Milliarden-Umsatz und 45 000 Beschäftigte: Vom kleinen Würzburger Vorort Rottendorf aus steuert der Lebensmittelhändler Edeka sein Reich zwischen Franken, der Oberpfalz, Thüringen und Sachsen. In einem unscheinbaren Zweckbau laufen die Fäden bei Sebastian Kohrmann (36) und Rainer Kämpgen (57) zusammen. Nachdem sich Dieter Stukenbrok zu Monatsbeginn in den Ruhestand verabschiedet hat, steht das Duo an der Spitze des Vorstandes der Edeka-Gruppe Nordbayern-Sachsen-Thüringen. Von dort drangen bislang selten Nachrichten nach draußen. Nun reden die beiden Chefs darüber, wie Edeka tickt.
Sebastian Kohrmann: Kupsch hat vor allem in Würzburg eine relevante Bedeutung und ist dort auch noch eine starke Marke. Aber eher aus der Vergangenheit heraus. Die Märkte sind erfolgreich. Aber für das Expansionsmodell, mit dem wir regional und überregional neue Märkte eröffnen, sind natürlich E-Center und Edeka die starken Marken.
Kohrmann: Das sind zwei Aspekte. Die kleineren Märkte sind absolut in unserem Fokus – nicht nur im ländlichen Raum, sondern auch in den urbanen Zentren. In Nürnberg oder in Dresden, auch in Würzburg. In solchen Städten mit mehr als 100 000 Einwohnern gehen wir bewusst in kleinere Flächen, um nah an die Kunden zu rücken. Auf dem Land haben die ganz kleinen Läden jedoch kaum eine Zukunft. Da kommt es eher darauf an, dass man mit einem ordentlichen Edeka-Markt auf 1200 oder 1500 Quadratmetern Zentren schafft, wo man alles bekommt.
Kohrmann: Das ist ein Teil unseres Geschäfts, wenn man so will. Wir haben ja auch die Großhandelssparte und beliefern eine große Zahl an Dorfläden. Für diese ganz kleinen Strukturen in Dörfern mit zum Beispiel 800 Einwohnern, also mit so etwas wie den Bäckereiläden von früher, gibt es nur dann eine Zukunft, wenn das Geschäft eine lokale Genossenschaft oder die Kommune non-profit betreibt. Für dieses Modell gibt es immer mehr Beispiele.
Kohrmann: Wir verfolgen die komplette Prozesskette vom Lieferanten über unsere Lager bis hinein in die Märkte. Gleichzeitig haben wir hohe Anforderungen an unsere Lieferanten, die wir ständig überprüfen.
Rainer Kämpgen: Wir haben Qualitätsabteilungen mit einem ausgeklügelten Informationssystem und sofortigen Rückmeldungen zu notwendigen Maßnahmen. So haben wir zum Beispiel bei Qualitätsmängeln zeitnah die Kenntnis, dass die Ware auch wirklich aus dem Verkauf geholt wurde.
Kohrmann: Der Lebensmittel-Einzelhandel ist ein krisensicheres Geschäft. Auch in Corona-Zeiten laufen die Lebensmittelumsätze für Edeka sehr gut. Wir haben im ersten Halbjahr ein Umsatzplus von 13 Prozent. Die andere Seite der Medaille ist, dass Corona natürlich zusätzliche Belastungen gebracht hat. Seien es zusätzliche Ausgaben für die Hygienemaßnahmen und behördlichen Auflagen, seien es zusätzliche Belastungen für die Mitarbeiter. Wir haben außerdem einen Umsatzeinbruch beim Großverbrauchergeschäft mit den Restaurants. In Summe sind wir aber mit dem ersten Halbjahr absolut zufrieden.
Kämpgen: Wir haben in den vergangenen Monaten durch unser Logistik-System viel Vertrauen bei den Verbrauchern gewonnen. Es wurde zwar viel über teilweise ausverkauftes Toilettenpapier gesprochen. Aber wir haben darüber hinaus generell einen guten Belieferungsstand bei unseren Märkten erreicht.
Kämpgen: Online hat bei Lebensmitteln immer noch keine relevante Größe. Natürlich hat sich in den Märkten zum Beispiel durch die neuen Plexiglasscheiben etwas verändert. Bei den Kunden ist zum Beispiel der Trend zu beobachten, wieder mehr zuhause zu kochen. Darauf werden wir uns beim Sortiment und bei unseren Angeboten einstellen.
Kämpgen: Ja. Die Resonanz der Kunden gegenüber unseren Mitarbeitern in den Verkaufsstellen war sehr positiv.
Kohrmann: Geld ist ja immer nur ein Faktor. In unserem Großhandelsbereich und bei unseren Kaufleuten war es so, dass den Mitarbeitern mit verschiedenen Gratifikationen gedankt wurde. Zum Beispiel bei den Logistik- und Marktmitarbeitern mit Gutscheinen, weil es naheliegt. Was sich sowohl in den Märkten als auch hier in der Verwaltung am meisten verändert hat, ist das Zusammengehörigkeitsgefühl. Es ist stärker geworden.
Kämpgen: Ich bin in all unsere Lager gefahren und habe mich bei den Mitarbeitern der Logistikzentren persönlich bedankt. Wir haben natürlich noch ein bisschen mehr gemacht. Aber man darf nicht unterschätzen, dass man in solchen Krisensituationen zusammenrückt, was für ein Unternehmen einen Wert darstellt. Unsere Mitarbeiter haben einen tollen Job gemacht.
Kohrmann: Was man auch nicht vergessen darf: Das Image des Lebensmittelverkäufers ist deutlich besser geworden. Unsere Kaufleute berichten, dass sie jetzt deutlich leichter Auszubildende und Mitarbeiter finden.