Das Wehklagen über den Lockdown kommt mittlerweile aus fast allen Ecken der mainfränkischen Wirtschaft. Doch am Dienstag veröffentlichte Zahlen sind nicht unbedingt die reine Horrorshow. Eher dominiert ein Flehen an die Politik: Viele Unternehmer sehnen sich nach einer Perspektive, wollen das Ende des Stillstands sehen.
Das wird es wohl so schnell nicht geben. Denn im Vorfeld des Corona-Gipfels der Länder mit der Bundesregierung an diesem Mittwoch deutet alles darauf hin, dass der Lockdown über den 14. Februar hinaus verlängert wird.
Doch wann genau kommt das Licht am Ende des Tunnels? Diese "fehlende Planungssicherheit" werde in der regionalen Wirtschaft als eines der größten Risiken angesehen, sagte am Dienstag Konjunkturexpertin Elena Fürst von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt.
Sie wies bei der Jahrespressekonferenz auf eine Angst gerade im florierenden Baugewerbe hin: Weil der Staat derzeit Milliarden an Hilfsgeldern verteilt und sich dadurch massiv verschuldet, könnte er bald keine finanzielle Puste mehr haben für öffentliche Aufträge. Schon deswegen sei im Bau das Barometer der Geschäftserwartungen zum Jahreswechsel auffallend deutlich abgesackt, so Fürst. Mit anderen Worten: Das dicke Ende für die Branche könnte noch kommen.
Den Einzelhandel in Mainfranken plagen andere Sorgen: Den IHK-Angaben zufolge erwarten 44 Prozent (Vorjahr: 20) der Geschäftsleute für 2021 eine Verschlechterung ihrer Lage. Die Zahlungsfähigkeit der Händler sei mitunter existenzbedrohend schlecht.
Die IHK stützt sich bei diesen Einschätzungen auf ihre turnusmäßige Konjunkturumfrage, an der diesmal 241 Unternehmen teilgenommen haben. Demnach ist die Konjunktur in der Region "drastisch eingebrochen", wie es Kammerpräsident Klaus D. Mapara ausdrückte. Die konjunkturelle Erholung vom Herbst sei zu Ende.
Dennoch "ist das Glas halb voll", denn einen bodenlosen Absturz habe es nicht gegeben. "Es hätte schlimmer kommen können", urteilte Mapara über das mainfränkische Wirtschaftsjahr 2020.
Über alle Bereiche hinweg finden 77 Prozent (Vorjahr: 91) der mainfränkischen Unternehmen, dass ihre Geschäfte derzeit gut oder zufriedenstellend laufen. Fast jeder dritte Betrieb rechnet mit einer Verschlechterung, etwa jeder fünfte mit einer Verbesserung.
Im Sonnenschein steht die Industrie da, die nach Monaten der Tristesse nach Ansicht von Mapara wieder treibende Kraft in der Region geworden ist. Das liegt laut IHK daran, dass die Nachfrage aus dem In- und Ausland deutlich angezogen habe. Weil es daneben aber arg darbende Bereiche wie Gastronomie oder Tourismus gebe, sprach Mapara am Dienstag von einer "tief gespaltenen Wirtschaft" in der Region.
Vier-Stufen-Plan: Was die Gastronomie von der Politik will
Apropos Gastronomie: Dort recken sich die Hände immer intensiver nach dem rettenden Strohhalm. So haben die Landesverbände Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz im Branchenverband Dehoga vor wenigen Tagen einen Vier-Stufen-Plan im Umgang mit dem Lockdown vorgeschlagen. Demzufolge sollen Gastronomie und Hotellerie schrittweise wieder öffnen dürfen – in Abhängigkeit von der Sieben-Tage-Inzidenz.
Liegt die Inzidenz zum Beispiel bei 75 oder darunter (Stufe 1), dann sollten die Außengastronomie und die Beherbungsbetriebe wieder starten dürfen. Bei einer Inzidenz von 20 und weniger (Stufe 4) schlägt der Dehoga die Öffnung von Clubs und Diskotheken vor. Der Verband kündigte an, den Stufenplan der Bundesregierung und den Länderchefs für den Corona-Gipfel an diesem Mittwoch vorzulegen.
Gewerkschaft NGG: 1200 Euro Mindest-Kurzarbeitergeld
Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) forderte am Dienstag zusammen mit der Gewerkschaft Verdi von der Bundesregierung ein Mindest-Kurzarbeitergeld von 1200 Euro im Monat. "Die Beschäftigten wissen nicht mehr, wie sie ihre Miete bezahlen sollen. Ihre letzten Reserven sind längst aufgebraucht", wird Unterfrankens NGG-Geschäftsführer Ibo Ocak in einer Mitteilung zitiert.
Der IHK-Umfrage zufolge hat die Corona-Krise auch Positives: So gaben 16 Prozent der Unternehmen an, dass er zu einem Kreativitätsschub in der Belegschaft geführt habe. Allerdings sehen 12 Prozent für sich die Gefahr einer Insolvenz.