Eine Besonderheit des Handwerks ist wieder in die Schlagzeilen gekommen: der Meisterbrief. Mit Ausnahmen gilt: Nur wer ihn hat, darf sich als Handwerker selbstständig machen. Bis 2004 war diese Regel zementiert, dann wurde die Handwerksordnung gelockert. Seither ist in 53 von 94 Berufen der Meisterbrief nicht mehr Pflicht.
Die Kritiker dieser Regelung sind bis heute nicht verstummt. Kürzlich lehnte sich der Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks (ZDH), Hans Peter Wollseifer, mit der Forderung aus dem Fenster, in vielen Berufen die Meisterpflicht wieder einzuführen. Begründung: Die Qualität in diesen Gewerken müsse wieder besser werden.
Mainfranken: Die einen sagen so, die anderen so
In Mainfranken gehen die Meinungen dazu auseinander. Während die einen wie Wollseifer auf die Qualität pochen, nehmen es die anderen gelassen. Beim Kunden spiele der Meisterbrief keine Rolle, ist zu hören.
Der gelernte Kachelofenbauer Daniel Stöhr ist einer, der diese Meinung vertritt. Er führt in Salz bei Bad Neustadt ein Geschäft für Innen- und Badausbau, in dem er unter anderem Fliesenleger beschäftigt - ein Beruf ohne Meisterpflicht. Noch nie habe ihn ein Kunde nach dem Meisterbrief gefragt, sagt Stöhr. Wenn ein Betrieb schlechte Arbeit leiste, dann "trennt sich sehr schnell die Spreu vom Weizen".
Freilich hat Stöhr gerade bei den Fliesenlegern beobachtet, dass die Lockerung der Meisterpflicht einen Tummelplatz für nicht immer geeignete Handwerker vor allem aus Osteuropa eröffnet hat. Insbesondere auf den Großbaustellen "wird heute kaum noch Deutsch gesprochen". Und die Qualität leide: "Da wird sehr viel Pfusch gemacht."
Das sieht der Würzburger Kreishandwerksmeister Josef Hofmann ähnlich. Bei einigen Berufen ohne Meisterzwang "ist die Qualifikation nicht mehr da". Auch bildeten gerade die vielen Kleinbetriebe keine Lehrlinge aus.
Eine Brisanz, die Daten der Handwerkskammer für Unterfranken unterstreichen. Demnach ist seit der Lockerung der Handwerksordnung die Zahl der jetzt von der Meisterpflicht befreiten Betriebe geradezu explodiert: Waren es 2003 noch 1682, so sind es jetzt 4148. Der Haken: Viele dieser Betriebe sind so klein, dass sie sich nicht lange halten können. Und: Die Zahl der Ausbildungsplätze in diesen Berufen ist seit 2004 laut Kammer um die Hälfte geschrumpft.
Fliesenleger: Zahlen regelrecht explodiert - mit einem Problem
Das habe dazu geführt, dass sich zum Beispiel bei den meisterpflichtfreien Fliesenlegern jeder x-Beliebige selbstständig machen kann. Wiederum mit der Folge, dass wegen fehlender Qualifikation "die Gefahr mangelnder Qualität" steige, so die Kammer in einer Mitteilung. Solche Solo-Selbstständigen sparten sich zudem gerne die Kranken- oder Rentenversicherung.
Das sei in der Tat ein großes Problem, verkündete im August auch schon die Gewerkschaft IG BAUin Mainfranken. Die Zahl der Fliesenlegerbetriebe sei in der Region von gut 500 im Jahr 2004 auf knapp 1000 im Jahr 2017 gestiegen. Außerdem neigten diese Ein-Mann-Firmen zu Minilöhnen, was den Preisdruck auf angestammte Betriebe erhöhe.
Kammer-Hauptgeschäftsführer Ludwig Paul sieht gerade bei solch wild gewachsenen Berufen wie dem des Fliesenlegers die Notwendigkeit, zur Meisterpflicht zurückzukehren. Die von ZDH-Präsident Wollseifer wieder angestoßene Debatte begrüße er. "Wir stehen zum Meisterbrief."
Jedoch sollte die Rückkehr zur Meisterpflicht nicht über einen Kamm geschoren werden: Vielmehr müssten die Fachverbände einzeln prüfen, in welchen Berufen eine Renaissance des Meisterbriefs sinnvoll ist, sagte Paul gegenüber dieser Redaktion.
Ähnlich differenziert sieht das der Unternehmer Daniel Stöhr in Salz. Gerade in Berufen wie dem Ofenbau, bei denen Sicherheit eine große Rolle spiele, sei eine Qualifikation über den Meisterbrief sinnvoll. Kreishandwerksmeister Hofmann denkt bei dem Zertifikat auch an junge Menschen, die sich Gedanken über Beruf oder Studium machen: "Der Meisterbrief steht auf gleichem Niveau wie der Bachelor."
Einen weiteren Weg in die Selbstständigkeit sieht Ludwig Paul von der Handwerkskammer: Es gebe in Berufen mit Meisterpflicht die Möglichkeit, auch ohne Meisterbrief einen Betrieb zu gründen. Dann nämlich, wenn der Chef einen Geschäftsführer mit Meisterbrief vorweisen kann. "Das ist ein Konstrukt, das wir durchaus positiv sehen."