Ein neuer Ausbildungsberuf für Absolventen aller Schularten geht am 1. August an den Start: der Kaufmann respektive die Kauffrau im E-Commerce. Er ist der erste neue kaufmännische Ausbildungsberuf seit zehn Jahren. Auch in der Region tut sich hier Einiges.
Wie man Waren online vertreibt
Entwickelt wurde der neue Ausbildungsberuf vom Handelsverband Deutschland. Unterfränkische Unternehmen haben ein großes Interesse daran, jungen Menschen mit guten Noten in Mathematik, Deutsch und Englisch Kompetenzen zu vermitteln, wie man Waren und Dienstleistungen geschickt online vertreibt.
Rund die Hälfte des Umsatzwachstums im Einzelhandel entfällt derzeit auf den Online-Handel. „Immer mehr bisher rein stationäre Unternehmen in unserer Region sind im Internet für ihre Kunden erreichbar und werden zu Multichannel-Händlern“, erklärt Volker Wedde, unterfränkischer Bezirksgeschäftsführer des Handelsverband Bayern (HBE). Durch die neue Ausbildung möchte sein Verband die Digitalisierung aktiv begleiten.
Was zum Beispiel bei XXXLutz geht
Die künftigen Kaufleute im E-Commerce werden systematischer und qualifizierter als bisher auf eine Karriere im Online-Handel vorbereitet, meint Sascha Pillat, Leiter des 2013 gegründeten Online-Shops von XXXLutz Neubert auf dem Würzburger Heuchelhof. Dort durchlaufen derzeit 20 junge Menschen eine Lehre zum Marketing-Experten, Büromanager und Handelsfachwirt. Gerade die Marketing-Ausbildung ist laut Pillat viel zu klassisch ausgerichtet: „Online-Marketing stellt nur ein Randthema dar.“
Bedarf an Azubis ist vorhanden
Am neuen Ausbildungsberuf hat das Würzburger XXXL-Team direkt mitgewirkt, erläutert der Online-Experte: „Bei einem Branchentreff Anfang 2016 konnten wir unsere Ideen einbringen.“ Bereits im Herbst schrieb der Möbelhändler die neuen Azubi-Stellen aus. „Wir würden gerne drei bis vier Jugendliche einstellen“, sagt Madelaine Craenenbrouck, die für die Azubi-Betreuung zuständig ist.
Neubert sucht in erster Linie Abiturienten. Bisher gingen um die 15 Bewerbungen ein. Die Kandidaten stammen laut Craenenbrouck aus der gesamten Region: „Sogar aus Tauberbischofsheim kam eine Bewerbung.“
Ausbildung läuft über drei Jahre
An zwei Schnuppertagen sollen die Bewerber herausfinden, ob der neue Beruf für sie in Frage kommt. Ist dies der Fall, durchlaufen sie ihre Ausbildung über drei Jahre hinweg in sieben Abteilungen. Sie lernen, wie man potenzielle Kunden auf die eigene Website lockt, suchen Schüsselwörter für Suchmaschinen und realisieren eine kleine Online-Kampagne von der Planung bis zur abschließenden Erfolgsmessung.
„Auch wir werden einen Jugendlichen ab Herbst im neuen Beruf ausbilden“, sagt Karin Adomszent vom Möbelhaus Spitzhüttl in Neubrunn (Lkr. Würzburg). Mehrere Bewerbungen seien inzwischen eingetrudelt: „Wir sind mitten im Auswahlverfahren.“
Wie ein Online-Shop funktioniert – und mehr
Die Lehre wird sehr abwechslungsreich sein: „Die Auszubildenden lernen, wie ein Online-Shop funktioniert, wie Produkte angelegt und wie sie gepflegt werden.“ Am Ende der Ausbildung können die Jugendlichen eine Online-Bestellung komplett abwickeln: „Von der Bestellbestätigung über die Bezahlung bis hin zu Versand, Retouren und Reklamationen.“
Auch Online-Marketing wird laut der Einzelhandelskauffrau Thema in der neuen Ausbildung sein: „Hier spielt Social Media eine ebenso große Rolle wie die eigene Homepage.“ Bei Spitzhüttl produziert man sogar eigene YouTube-Videos: „Da merkt man erst einmal, wie viel Arbeit hinter so einem kleinen Zwei-Minuten-Clip von der Konzeption über den Dreh und die Nachbearbeitung bis hin zur Vermarktung steckt.“ Mit dem neuen Azubi soll die E-Commerce-Abteilung des Möbelhauses wachsen: „Wir hoffen, langfristig einen top ausgebildeten Mitarbeiter zu gewinnen.“
Auch in Bad Neustadt geht was
Der boomende Online-Handel verschärft die Wettbewerbssituation. Wer sich nicht umstellt, stehe bald auf verlorenem Posten, weiß Stefan Günther von der Günther Fachhandel GmbH & Co. KG aus Bad Neustadt an der Saale. „Wir kommen zu weiten Teilen aus der analogen Welt und wollen den Übergang zur digitalen Welt nun gut schaffen“, sagt er.
Die ersten Schritte seien eingeleitet. So kann bei Günther inzwischen online eingekauft werden. Nun soll über den neuen Ausbildungsberuf ein Experte für die Erschließung neuer, digitaler Märkte und den Aufbau neuer digitaler Vertriebskanäle herangezogen werden.
Memo: Bald wird Stelle ausgeschrieben
Weil sich die meisten Jugendlichen heute wie selbstverständlich in der digitalen Welt bewegen, wird das Interesse am neuen Ausbildungsberuf groß sein, schätzt Corinna Rößer vom Versandhändler Memo in Greußenheim (Lkr. Würzburg). Memo würde ebenfalls gerne einen Azubi nehmen, die Stelle wird in Kürze ausgeschrieben.
Der Lehrling soll bei Onlinemarketing-Maßnahmen mitwirken und den Web-Inhalt pflegen. Rößer: „Außerdem wird er oder sie sich, wie alle anderen unserer Azubis, mit dem Thema Nachhaltigkeit befassen, denn das wird bei uns ganzheitlich im Unternehmen umgesetzt.“
s.Oliver: Im September geht's los
Auch bei der s.Oliver Group in Rottendorf bei Würzburg spielt E-Commerce eine große Rolle.„Durch die Digitalisierung entstehen neue Tätigkeitsfelder, und die erfordern erweiterte Ausbildungsinhalte“, meint Personalchefin Gabriele Fluck.
Für s.Oliver sei es selbstverständlich gewesen, den neuen Ausbildungsberuf so schnell wie möglich zu implementieren: „Für den Start im September sind wir auf der Suche nach mindestens einem Young Talent.“ Die ersten Bewerbungen sind eingegangen. Während ihrer Lehre sollen die Azubis kleine Projekte rund um die Nutzung und Optimierung der Online-Vertriebskanäle des Modeunternehmens realisieren.
Zurückhaltung bei Labelident
Dass ein sehr großes Interesse an der neuen Ausbildung besteht, kann Susanne Emig vom Schweinfurter Etiketten-Experten Labelident nicht bestätigen: „Wir haben in zwei Monaten gerade einmal vier Bewerbungen bekommen.“ Zwei eCommerce-Kaufleute möchte Emig ab September gern ausbilden. Die Jugendlichen werden Online-Marketing-Maßnahmen umsetzen, Newsletter gestalten und erfahren, wie der Datenschutz zu berücksichtigen ist.