
Trotz des Lockdowns steigen die Infektionszahlen in Deutschland weiter, deshalb steht jetzt auch verstärkt der Arbeitsplatz als potenzieller Ansteckungsherd in der Kritik. Politiker der Grünen und der Linken, aber auch Virologen fordern, Unternehmen bei Schutzmaßnahmen mehr in die Pflicht zu nehmen. Von einem verschärften Lockdown für die Wirtschaft ist gar die Rede.
Aus Mainfranken kommt Widerspruch: Regionalgeschäftsführer Frank Firsching vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) sagt, es gebe "keine Infektionsherde in den Fabriken". Die Forderungen seien rein politischer Natur und hätten mit der Praxis nichts zu tun. Gerade in Unternehmen mit Betriebsräten werde der Gesundheitsschutz besonders groß geschrieben, so Firsching auf Anfrage. Er sei eine der Kernaufgaben eines Betriebsrates.
Wie eine stichprobenartige Umfrage der Redaktion unter großen Arbeitgebern in Mainfranken zeigt, gilt der Arbeitsplatz bislang nirgendwo als größerer Infektionsherd. Weder bei ZF und SKF in Schweinfurt, noch bei der Edeka-Zentrale für Nordbayern, Sachsen und Thüringen in Rottendorf (Lkr. Würzburg) sind Fälle bekannt, bei denen sich Mitarbeiter während der Arbeit mit dem Coronavirus angesteckt hätten.
Bei Bosch Rexroth mit Sitz in Lohr heißt es, dass es an den fränkischen Standorten zwar "einzelne Krankheitsfälle oder Krankheitsübertragungen am Arbeitsplatz" gegeben habe. Aber "in allen Fällen konnten die Infektionsketten vollständig nachvollzogen und durchbrochen werden".
Eine große Sensibilität in den Unternehmen für den Schutz der Belegschaft sieht auch Hauptgeschäftsführer Ralf Jahn von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt. Die meist schnell entwickelten Hygienekonzepte würden überall konsequent umgesetzt: "Ich kenne keinen Unternehmer, der seine Verantwortung für den Infektionsschutz nicht ernst nimmt." Drohende Insolvenzen wegen der Corona-Krise seien für die Betriebe ein viel größeres Problem.
Im Zuge der politischen Forderungen richtet sich der Blick auch auf das mobile Arbeiten und das "Homeoffice": Die Möglichkeiten müssten ausgebaut werden, damit Beschäftigte nicht in dicht besetzten Büros sitzen oder in vollen Bussen zur Arbeit fahren müssten, war zuletzt häufig zu hören.
In der Produktion könne die Arbeit nur in der Fabrik verrichtet werden, erwidert ZF-Sprecher Michael Lautenschlager in Schweinfurt, wo der Autozulieferer rund 9000 Menschen beschäftigt. In anderen Bereichen wie Verwaltung oder Entwicklung würden bereits bis zu 70 Prozent der Belegschaft von zu Hause aus arbeiten. Im Herbst sei das mobile Arbeiten ausgeweitet worden.
Beispiel SKF: Homeoffice ausdrücklich empfohlen
Ähnlich ist die Lage beim Wälzlagerhersteller SKF mit 4000 Mitarbeitern in Schweinfurt. Eine Präsenzpflicht gebe es allein in der Produktion, von Fahrgemeinschaften zur Arbeit werde abgeraten. Für alle anderen Beschäftigten werde Homeoffice "ausdrücklich empfohlen", so Sprecherin Klara Weigand. Wo immer möglich, habe der überwiegende Teil der Betriebe "ohnehin schon lange auf mobiles Arbeiten umgestellt", lautet auch die Einschätzung von IHK-Chef Jahn.
"Wir haben eine extrem geringe Ansteckung", so SKF-Standortchef Martin Johannsmann am Dienstag. Bei der Virus-Verbreitung seien die Unternehmen "nicht das Hauptproblem". Er habe von seinen Beschäftigten zuletzt mehrfach die Rückmeldung bekommen, dass sie sich im Betrieb sogar sicherer fühlten als draußen auf der Straße.
Bei Edeka in Rottendorf gilt laut Sprecherin Stefanie Schmitt seit Dezember die Devise: "Homeoffice für die maximal mögliche Zahl an Mitarbeitenden." Ausgenommen seien nur Bereiche wie die Herstellung der Wursterzeugnisse sowie Teile der Logistik.
