
Digitalisierung ist wichtig, Digitalisierung ist die Zukunft: Das hört man seit Jahren oft in Unternehmen – auch in Mainfranken. Mittlerweile hört man aber auch, dass die Wirtschaft im Land aufpassen müsse, bei der Digitalisierung nicht abgehängt zu werden.
Mahnende Worte dieser Art kamen jüngst von der Vorstandsvorsitzenden des Sonnenschutzspezialisten Warema in Marktheidenfeld (Lkr. Main-Spessart), Angelique Renkhoff-Mücke. "Wenn Deutschland bei der Digitalisierung mitspielen will, müssen die Unternehmen schneller und agiler werden", teilte sie auf dem Twitter-Kanal ihres Unternehmens mit.
Was der tiefere Sinn war
Auch wenn er das so deutlich nicht sagen will, denkt Auslandsexperte Kurt Treumann von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Würzburg-Schweinfurt in eine ähnliche Richtung. In Mainfranken sei bei der Digitalisierung Vorsicht geboten, "dass wir nicht überholt werden", sagte er gegenüber dieser Redaktion.
Vor diesem Hintergrund ist der "IHK-Wirtschaftstag" zur Digitalisierung zu verstehen gewesen, den Treumann zusammen mit der IHK Heilbronn in dieser Woche im ehemaligen Kloster Bronnbach (Main-Tauber-Kreis) organisiert hatte. Er sollte den gut 40 Unternehmern zeigen, wie es bei der Digitalisierung jenseits des Tellerrandes aussieht – und was deshalb auf Mainfranken zukommen könnte. "Ein Impuls zum Nachdenken", formulierte Treumann den tieferen Sinn.
Wie die Chinesen drauf sind
Dass dabei das boomende China im Vordergrund stand, verwundert nicht. Was dort und in den USA Trend ist, setzt zeitverzögert gerne auch mal Standards für deutsche Unternehmen. Henriette Wildnitz von der deutschen Außenhandelskammer (AHK) in China machte deutlich, wie die Chinesen ticken: Sie bezahlen in den Großstädten selbst Straßenkünstler oder Kleinkram im Laden nur noch digital, sind auch im hohen Alter offen für neue Technik und haben eine ausgeprägte Start-up-Kultur. Und: Die Konsumenten setzen beim Kauf auf die digital verschickten Empfehlungen anderer Käufer.
Zentrale Rolle spiele hierbei die in China allgegenwärtige App "WeChat". Was dort an Bewertungen von Waren oder Dienstleistungen kursiere, sei für Verbraucher oft die einzig relevante Orientierung, sagte Wildnitz.
E-Commerce sei im Übrigen "ein riesiges Thema in China". Mittlerweile habe sich dort beispielsweise der autonom fahrende Supermarkt "Moby Mart" etabliert. Er sieht aus wie ein gläserner Omnibus, kann per App bestellt und zwecks Einkauf betreten werden. Bezahlt wird digital.
Alles ein bisschen anders ist es auch in den USA – allein schon, was die Unternehmenskultur angeht. So gelte im digitalen Wunderland Silicon Valley mit seinen vielen Start-ups die Regel: "Versagen ist nichts." So drückte es Kristian Wolf von der AHK in San Francisco aus. Wenn unternehmerisch etwas möglich erscheint, "dann macht man es einfach".
Es müssen freilich nicht immer Riesenstaaten wie China oder die USA sein, wenn es um die digitale Zukunft geht. Auch kleine Nationen haben etwas zu bieten, wie AHK-Experte Tarmo Mutso anhand von Estland verdeutlichte. Das Land im Baltikum mit seinen 1,3 Millionen Einwohnern hat für sein durchdigitalisiertes Leben eine Basis, von der man in Bayern träumt: flächendeckendes Breitband. Mehr noch: 99 Prozent der staatlichen Dienstleistungen seien nur noch online verfügbar. Für die digitale Steuererklärung "braucht man nur drei Minuten", so Mutso.
WeChat: Nutzerdaten an die Regierung
Wer über derlei ausgeprägte Digitalisierung spricht, kommt schnell zum Thema Datenschutz. Ob die Verhältnisse zum Beispiel in China einmal Realität auch in Mainfranken sein werden, darf man bezweifeln: Von der App WeChat ist bekannt, dass sie alle Nutzerdaten an die Regierung weitergibt. Und in chinesischen Großstädten sind nach den Worten von AHK-Expertin Wildnitz längst Polizisten unterwegs, die spezielle Brillen tragen. Sie übertragen per Gesichtserkennung die Daten von Passanten an die Behörden.
"Digitale neue Welt" ist das Thema einer Info-Reise nach China, die die IHK Würzburg-Schweinfurt vor allem kleinen und mittelständischen Unternehmern anbietet (14. bis 18. Oktober). Ziele sind die Metropolen Shanghai und Hangzhou. Weitere Informationen und Anmeldung bei IHK-Bereichsleiter Kurt Treumann, kurt.treumann@wuerzburg.ihk.de