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WÜRZBURG
Experten: Einzelhändler sollten auf die digitale Reise gehen
Der klassische Laden in der Innenstadt, wie hier in Würzburg, verliert im Zuge des wachsenden Online-Geschäfts an Bedeutung, sagen Experten (Symbolbild).
Foto: Thomas Obermeier | Der klassische Laden in der Innenstadt, wie hier in Würzburg, verliert im Zuge des wachsenden Online-Geschäfts an Bedeutung, sagen Experten (Symbolbild).
Jürgen Haug-Peichl
 |  aktualisiert: 10.05.2023 10:34 Uhr

Internet, Apps, Künstliche Intelligenz: Schlagworte, die den Einzelhandel massiv umtreiben. Klar ist den meisten Geschäftsleuten: Der Kunde kauft immer intensiver online ein. Bleibt vor allem für kleine und mittelständische Händler die Frage: Wie reagieren?

Antwort: „Stehen Sie nicht abseits, sondern beteiligen Sie sich an der digitalen Reise.“ So drückte es Rainer Volland von der Münchener Beratungsagentur Elaboratum beim „Tag des unterfränkischen Handels“ am Mittwoch in Würzburg aus. Elaboratum arbeitet eng mit dem Handelsverband Bayern (HBE) zusammen, dessen Bezirksstelle Unterfranken die Veranstaltung ausrichtete. Dieser Bezirksstelle sind 1000 Einzelhändler in der Region angeschlossen.


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Die digitalen Signale sind glasklar: Der Online-Handel in Unterfranken wird nach HBE-Darstellung in 2018 ein weiteres Mal zunehmen – diesmal um zehn Prozent gegenüber dem Vorjahr. Etwa 30 Prozent der Einzelhändler in der Region bieten ihre Waren über einen Online-Shop an. 80 Prozent haben eine eigene, wie auch immer geartete Website. Heißt aber auch: 20 Prozent haben das nicht, sind also offline.

Experten raten: Auf junge Kunden schauen

Das ist nach Ansicht von Elaboratum-Berater Volland schlecht. Die Händler sollten unbedingt auf jene Generation blicken, die in jüngster Zeit erwachsen geworden ist und deshalb die neuen Konsumenten sind. Für sie seien Instagram und Co. wichtige Mittel, um Kaufentscheidungen zu treffen. Volland (49) hielt bei dem Treffen am Mittwoch den etwa 70 Händlern seinen eigenen Nachwuchs und dessen digitale Kanäle auf dem Smartphone vor Augen: „Wenn Sie dort nicht vorkommen, kommen Sie bei meinen Kindern auch nicht vor.“

In eine ähnliche Kerbe schlug Marketingexperte Ralph Berchtenbreiter von der Hochschule für angewandte Wissenschaften in München. Für Geschäftsleute sei es heute nicht mehr so wichtig, den eigenen Internetauftritt schick zu machen. Vielmehr gehe es darum, dass das Warenangebot „auf dem Handy gescheit aussieht“. Wie Berchtenbreiter in Würzburg weiter sagte, spielten die sozialen Netzwerke bei Kaufentscheidungen heute eine überragende Rolle.

Und wer soll das alles machen?

Allein die Botschaft hör' ich wohl – doch wer soll sich im Geschäftsalltag um all das kümmern? Diese Frage schwebte beim „Tag des unterfränkischen Handels“ im Raum. HBE-Bezirksvorsitzender und Modehändler Ralf Ludewig (Bad Kissingen) machte die Zwickmühle deutlich, in der viele Händler stecken: Von Website über Online-Shop bis WhatsApp, Instagram oder YouTube müssten sie bei diesen digitalen Werkzeugen „immer mehr und immer schneller alles können“.

Stationärer Handel verliert an Bedeutung

Hinzu kommt: Der stationäre Handel, also der klassische Laden um die Ecke, verliere an Bedeutung. Die Frequenz an Passanten und damit an potenziellen Kunden hat sich laut Ludewig in Bayerns Städten in den vergangenen fünf Jahren halbiert. Einer Analyse des Beratungsunternehmens Jones Lang LaSalle (JLL) in Frankfurt zufolge schwankt diese Frequenz zumindest in einigen bayerischen Städten erheblich (siehe Grafik).

Was Apps mittlerweile können

Im Gegenzug gibt es Apps, die das Einkaufen noch schneller und noch unabhängiger vom Laden um die Ecke machen: Apps, mit der man vor dem Kleiderkauf die eigenen Körpermaße vermessen kann. Oder Apps wie „Alike“ vom Hamburger Handelskonzern Otto Group: Mit ihr kann der Kunde per Smartphone ein Möbelstück in der Umgebung fotografieren, das ihm gefällt. Die App zeigt dann kurz darauf vergleichbare Möbelstücke diverser Online-Händler an. Nur noch ein paar Fingertipps – und der Kauf ist perfekt.

Das macht nach Ansicht der Experten beim Handelstag in Würzburg deutlich: Das Karussell der Möglichkeiten dreht sich für die Kunden immer schneller. Sich als Unternehmer dagegen zu stemmen, sei Unsinn. „Umarmen Sie die digitalen Medien“, rief etwa Elaboratum-Berater Volland den Einzelhändlern zu.

Wo es Hilfe gibt

Für diese Umarmung gibt es mittlerweile Hilfe. So ist die 90 Seiten dicke Broschüre der „Günther Rid Stiftung für den bayerischen Einzelhandel“ (München) gespickt mit Seminaren rund um alles, was irgendwie mit Online-Handel und -Marketing zu tun hat. Auch der HBE Unterfranken bietet solche Seminare an.

Für einen Silberstreif am Horizont überforderter Einzelhändler sorgt seit August zudem eine neuartige Ausbildung in Deutschland: die zum E-Commerce-Kaufmann. Unternehmen sollen damit speziell geschultes Personal bekommen. In Unterfranken sind unter anderem die Möbelhändler XXXLutz Neubert in Würzburg und Spitzhüttl in Neubrunn oder der Bürobedarf-Händler Memo in Greußenheim (beide Lkr. Würzburg) schon auf diesen Zug aufgesprungen.

Und dann die Sache mit dem Monster

Freilich haben die Lorbeeren im Online-Geschäft auch Dornen. Stichwort: Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Die seit 25. Mai geltenden Regelungen seien „ein großes Monstrum für uns“, sagte Rechtsexpertin Uta Wandera vom HBE Unterfranken. Mit der Umsetzung der komplizierten Vorschriften „warten viele Händler erst mal ab“, ergänzte Bayerns HBE-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Puff.

Eine Befürchtung ist nach Darstellung von Uta Wandera nicht wahr geworden: „Eine große Abmahnwelle kam bisher eher nicht.“ Im Vorfeld der DSGVO wurde spekuliert, dass Scharen von Rechtsanwälten auf schnelles Geld aus sein könnten, indem sie reihenweise Abmahnungen wegen Datenschutzverstößen verschicken.

Kurioses gibt es auch

Viele Fragezeichen rund um die DSGVO sind geblieben. Der HBE in Würzburg biete Einzelhändlern hier stets Hilfe an, so Wandera. Freilich gibt es nicht nur Fragezeichen, sondern auch Kuriositäten: Wer zum Beispiel in diesen Tagen die Weihnachtsgans bestellt, müsse beim Metzger unter Umständen eine Datenschutzerklärung ausfüllen, sagte die HBE-Rechtsexpertin. Andernfalls dürfe der Metzger nicht den Namen des Kunden speichern.

 
 
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