Doch Homeoffice ist bei Arbeitnehmern offenbar nicht immer erste Wahl – zwangsweise, wie Verdi-Bezirksgeschäftsführer Gerald Burkard aus Würzburg festgestellt hat. Dafür gebe es zwei Gründe: "Viele Arbeitnehmer haben nicht die Technik dafür. Und nicht alle Mitarbeiter haben zuhause Zugang zu stabilem Internet."
Wie es in Behörden aussieht
Wie ist die Lage für Mitarbeiter in Behörden? Die Regierung von Unterfranken hat nach dem ersten Lockdown 300 zusätzliche Laptops mit Software für den Zugang ins hauseigene System für ihre rund 800 Mitarbeiter angeschafft. "Bis zu 40 Prozent unserer Mitarbeiter arbeiten jetzt zeitweise zuhause", sagt Pressesprecher Johannes Hardenacke, der selbst abwechselnd im Homeoffice und im Regierungssitz in Würzburg ist. Dort habe man weitgehend auf Einzelbüros umgestellt.
Von den rund 3000 Mitarbeitern der Stadtverwaltung Würzburg arbeiten aktuell etwa 250 zuhause. Allerdings ist das auch nur bei gut der Hälfte prinzipiell möglich. Mitarbeiter der Müllabfuhr, der Kindertagesstätten oder des Bauhofs können das nicht. Auch im Rathaus gebe es Tätigkeiten, die Präsenz erfordern, so Personalreferent Robert Scheller: Dienstleistungen mit persönlichen Kontakten wie im Bürgerbüro oder Verwaltungstätigkeiten, die zum Beispiel die Einsicht in Akten oder Pläne erfordern.
Während die Würzburger Stadtverwaltung im ersten Lockdown Mitarbeiter freigestellt hat, wird jetzt im Rathaus der Betrieb unter Einhaltung von Abstands- und Hygienemaßnahmen sowie Maskenpflicht aufrecht erhalten. Das Ziel ist aber, die mobile Arbeit auszubauen: 360 zusätzliche Laptops werden dazu heuer angeschafft.

Der Mittelständler Gebrüder Reinfurt (GRW) in Rimpar (Lkr. Würzburg) versucht, Corona durch besondere Hygienemaßnahmen fernzuhalten. So konnten sich am Montag alle 380 Mitarbeiter testen lassen. "Bis die Ergebnisse vorliegen, wird bei uns mit FFP2-Maske gearbeitet", sagt Annegret Bischof, Leiterin der Personalabteilung. So wolle man verhindern, dass Mitarbeiter den Virus aus den Weihnachtsferien ins Unternehmen bringen.
Beim Kugellager-Hersteller gilt schon seit Frühsommer 2020 Maskenpflicht - sowohl an den 240 Arbeitsplätzen in den Produktionshallen, als auch für die 140 Büro-Arbeitsplätze. Während bei Reinfurt im ersten Lockdown fast die Hälfte der Verwaltungsmitarbeiter im Homeoffice waren, seien es jetzt nur 20 Prozent.
Stattdessen hat GRW das Hygienekonzept verschärft und setzt seit Januar auf eine neue Tracing-Technologie: Elektronische Anhänger, die beim Unterschreiten des Mindestabstands blinken und zudem Zeitdauer und Kontaktpartner registrieren. Durch die Kombination aller Maßnahmen erreiche man ein hohes Maß an Sicherheit bei gleichzeitiger Beachtung des Datenschutzes, so die Geschäftsführung.
Auch bei ZF, SKF, Bosch Rexroth und Edeka legt man nach eigener Darstellung großen Wert auf gängige Schutzmaßnahmen wie Maske, Abstand, versetzte Schichten, getrennte Ein- und Ausgänge oder häufiges Reinigen. Ebenso wichtig sei die Sensibilisierung der Belegschaft, "die Corona-Hygieneregeln auch im privaten Bereich einzuhalten", so der Hinweis von ZF-Sprecher Lautenschlager. Einhellige Meinung in den befragten Unternehmen zu den jüngsten Forderungen der Politik: Die Vorschriften für Betriebe zu verschärfen ist nicht notwendig.