Die Corona-Pandemie hat sich wie Blei auf das Leben in Deutschland gelegt. Die Menschen im Land rutschen in die Krise und damit auch in die Schulden – könnte man meinen. In Unterfranken ist das Gegenteil der Fall, wie Zahlen der Inkassoagentur Creditreform vom Dienstag zeigen. Sieben Fakten rund um die Überschuldung in der Region – und ihr Zusammenhang mit Corona.
1. Weniger Unterfranken mit großer Schuldenlast
Im Regierungsbezirk sind 6,2 Prozent der Menschen über 18 Jahre überschuldet. Diese Quote war seit 2004 noch nie so niedrig und ist zwischen 2010 und 2020 in der Tendenz permanent gestiegen. Am Untermain fiel der Rückgang im Vergleich 2020/2021 am deutlichsten aus, in den Landkreisen Main-Spessart und Schweinfurt am geringsten.
In Bayern liegt die Überschuldungsquote laut Creditreform bei 6,4 Prozent, in Deutschland bei 8,9. In beiden Fällen ist sie ebenfalls rückläufig im Vergleich zu 2020. Insgesamt standen in Unterfranken in 2021 rund 68 000 Menschen massiv und dauerhaft in der Kreide, 2020 waren es etwa 75 000 gewesen.
2. Corona hat positive Folgen
Dass die Schuldenlast der Menschen in Unterfranken im vergangenen Jahr vergleichsweise kleiner geworden ist, hängt laut Creditreform mit einem Effekt der Corona-Krise und vor allem der Lockdowns zusammen: Es wurde weniger eingekauft, weil das Leben heruntergefahren wurde. Selbst das gängige Ausweichen auf Online-Bestellungen habe nicht dazu beigetragen, dass die Menschen mehr Geld ausgegeben haben und deshalb eine außerordentliche Schuldengefahr bestanden habe, sagte Raymond Polyak, geschäftsführender Gesellschafter der Creditreform-Niederlassung in Würzburg.
3. Auf dem Land lebt es sich sorgenfreier
Der am Dienstag präsentierte Schuldneratlas für Unterfranken speist sich aus dem Datenbestand von Creditreform und zeigt eine Spreizung: In den Städten ist die Überschuldung der Menschen zum Teil deutlich höher als auf dem Land. So ist Aschaffenburg mit einer Quote von 10 Prozent Spitzenreiter, gefolgt von Schweinfurt mit 9,4. Würzburg liegt in dieser Rangliste mit nahezu 7 Prozent auf Platz vier.
Demgegenüber haben alle mainfränkischen Landkreise eine wesentlich niedrigere Überschuldungsquote. Schweinfurt liegt mit 4,5 Prozent sogar in der bayerischen Spitzengruppe.
Überhaupt die Dörfer: Das kleine Bieberehren im südlichen Landkreis Würzburg bringt es auf 1,6 Prozent, gefolgt von Rannungen (Lkr. Bad Kissingen) mit 1,9 und Burglauer (Lkr. Rhön-Grabfeld) mit 2,2 Prozent. Warum es sich in puncto Schulden auf dem Land sorgenfreier leben lässt als in den Städten, ist für Polyak nicht im Detail zu erklären.
4. Stadtteile sind wie Spiegelbilder
Etwa 6400 Menschen in Würzburg, 6000 in Aschaffenburg und 4300 in Schweinfurt galten 2021 als überschuldet. Parallel zu diesen Einzelschicksalen ergibt sich nach den Worten von Creditreform-Geschäftsführer Polyak ein Spiegelbild der Gesellschaft in diesen Städten. Denn zum Beispiel in der Schweinfurter Innenstadt beträgt die Überschuldungsquote 14 Prozent, in den nördlichen Stadtteilen mit eher besser betuchter Bevölkerung hingegen nur 4,9 Prozent.
Ähnlich ist das Bild in Würzburg. Im einstigen Arbeiterviertel Zellerau beträgt die Quote 10 Prozent – allerdings auch im benachbarten Villenviertel Steinbachtal. In der als Studenten-Stadtteil geltenden Sanderau wiederum ist die Quote mit 4,8 Prozent am geringsten in Würzburg.
5. Männer sind mehr in Gefahr als Frauen
"Männer gelten bei Finanzentscheidungen generell als risikofreudiger" als Frauen, heißt es im Schuldneratlas weiter. Hinzu komme, dass Männer im Querschnitt die Hauptverdiener in einem Haushalt seien und höhere Verantwortung bei den Finanzen übernähmen.
Mit der Folge, dass im vergangenen Jahr 7,5 Prozent der Männer in Unterfranken als überschuldet galten. Bei den Frauen sind es 4,5 Prozent. Diese Kluft habe sich "in den letzten Jahren manifestiert", so Creditreform. Immerhin stehe Unterfranken noch gut da: In Deutschland liegt die Quote bei Männern dem Report zufolge bei 11 und bei Frauen bei 6,8 Prozent.
6. Je älter, desto weniger Schulden
Menschen im Alter zwischen 30 und 39 Jahren sowie zwischen 40 und 49 Jahren (je 8,8 Prozent) sind am häufigsten überschuldet. Dann geht es bergab: Bis 59-Jährige kommen auf eine Quote von 6,3 Prozent, bis 69-Jährige auf 4,9 und ab 70-Jährige auf 2,2 Prozent. In fast allen Fällen sind diese Zahlen seit 2019 kleiner geworden, die Überschuldung ist also zurückgegangen.
Es könne sein, so Polyak, dass dieser Rückgang gerade bei den 30- bis 39-Jährigen darauf zurückzuführen sei, dass diese Altersgruppe die gängigen Investitionen rund um Familiengründung wegen der Corona-Krise tendenziell aufgeschoben hat.
7. Ausblick: schwierig
Ob der positiv zu sehende Rückgang rund um die Schuldenlast in der Bevölkerung 2022 anhalten wird, ist für Polyak "der Blick in die Glaskugel". Dem Report zufolge ist entscheidend, ob die Verbraucherinnen und Verbraucher im Land wegen Corona weiterhin zurückhaltend bleiben beim Konsum.
Gefährlich sei, dass die sogenannte weiche Überschuldung nach wie vor hoch sei. Mit anderen Worten: Immer noch viele Menschen stehen finanziell an der Kante der Klippe. Auch die landesweite Verteuerung von Wohnen und Energie sei ein brisanter Faktor.