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BRÜSSEL
Rekordstrafe gegen Google
Google       -  Die EU überzieht Google mit einer Rekord-Wettbewerbsstrafe wegen seiner Produkt-Anzeigen in Suchergebnissen.
Foto: Jussi Nukari, dpa | Die EU überzieht Google mit einer Rekord-Wettbewerbsstrafe wegen seiner Produkt-Anzeigen in Suchergebnissen.
Miriam Moll
 |  aktualisiert: 03.12.2019 09:49 Uhr

Ausnahmsweise dürfte es dem US-Internetriesen nicht viel Freude bereitet haben, am gestrigen Dienstag ganz oben in den Suchergebnissen seines Nachrichtendienstes zu stehen: Denn EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager machte Nägel mit Köpfen – und verpasste dem Konzern die Rekordstrafe von 2,42 Milliarden Euro. Sie ist das Ergebnis langjähriger Ermittlungen gegen den Suchmaschinenanbieter. Bereits 2010 startete Vorgänger Joaquín Almunia die Untersuchung, 2014 trat die Dänin seine Nachfolge an und machte den Fall zu einer ihrer obersten Prioritäten. Nach sieben Jahren hatte die Behörde mehr als 5,2 Terabyte an Suchergebnissen analysiert: „Das sind 460 Millionen Kopien meines Sprechzettels“, scherzte Vestager zur Verdeutlichung des riesigen Datenvolumens.

„Es würde wohl 17 000 Jahre dauern, bis ich das alles verlesen hätte.“ Die Genugtuung, den Fall damit aus ihrer Sicht hieb- und stichfest gemacht zu haben, war der früheren Wirtschaftsministerin anzumerken. Der Vorwurf: Google habe durch seine dominante Marktposition seinem eigenen Preisvergleichsdienst Google Shopping einen unfairen Vorteil verschafft. Mehr noch: Vestagers Behörde konnte nachweisen, dass „der am besten platzierte Wettbewerber im Durchschnitt erst auf Seite vier der Suchergebnisse von Google angezeigt“ wird.

Verbraucher orientieren sich statistisch gesehen aber vor allem an den ersten zehn Treffern: 95 Prozent aller Klicks entfallen nach Kommissionsangaben auf die höchstplatzierten Ergebnisse, mehr als ein Drittel der Nutzer öffnen den obersten Link. Dagegen klickt nur ein Prozent der Internetsurfer auf das erste Ergebnis der zweiten Seite. Für die Kommission war dies ein erstes Indiz, für eine Wettbewerbsstrafe aber brauchte es mehr.

Suspekt war der Kommission der plötzliche Aufstieg des Google-Preisvergleichsdienstes. Denn der einst auf Froogle getaufte Service war anfangs kaum erfolgreich. Unternehmensintern hatte man das Projekt 2006 fast schon abgeschrieben. Damals hieß es in einer internen Kommunikation: „Froogle läuft einfach nicht.“ Doch der Megakonzern wollte den Misserfolg nicht auf sich sitzen lassen und änderte, davon ist Wettbewerbskommissarin Vestager überzeugt, 2008 „grundlegend seine Strategie“. Bei Suchergebnissen wurde der eigene Dienst „systematisch an erste Stelle gesetzt“.

Dabei stellt Google dort direkte Links zu Verkäufern ein, echte Preisvergleichsportale tauchen erst weiter unten auf – für den Verbraucher praktisch unsichtbar. Der Effekt war überdeutlich. Allein in Deutschland stiegen die Zugriffe auf Google Shopping um das 35-fache, während die Aufrufe alternativer Dienste durch die deutlich schlechteren Platzierungen auf der Ergebnisliste um 92 Prozent zurückgingen. Der Suchmaschinenriese gab sich trotzig: Weder begünstige Google „eine spezielle Webseite“ noch „einen Verkäufer“.

Zudem wisse man, dass „Menschen normalerweise Links bevorzugen, die sie direkt zu den gewünschten Produkten führen und nicht zu Websites, auf denen sie die Suche noch einmal durchführen müssen“. Dass bei dieser Methode nicht immer der günstigste Preis für den Verbraucher abfällt, wurde in der Mitteilung Googles nicht berücksichtigt. Doch letztlich leiden darunter auch Unternehmen, fürchtete nicht nur die EU-Behörde. „Fairplay gilt auch für Google.

Der Konzern missbraucht seine Vorreiterstellung im Suchmaschinen-Geschäft und erschwert es Jungunternehmerinnen oder Startups drastisch, sich am Markt zu behaupten“, sagte der Vorsitzende der SPD im Europäischen Parlament, Jens Geier, dieser Zeitung.

Ähnlich sah dies auch der FDP-Europaabgeordnete Michael Theurer: Das europäische Kartellrecht müsse an die digitale Revolution angepasst werden. Der Grünen-Parlamentarier Sven Giegold forderte gar die Einrichtung einer gemeinsamen „Aufsicht für Digitalkonzerne nach dem Vorbild der europäischen Bankenaufsicht“. Der Konzern will nun prüfen, Einspruch gegen die Entscheidung aus Brüssel zu erheben. Dabei bleiben nur 90 Tage Zeit, die gestrige Entscheidung umzusetzen, sonst drohen weitere empfindliche Bußgelder – bis zu fünf Prozent des täglichen weltweiten Umsatzes.

Und Vestager läuft sich bereits für Runde zwei und drei warm. Die weiteren Ermittlungen gegen Google zum Werbedienst AdSense sowie gegen die Smartphone-Software Android seien „gut vorangekommen“ und wiesen auf einen Verstoß hin. Für die Wettbewerbskommissarin ist der Kampf gegen den Internetriesen noch längst nicht zu Ende.

Margarethe Vestager

Kultstatus: Schon mit der Steuernachforderung von 13 Milliarden Euro gegen Apple im September 2016 erreichte Margrethe Vestager so etwas wie Kultstatus. Jetzt legt sich die EU-Wettbewerbskommissarin kühl und konsequent auch mit dem US-Internetriesen Google an. Damit festigt die 49-jährige Pastorentochter aus Glostrup im Nordosten Dänemarks ihren Ruf als unerschrockene Streiterin gegen Monopole und Kartelle. Wer in der EU Geschäfte machen wolle, müsse sich an die Regeln halten, pflegt die Dänin bei solchen Entscheidungen zu sagen. In ihrer Heimat galt die studierte Wirtschaftswissenschaftlerin schon vor ihrem Wechsel nach Brüssel 2014 als starke politische Persönlichkeit. FOTO: dpa
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