in den vergangenen Monaten reihenweise Messen, Fortbildungen und ähnliche Termine abgesagt worden. An ihre Stelle sind digitale Formen der Kommunikation getreten - wie Video-Konferenzen oder Webinare.

Um dieses Kunstwort aus "Web" für Internet und "Seminare" kreisen nun irritierende Meldungen, wonach teuren Ärger bekommen kann, wer den Begriff "Webinar" in der Öffentlichkeit verwendet. Hintergrund: Das Wort ist seit 2003 beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) in München geschützt. Wer es widerrechtlich verwendet, kann abgemahnt und zur Kasse gebeten werden.

Das ist Medienberichten zufolge jetzt offenbar geschehen. Auch der auf IT- und Markenrecht spezialisierte Würzburger Anwalt Konstantin Malakas hat von Abmahnungen gehört. In seiner Kanzlei sei zwar noch kein Fall aufgeschlagen. Und den Wirbel um den Begriff Webinar hält er für  "Unfug". Doch auf die leichte Schulter nimmt Malakas mögliche Abmahnungen nicht.

Der Streitwert werde in solchen Fällen gerne mal auf 25 000 bis 50 000 Euro angesetzt, sodass für Betroffene 1000 bis 1500 Euro an Anwaltsgebühren fällig würden, sagt Malakas. Von Schadensersatz ganz zu schweigen: "Der ist denkbar."

Wer hinter der Wortmarke "Webinar" steckt

Ein gewisser Mark Keller war es, der im Juli 2003 "Webinar" als Wortmarke beim DPMA eintragen ließ. Über Keller und seine Beweggründe ist wenig bekannt. Nur so viel: Er war damals in Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur gemeldet. Für Fachanwalt Malakas ist entscheidend, "wie sehr dieser Herr Keller" Kanzleien einschalte, damit es zu einer Abmahnwelle kommt. Laut Patent- und Markenamt  wird Kellers Wortmarke von der Kanzlei Legispro in Wiesbaden vertreten.

Was ein IHK-Experte meint

Weil jener Mark Keller Fachkreisen zufolge sein Recht auf die Wortmarke in all den Jahren quasi nicht wahrgenommen hat, hält Rechtsanwalt Jan-Markus Momberg von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt eine Abmahnwelle für kaum erfolgreich. Sein Tipp: "Wenn man hundertprozentig sicher gehen will", dann sollten Unternehmen und Organisationen bis auf Weiteres bei ihren Online-Seminaren trotzdem auf den Begriff "Webinar" verzichten.

Fachanwalt Malakas hat die Erfahrung gemacht, dass Abmahnanwälte gerne auf kleine Betriebe losgehen, die juristisch und finanziell weniger gepolstert sind als Großunternehmen. Zwar sei derzeit eine Abmahnung in Sachen "Webinar" formal möglich und korrekt. Doch vor zweifelhaftem Hintergrund auf Geldeintreibung zu gehen, sei "nicht in Ordnung".

Der Wirbel könnte spätestens 2023 zu Ende sein 

Zweifelhaft seien die Abmahnungen wegen "Webinar" schon deshalb, weil das Wort mittlerweile in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen sei, sagen Malakas und Momberg. Es könne gut sein, dass ein Gericht bald eine Abmahnung deswegen abschmettert und dass die Eintragung beim DPMA gelöscht wird. Das unter der Registernummer 30316043 bei der Bundesbehörde hinterlegte Schutzrecht läuft andernfalls noch bis Ende März 2023.

Ähnliche Abmahnwelle gab es schon mal

Wellen von Abmahnungen durch Rechtsanwälte hat es immer wieder gegeben. So erinnert sich Malakas an den Hickhack um das Wort "Webspace" vor gut 20 Jahren – als das Internet seinen ersten Höhenflug in der breiten Bevölkerung hatte und "Webspace", also Speicherplatz für Internetseiten, außerordentlich gefragt war.

Nach Protesten gegen die vom bundesweit als Abmahner bekannten Münchener Anwalt Günter Freiherr von Gravenreuth angezettelte Welle wurde Anfang 2000 "Webspace" als Marke vom DPMA gelöscht. Es sei schon zu sehr in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, als dass das Wort noch schützenswert wäre, hieß es damals.

Vor drei Monaten gab es im Zusammenhang mit Corona schon einmal Irritationen um einen Begriff: Da warnte die IHK in Würzburg davor, bei selbst hergestellten Mund-Nasen-Masken von "Atemschutzmasken" zu sprechen. Das könne gegen das Medizinproduktegesetz verstoßen. Was "Webinar" angeht, herrscht bei der IHK Gelassenheit – obwohl sie selbst eine Reihe von Seminaren unter diesem Begriff anbietet, schon lange und erst recht seit Corona. "Wir sehen keine Veranlassung, den Begriff nicht mehr zu nutzen", sagt Sprecher Radu Ferendino.

 
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