zurück
WÜRZBURG
Lobo: Mittelstand braucht mehr Mut bei der Digitalisierung
Sascha Lobo beim Mainfränkischen Mittelstandstag       -  Netzexperte Sascha Lobo bei der IHK in Würzburg.
Foto: Daniel Peter | Netzexperte Sascha Lobo bei der IHK in Würzburg.
Das Gespräch führte Jonas Keck
 |  aktualisiert: 22.06.2022 09:33 Uhr

Der rote Irokesenschnitt ist das Markenzeichen des Internet-Gurus Sascha Lobo. Auf dem Mainfränkischen Mittelstandstag der Industrie- und Handelskammer hielt er einen Vortrag über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Unternehmen und die Gesellschaft. Wie sich der Mittelstand auf die Veränderungen einstellen sollte, verriet er uns.

Frage: Herr Lobo, wie weit ist der Mittelstand in Sachen Digitalisierung?

Sascha Lobo: Die Lage ist divers. Es gibt Teile des Mittelstands, die vorne mit dabei sind. Und es gibt andere Teile, die noch Luft nach oben haben. Das meine ich weniger in Bezug auf die Technologie, sondern was die Haltung angeht. Wenn man mit einem gestandenen fränkischen Unternehmer zwei oder drei Spätburgunder trinkt, dann kann es sein, dass er irgendwann sagt: Wir machen mit unserem Familienbetrieb seit Jahrzehnten zweistellige Renditen. Warum sollten wir etwas ändern?

Und was ist Ihre Antwort darauf?

Lobo: Erfolgsrezepte die die deutschen Unternehmen reich gemacht haben funktionieren in vielen Fällen noch. Aber es gibt keine Garantie, dass sie auch noch in fünf oder zehn Jahren aufgehen, wenn die Digitalisierung die Wirtschaft weitreichend verändert haben wird.

Anzeige für den Anbieter YouTube über den Consent-Anbieter verweigert

Lässt sich das an einem konkreten Beispiel aus der Region festmachen?

Lobo: Der Automobilzulieferer Brose in Würzburg ist so ein Unternehmen. Natürlich unterscheiden sich die Fahrzeugteile, die in einem Elektroautomobil verwendet werden massiv von einen Auto mit Verbrennungsmotor. Aus solchen Entwicklungen die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen, ist eine große Aufgabe. Insgesamt bin ich aber verhalten optimistisch, dass dem Mittelstand das gelingen wird.

Digitalisierung ist ein abstrakter Begriff. Was verstehen Sie darunter?

Lobo: Digitalisierung ist ein ständiger Prozess, aber es kommt eine neue Dimension dazu. Ich glaube wir steuern auf eine Zeit zu, in der digitale Plattformen die gesamte Wirtschaft prägen werden. Für mich ist die Digitalisierung immer der digitale Zustand, in dem man gerade noch nicht ist. Digitalisierung ist immer.

Dennoch war die Digitalisierung im Wahlkampf der Bundestagswahl eher ein Randaspekt.

Lobo: Digitalisierung ist kein Gewinnerthema. Wenn man ehrlich ist, muss man vielen Menschen sagen, dass sich ihr Job in den nächsten Jahren radikal verändern wird. So etwas hört im Wahlkampf niemand gerne. Und man muss ja nur versuchen 300 Meter außerhalb von Würzburg mit dem Handy ins Internet zu kommen. Unter vorgehaltener Hand wird jeder Regionalpolitiker bestätigen, dass es hier ein unfassbar riesiges Versäumnis gibt. Die digitale Infrastruktur ist erbärmlich. Man hat ihren Ausbau in Deutschland einfach verschlafen. Hier müssen Unternehmen die Politik stärker unter Druck setzten.

Wo können Unternehmer selbst ansetzte, um sich auf die Digitalisierung einzustellen?

Lobo: Einen Großteil der Jobs wird es in zehn Jahren nicht mehr in der Form geben, wie es sie heute gibt. Die Automatisierung treibt diese Entwicklung dramatisch voran. Damit diese Jobs nicht überflüssig werden, muss digitale Bildung und Weiterbildung stärker in den Köpfen der Unternehmer und deren Mitarbeiter verankert werden.

Was raten Sie jungen Menschen bei der Berufswahl?

Lobo: Macht das, woran ihr Freude habt. Die kommenden Entwicklungen sind schwer abzusehen und viele Prognosen haben sich im Nachhinein als falsch erwiesen. Natürlich könnte man jungen Menschen heute raten, Programmierer zu werden. Aber vielleicht kann künstliche Intelligenz in fünf Jahren auch Computerprogramme schreiben. Mit solchen Empfehlungen halte ich mich deshalb zurück.

Wie überzeugt man ältere Menschen vom digitalen Wandel?

Lobo: Ältere Leute sind keine Außerirdischen. Aber wir brauchen Anreize, die Menschen über 50 mit in die digitale Sphäre hineinziehen. Und da sind nicht nur die Privatwirtschaft, sondern auch die Gesellschaft und die Politik gefordert. Grundsätzlich geht es darum, Neugierde und Faszination durch Weiterbildung zu fördern. Man muss aber auch deutlich machen: Wenn ihr nicht mitmacht, dann geschieht die Digitalisierung eben ohne euch.

Das klingt hart.

Lobo: Wir brauchen diese Mischung aus Furcht und Faszination.

Sie sind auch als Strategieberater für mittelständische Unternehmen tätig. Mit welchen Problemen werden Sie dabei am häufigsten konfrontiert?

Lobo: Das lässt sich am besten mit einer Metapher erklären. Stellen Sie sich einen erfolgreichen Theaterbesitzer vor, der erfährt dass es seit neustem das Kino gibt. Jetzt filmt der Theaterbesitzer seine Vorstellungen ab und glaubt einen Film gedreht zu haben. Technisch stimmt das auch, aber er reizt nicht die gesamten Möglichkeiten aus. So ist das auch mit der Digitalisierung bei Mittelständlern. Sie müssen mit mehr Mut an die Digitalisierung herangehen und experimentierfreudiger werden.

Experimente können schiefgehen.

Lobo: Das ist richtig, deshalb braucht der Mittelstand eine eigene Fehlerkultur. Experimente müssen scheitern dürfen. Als Mitarbeiter bei einem unterfränkischen Mittelständler kann man sich seine Karriere ruinieren, wenn mal ein Projekt nicht gelingt. Deutschland ist ein Land der Perfektion.

Auch Ihr Irokesenschnitt steht heute wieder perfekt senkrecht. Was hält Ihre Mutter eigentlich von Ihrer Frisur?

Lobo: Meine Mutter ist eine begeisterte Anhängerin meines Haarschnitts. Sie hat sich überlegt, ob sie sich eine ähnliche Frisur machen soll, hat sich aber im letzten Moment dagegen entschieden.

Zur Person

Sascha Lobo wurde 1975 in West-Berlin geboren. Als Journalist, Blogger und Autor schreibt er vor allem über die Auswirkungen der Digitalisierung auf Gesellschaft, Wirtschaft und Kultur. Darüber hinaus ist er als Strategieberater für große und mittelständische Unternehmen tätig und hält Fach- und Publikumsvorträge.

Lobo studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und zuvor Publizistik sowie Lebensmittel-, Brauerei- und Biotechnologie in Berlin. keck

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Würzburg
Digitalisierung
Digitaltechnik
Irokesenfrisuren
Mittelstand
Mut
Sascha Lobo
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen