
Wolfgang Clement ist frustriert. „Es ist ein kleinkarierter Knatsch, den man momentan erlebt“, meint er zu den derzeitigen Nachrichten in der Politik. Er bringt Beispiele wie die Diskussionen um Hans-Georg Maaßen oder die Flüchtlingsthematik. „All das ist unfassbar“, meint der ehemalige Bundesminister. Seiner Meinung nach verlieren andere Themen an Bedeutung, die wichtiger seien. Etwa die Digitalisierung und die damit verbundenen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Und darüber sollte es am Dienstagabend im Gut Wöllried in Würzburg auch gehen. Beim 38. Forum für Zukunftsfragen der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw) drehte sich die Diskussion darüber, wie die Arbeit in der Zukunft aussehen könnte.
Digitalisierung: Rasanter Prozess
„Die Digitalisierung ist ein Prozess, der schon Jahrzehnte andauert, aber ein schnelleres Tempo annimmt“, sagte Clement. Und dieser werde die Wirtschaft grundlegend verändern. Roboter und Bitcoin beispielsweise würden für einen Kahlschlag sorgen und Arbeitsplätze kosten– jedoch auch neue entstehen lassen. Die Entwicklung sei unübersehbar und unabweisbar, so Clement. „Und wir müssen aufhören zu jammern. Uns geht es glänzend.“
Der Widerstand und die Skepsis gegenüber Veränderungen sei normal. Dennoch würde die Entwicklung zu zögerlich ablaufen, so zum Beispiel beim Ausbau der digitalen Infrastruktur. All das sei aber zu lösen, die Politik setze die falschen Prioritäten, wie der ehemalige Bundesminister mehrfach anmahnte – und die Große Koalition deswegen oft attackierte. Unter den 180 Teilnehmern des Forums erntete er dafür mal Applaus, mal heftiges Kopfschütteln.
Clement: Bildungsreform notwendig
Die größte Baustelle sieht Clement in der Bildung. „Wir sind weit entfernt davon, die größte Bildungsnation zu sein. Wir sind im Mittelfeld.“ Eine Chancengerechtigkeit sehe er in Deutschland momentan weniger. Es gebe dafür zu viele Jugendliche ohne Schulabschluss. Auch die Digitalisierung in den Schulen hinke hinterher. „Dort ist das leider oft noch ein Fremdwort“, meinte er. Sein Lösungsvorschlag: Mehr finanzielle Mittel und besser bezahltes Personal für die Bildung bereitstellen.
Unzufrieden mit der Politik
Immer wieder wurde es politisch an diesem Abend, an dem es auch um die „wirtschafts- und sozialpolitischen Herausforderungen unserer Zeit“ gehen sollte. Clement mahnte im Vortrag die Rentenpolitik an und betonte, ein Gegner des gesetzlichen Mindestlohns zu sein. Dort habe die Politik massive Eingriffe in die Betriebe vorgenommen und für eine Überregulierung und Bürokratisierung gesorgt. „Dabei brauchen wir Entfesselung in Deutschland.“ Die Digitalisierung sei dafür ein wichtiges Mittel.
Und da gab sich Clement euphorisch. „Wir sind besser als man denkt“. In der Medizin, in der Industrie 4.0 und in der immer größer werdenden Gründerszene seien gute Fortschritte zu erkennen. „Die Digitalisierung ist kein Gespenst“, sagte der Ex-Bundesminister. Und der Mittelstand habe eine enorme Kraft, diese umzusetzen. „Jetzt gilt es, aus der digitalen Transformation eine Erfolgsstory zu machen.“ Wie das funktionieren kann, konnten die Teilnehmer dann im Anschluss mit ihm diskutieren.