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WÜRZBURG
Noell: Atomausstieg bringt Millionen
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 07.04.2020 11:26 Uhr

Deutschland steckt mitten in der Energiewende. Der damit verbundene Abschied von den Atomkraftwerken bis 2022 spült Unternehmen auch in Mainfranken stattliche Aufträge zu. Babcock Noell ist ein Beispiel dafür. Die traditionsreiche Würzburger Industrieadresse wird derzeit umgebaut, heißt in Kürze Bilfinger Noell, konzentriert sich dann auf den Bereich Nuklear – und damit vor allem auf den beim Abriss von Atomkraftwerken anfallenden Strahlenmüll.

Bilfinger will Noell noch näher heranholen

Wie der Mutterkonzern Bilfinger in Mannheim mitteilte, werde die Sparte Umwelttechnik aus Noell herausgenommen und zum 1. September in die neue Bilfinger Engineering & Technologies GmbH in Oberhausen eingefügt. Die Mitarbeiter bleiben aber in Würzburg. Die Zahl der Stellen werde geringfügig verringert. Die Sparte Umwelttechnik ist insbesondere auf die Abgasreinigung von Kraftwerken und Schiffen spezialisiert.

Umbau: Die meisten Jobs bleiben in Würzburg

Wie ein Bilfinger-Sprecher am Mittwoch auf Anfrage sagte, sind bei Noell in Würzburg etwa 300 Menschen beschäftigt – hauptsächlich Ingenieure. „Der allergrößte Teil“ der Arbeitsplätze – ungefähr 200 – beziehe sich auf die Bereiche Nuklear- und Magnettechnik.

Dass Noell bald statt Babcock dann Bilfinger im Namen hat, versteht der Konzern auch als Angleichung seiner Struktur. „Die Integration der vielen Tochterfirmen wird weiter vorangetrieben“, heißt es in einer Mitteilung. „Das machen wir nicht nur bei Noell“, ergänzte der Sprecher. Der Name von Noell werde in den nächsten Wochen geändert. Wann genau sei noch nicht klar, das hänge von Formalitäten ab.

Aufträge für 30 Millionen Euro bekommen

Wie sehr der Würzburger Bilfinger-Ableger jetzt schon von der Atomkraft profitiert, wurde vor wenigen Tagen klar: Noell erhielt zwei Aufträge im Gesamtwert von 30 Millionen Euro. Dabei geht es um den Bau einer Anlage für die Behandlung von Atommüll am aktiven Reaktor Hinkley Point im Südwesten von England sowie um eine Anlage in Schweden, wo abgebrannte Brennelemente eingelagert werden sollen.

Große Hoffnungen werden in Atommüll gesetzt

Wenn man diese 30 Millionen Euro mit dem sonstigen Geschäftsvolumen „der Noeller“ vergleicht, wird der Stellenwert von Atom und Atommüll klar: „Weniger als 50 Millionen“ und „mehr als zehn Millionen Euro“ betrage der aktuelle Jahresumsatz der Würzburger im Bereich Nuklear- und Magnettechnik, war aus der Bilfinger-Zentrale zu hören. Genauere Zahlen wurden nicht genannt. Aufträge wie die in England und Schweden versteht man im Konzern also als das helle Licht schlechthin am Noell-Himmel. Durch die Konzentration auf den Bereich Nuklear zum 1. September könne sich Bilfinger Noell dann „mit vollem Schwung“ auf dieses Metier stürzen, so der Konzernsprecher. Ob die Würzburger auch mit den verstrahlten Resten des Mitte 2015 abgeschalteten Atomkraftwerks in Grafenrheinfeld bei Schweinfurt zu tun haben werden, sei aber noch nicht klar.

Noell war schon beim Abbau von Atomkraftwerk beteiligt

Noell hat schon seit vielen Jahren mit Atomkraftwerken zu tun – sowohl was den Neubau als auch die Modernisierung oder den Abbau angeht. So sei das Unternehmen beispielsweise federführend beteiligt gewesen, als in den frühen 1990er Jahren das Atomkraftwerk in Niederaichbach bei Landshut beseitigt wurde. Heute bauen die Würzburger unter anderem Pressen, die mit Hochdruck strahlenden Abfall verkleinern, was dessen Transport und Lagerung effizienter macht. Auch Anlagen zur Dekontamination von verstrahlten Teilen, spezielle Schleusen zum Schutz vor Verstrahlung, Anlagen zum Reinigen von Prozesswasser oder Einhausungen für den Abbau von Nuklearanlagen liefert Noell ins In- und Ausland.

Die Firma sieht sich bei all diesen Spezialmaschinen als einer der führenden Anbieter.

Atom-Aus: Gut auch für andere

Darüber hinaus ist Noell nach eigenen Angaben auch in der Magnettechnik unterwegs. So habe zum Beispiel das renommierte Genfer Kernforschungszentrum CERN für seine Teilchenbeschleuniger supraleitende Magnete aus Würzburg bekommen. Auch die Forschungsanlage AIDA am Karlsruher Instituts für Technologie habe Noell einen Auftrag erteilt: Dort soll eine spezielle Kammer entstehen, mit deren Hilfe die Entstehung von Wolken und Regen noch genauer untersucht werden kann. Im Gegensatz zum Bereich Umwelttechnik bleibt die Magnettechnik auch nach dem 1. September bei Noell in Würzburg.

Von der Atomenergie und vor allem vom Atomausstieg in Deutschland profitiert freilich nicht nur Noell: So hat zum Beispiel auch die KL Krantechnik und Logistik GmbH in Gemünden (Lkr. Main-Spessart) einen Fuß in der Tür. Sie prüft vor allem Kräne in Atomkraftwerken – auch bei deren Abriss. Ein Millionengeschäft.

Noell in Würzburg

Mitte des 19. Jahrhunderts entstand aus einer von Matthias Noell betriebenen Schmiede heraus ein Unternehmen, das später im sonst von Hochschulen und Dienstleistern geprägten Würzburg als eines der wenigen im Bereich Schwerindustrie galt. Postkutschen, Eisenbahnwaggons und Stahlbrücken waren zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts das Hauptmetier des Noell-Werks, das lange seinen Sitz in der Nürnberger Straße hatte und 1974 ins Industriegebiet zwischen Würzburg und Veitshöchheim umzog. Spätestens dort war Noell dann einer der bekanntesten Industriearbeitgeber in der Stadt. Nuklear- und Magnettechnik sind bis heute die Schwerpunkte der Firma, die seit Oktober 2000 Babcock Noell heißt. Heute gehört die Babcock Noell GmbH zur Mannheimer Bilfinger-Gruppe, die bis 2012 als Baukonzern Bilfinger Berger AG bekannt war. Der Konzern spaltete sich auf, verabschiedete sich aus dem Bausektor und konzentriert sich heute auf Industriedienstleistungen – unter anderem auf die Planung, Fertigung und Wartung großer Anlagen.
 
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