
Es ist ein Thema mit sozialem Sprengstoff: In Deutschland sind knapp 5,9 Millionen Menschen überschuldet, stecken also in einer langwierigen und tiefen Finanzkrise. Der Bevölkerung im Raum Würzburg, Schweinfurt und in den anderen Landkreisen Unterfrankens geht es hier vergleichsweise gut. In den Städten hingegen sieht es anders aus.
Das sind die Kernaussagen des "Schuldneratlas Deutschland 2022", den die Wirtschaftsauskunftei Creditreform am Dienstag veröffentlichte. Demnach liegt der Kreis Schweinfurt im Vergleich der 410 Stadt- und Landkreise in Deutschland auf dem 4. Platz. Es folgen die Landkreise Würzburg (8.), Main-Spessart (23.), Rhön-Grabfeld (24.), Haßberge (46.), Bad Kissingen (60.) und Kitzingen (66.).
Würzburg, Schweinfurt und Bamberg: Die Städte liegen hinten
Anders sieht es in den Städten der Region aus. Würzburg liegt auf Rang 110, Schweinfurt auf Rang 269. In Mainfrankens Nachbarschaft ist die Diskrepanz ähnlich: Während Bamberg-Land bei der Überschuldung im bundesweiten Vergleich auf dem 16. Platz landet, findet man die Stadt Bamberg auf dem 101. Platz. Oder Aschaffenburg: Der Landkreis belegt Rang 82, die Stadt nur Rang 305.
Der Schuldneratlas zeigt also: Auf dem Land ist Überschuldung weniger ein Thema als in Ballungsräumen. So liegen der Main-Tauber-Kreis (44.) sowie die Landkreise Neustadt/Aisch-Bad Windsheim (50.) , Lichtenfels (74.), Fulda (100.) und Miltenberg (125.) deutschlandweit in der oberen Hälfte der Tabelle. Zum Vergleich: Die Stadt München belegt Rang 155, die Stadt Nürnberg 328.
Überschuldung: Welche Stadt am Tabellenende ist
Schlusslicht in Deutschland ist Bremerhaven mit einer Überschuldungsquote von 19,7 Prozent. Das bedeutet laut Creditreform: Fast jeder fünfte Erwachsene in der norddeutschen Stadt ist überschuldet. Im Bundesdurchschnitt liegt diese Quote bei 8,48 Prozent, in Landkreis Schweinfurt zum Beispiel bei 4,27. Der Kreis Eichstätt im Norden von Oberbayern ist mit 3,55 Prozent Spitzenreiter in Deutschland.
Wie im Rest des Landes sind die Quoten auch in Mainfranken seit 2017 tendenziell kleiner geworden. Die Zahl der überschuldeten Haushalte seien heuer bundesweit auf einem Rekordtief, teilte Creditreform weiter mit. Und das, obwohl seit Monaten die Kosten im Alltag in die Höhe schießen und immer mehr Menschen damit kämpfen, mit ihrem Geld überhaupt noch über die Runden zu kommen.
Überschuldung derzeit sehr niedrig: Warum das trügerisch ist
Der bundesweite Rückgang der Überschuldung um 4,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr sei "leider trügerisch", sagte der Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung, Patrik-Ludwig Hantzsch. Denn die Auskunftei rechnet damit, dass schon 2023 viele Menschen im Land wegen der Inflation und insbesondere wegen der extrem teuer gewordenen Energie rasch in die finanzielle Dauerkrise rutschen.
Nach Berechnungen der Creditreform-Tochter Microm laufen bis zu 19 Prozent der deutschen Haushalte Gefahr, ihre Rechnungen für Versorgungsleistungen wie Strom, Wasser, Gas und Wärme nicht sofort bezahlen zu können. Die Experten rechnen deshalb für das kommende Jahr mit einer deutlichen Verschlechterung der Verschuldungssituation in vielen Haushalten.
Dass die Überschuldungsquote zurzeit (noch) so niedrig ist, ist nach Einschätzung der Expertinnen und Experten auch eine Folge der Corona-Pandemie. Staatliche Hilfsprogramme, pandemiebedingte Einschränkungen der Konsummöglichkeiten, aber auch Vorsicht der Verbraucher angesichts der neuartigen Krise hätten zu einem sprunghaften Anstieg der Sparquote, aber auch zu ungewöhnlich starker Schuldentilgung geführt.
Der Haken bei der Sache: Nach einer Studie des Ifo-Instituts unter dem Titel "Inflation frisst Überschussersparnis" waren die Corona-Ersparnisse bereits Mitte 2022 wieder ausgegeben. Dank der Sparpolster hätten die Verbraucher in der ersten Jahreshälfte trotz Rekordinflation ihren Konsum ausweiten können, berichtete das Institut. Doch diese Phase sei nun vorbei.